Väter

A–Z Die Zahl der Männer in Elternzeit steigt. Doch ob sie dabei Darth Vader spielen oder den Sohn nur endgültig zum Ödipus machen, ergründet unser Lexikon der Woche
Ausgabe 43/2014
Nicht nur das Kindsein ist zuweilen schwer – das Vatersein genauso
Nicht nur das Kindsein ist zuweilen schwer – das Vatersein genauso

Foto: Thierry Zoccolan / AFP / Getty Images

A

Allmächtiger „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“: In seinen letzten Worten schließt der sterbende Jesus Christus Frieden mit Gott. Momente zuvor fragte er noch flehend, warum dieser ihn verlassen habe. Das legen manche Exegesen als Ausdruck des – schmerzlichen – Getrenntseins vom Vater aus. In vielen Religionen, nicht nur in den monotheistischen, sondern vor allem auch in den Vielgötterwelten, wird Gott jedenfalls als Vaterfigur betrachtet; da geben Götterväter wie Zeus und Odin, Vishnu (im Hinduismus) oder Huitzilopochtli (bei den Azteken) den Ton an. Der Allmächtige muss in patriarchalisch gefärbten Gesellschaften und Glaubenswelten wohl zwangsläufig als Mann interpretiert werden. Häufig ist den Göttervätern aber eine Frau zur Seite gestellt. Tobias Prüwer

C

Cartoon Vaterporträts gibt es viele in der Literatur, im Film und in der Musik (➝ Soul). Die schönste Hommage an einen Vater sind aber die Comics aus der Reihe „Vater und Sohn“ von Erich Ohser, die zwischen 1934 und 1937 entstanden sind. Darin erleben ein dickbäuchiger Vater mit eindrücklichem Schnurrbart und sein Sohn mit Strubbelhaar ein Alltagsabenteuer nach dem anderen. Da schreibt der Vater etwa den Schulaufsatz des Sohnes und wird ob der Mangelhaftigkeit des Werks schmerzhaft vom Lehrer bestraft. Ein anderes Mal beschließen Vater und Sohn, die vergessenen Rosinen per Gewehr in den Kuchen zu schießen. So leicht und fröhlich diese Geschichten sind, so tragisch war das Leben ihres Erfinders: Als Gegner der Nazis wurde Erich Ohser, der sich als Zeichner e.o.plauen nannte, von seinem Nachbarn verraten. Vor Beginn der Gerichtsverhandlung nahm er sich 1944 das Leben. Benjamin Knödler

D

Darth Vader „Luke, ich bin dein Vater!“, lautet ein bekanntes Zitat der Filmgeschichte. Doch Achtung: Es ist oft, auch hier jetzt, falsch wiedergegeben. Denn in der entsprechenden Szene aus Star Wars. Das Imperium schlägt zurück sagt Darth Vader zu Luke Skywalker – nachdem er ihm die rechte Lichtschwerthand abgeschlagen hat – tatsächlich: „Nein ... ich bin dein Vater.“ Auch wenn die Populärkultur die falsche Fassung gern gebraucht: Immerhin gibt es das Zitat in korrekter Form als Klingelton. Diese Vater-Sohn-Konstellation schöpft, wie vieles in der Fantasy-Saga, aus der Mythologie. Man denke nur an den Vatermörder Ödipus (➝ Komplexe). Der Fall Darth Vader geht anders aus. Um seinen Sohn zu retten, opfert sich der Vater; er gibt sein eigenes Blut für das Weiterleben seiner Blutlinie. Tobias Prüwer

K

Komplexe Väter müssen nicht einmal besonders erfolgreich oder streng sein, um Komplexe bei ihren Kindern auszulösen. Es reicht schon das Vatersein an sich beziehungsweise das Geschlecht der Nachfahren. So sieht es zumindest die Psychoanalyse, die vor allem zwei Komplexe ausgemacht hat, die das Verhältnis zwischen Vätern und Kindern betreffen.

Da ist zum einen der berühmte Ödipuskomplex: Söhne empfinden demnach in bestimmten Lebensphasen vor allem Hass, Rivalität und Eifersucht gegenüber ihren Vätern. Sigmund Freud zufolge rivalisieren die Söhne mit ihrem Vater um die Mutter. Erst durch die Angst vor der väterlichen Bestrafung akzeptiert der Sohn, dass die Mutter für ihn unerreichbar bleiben wird. Auf der anderen Seite steht der Elektrakomplex, dem zufolge sich Töchter psychologisch besonders stark an ihren Vater gebunden fühlen, während sie die Mutter ausschließen wollen. Ob das für die Eltern schöner ist?

Eins steht wohl unzweifelhaft fest: Nicht nur das Kindsein ist zuweilen schwer – das Vatersein genauso. Benjamin Knödler

M

Mord Der Vatermord ist ein zentrales Thema in der Ödipus-Geschichte (➝ Komplexe) und taucht als Motiv oft auf Theaterbühnen und in der Literatur auf. Populäre Beispiele sind Shakespeares Hamlet, das expressionistische Drama Vatermord von Arnolt Bronnen, Dostojewskis Die Brüder Karamasow und Kriminelle von Philippe Djian. Psychologisch betrachtet basiert die Motivation für einen Vatermord auf dem Trieb, sich selbst oder seine „Macht“ zu retten. Als Vatermord gilt auch die Diffamierung eines Gedankenvaters oder Mentors, etwa in der Politik oder im akademischen Betrieb.

Zur Zeit des Biedermeiers war der „Vatermörder“ aber auch ein sehr modisches Kleidungsaccessoire: ein hoher Stehkragen, dessen Spitzen bis über das Kinn reichten und separat auf das kragenlose Hemd geknöpft wurden. Einer Legende nach bekam das Accessoire seinen Namen, nachdem ein Sohn seinem Vater bei einer Umarmung mit dem spitzen Kragen ein Auge ausgestochen hatte und der Vater an den Folgen starb. Felix-Emeric Tota

N

Nationalgedanke Sterben fürs Vaterland. Vielleicht finden viele Menschen diesen Gedanken auch deshalb gar nicht so abwegig, weil der Begriff den Eindruck erweckt, es ginge um eine Person, die ihnen sehr nahesteht, ihren Vater eben. Warum heißt es aber Vaterland, während wir von Mutter Erde reden? Und was ist mit der Muttersprache? Wahrscheinlich weil das Land als (Wirtschafts-)Gut früher meist im Besitz des Vaters war. Erde und Natur werden hingegen eher mit Weiblichkeit verbunden, wohl weil sie „Leben schenken“. Und bei der Muttersprache dürfte der Begriff daher kommen, dass viele kleine Kinder das Sprechen von ihrer Mutter lernten. Felix Werdermann

P

Patchwork Alleinerziehende Väter suchen sich eine neue Partnerin – und die Kinder sind dieser Entscheidung ausgeliefert. Man kennt das: Patchwork. Oder, auf Deutsch: das Flickenteppich-Prinzip. Solche Stieffamilien gab es auch früher schon, etwa wenn ein Elternteil gestorben war; der Tod war der einzige gesellschaftlich akzeptierte Grund, die Kinder mit einem neuen Partner großzuziehen. Mit der wachsenden Scheidungsrate wechseln Partner- und Kindkonstellationen heutzutage eben öfter. Die Adoption der in die Beziehung gebrachten Kinder kompensiere die fehlende biologische Bindung – sagen manche Soziologen. Tatsächlich wird innerhalb von Patchwork-Beziehungen mehr adoptiert, als etwa Kinder aus Heimen neue Eltern finden. Bis zu 13 Prozent der in Deutschland lebenden Flickenteppich-Familien praktizieren dieses Konzept. Anton Humpe

S

Soul Wie sie es auch machen: Väter kommen nie so ganz gut weg, wenn über sie geschrieben oder gesungen wird. Zumindest zeugt das von starken Gefühlen. So auch im Soul, von dem man ja sagen kann: Große Emotionen bringen große Songs hervor. „Papa Was a Rolling Stone“ (The Temptations) und „Papa’s Got a Brand New Bag“ (James Brown) sind die erfolgreichsten Vatersongs des Genres. Es gibt noch einige mehr. Eines der schönsten Lieder über eine väterliche und vor allem auch geglückte Beziehung ist Color Him Father von The Winstons. Hier wird das Akzeptieren, Anerkennen und Lieben eines Stiefvaters besungen. Dieser hat nämlich allem Anschein nach alles richtig gemacht. Das geht also auch. Felix-Emeric Tota

Spätzünder Ich bin im hohen Alter von 46 Jahren zum ersten Mal Vater geworden. Das hat mir schon manches Mal zu schaffen gemacht, doch seit gestern sehe ich darin kein Problem mehr. „Du hast gute Gene und lebst praktisch asketisch, du vermeidest es, auf der Schönhauser Allee an unübersichtlichen Stellen zu überholen. Du tust, was in deiner Macht steht, aber eine Garantie auf ein langes Leben ist das dennoch nicht.“ So dachte ich bisher. Aber nun habe ich es schwarz auf weiß: Eine Wahrsagerin aus Brașov (Siebenbürgen) hat mir auf dem Alexanderplatz berechnet, dass ich 99,3 Jahre alt werde. Außerdem hat sie gesagt, dass aufgrund eines „sehr seltenen Metabolismus“, so lauteten ihre Worte, die Zahl meiner Muskel- und Hirnzellen bis zum Schluss nicht ab-, sondern zunehmen werde. Wenn ich dann im Supervollbesitz meiner geistigen und körperlichen Kräfte sterben werde (woran eigentlich?), wird mein Sohn älter sein, als ich alter Sack es jetzt bin. Wir haben quasi das ganze Leben noch vor uns! Das muss ich ihm heute bei unserem Einschlafgespräch gleich mitteilen. Er schläft im Moment nicht so gut, Gespenster bedrängen ihn in seinen Träumen. Aber damit ist Schluss, wenn er das hört. Michael Angele

T

Test Wer das gigantische Angebot auf Apotheken-Websites im Internet sieht, muss unweigerlich zu dem Schluss kommen: Vaterschaftstests sind wohl etwas, das man alltäglich zwischen Mittagsschlaf und Raucherpause macht. Einen sogenannten DNA-Stift gibt es jedenfalls schon für zehn Euro. Wie genau der Käufer damit zu Hause einen Abstrich machen soll, wo das doch eigentlich nur Ärzten erlaubt ist, bleibt offen. Und dann fallen da noch 740 Euro für Laborkosten an. Im Werbetext für den Vaterschaftstest Humatrix heißt es: „Immer mehr Männer nutzen diese Möglichkeit – angeführt von prominenten Beispielen wie Boris Becker.“ Na dann ... Simon Schaffhöfer

W

Wirtschaft Unlängst beklagte sich eine Freundin, dass ihr Mann seit der Geburt des ersten Kindes nicht mehr kocht und sich aus dem Haushalt und der Fürsorge heraushält. Die neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zum 2007 eingeführten Elterngeld verweisen aber auf einen anderen Trend: Die Zahl der Väter, die den Kindern zuliebe im Job pausieren, steigt. Bundesweit beziehen heute 29,3 Prozent der Väter Elterngeld. Spitzenreiter ist Jena: Dort geht schon jeder zweite Papa in Elternzeit. Ja, das Selbstverständnis von Vätern wandelt sich langsam, aber stetig, wie auch eine Forsa-Umfrage von 2013 zeigt. Das Glück, das Väter mit ihren Kindern erfahren, scheint ein wichtiger Motor dafür zu sein. Und die freie Wirtschaft muss darauf reagieren. In Zukunft werden auch für Männer Teilzeit, Ausfälle wegen erkrankter Kinder oder Haushaltstage verstärkt zum Thema. Die Unternehmensberater der Väter gGmbH (vaeter-ggmbh.de) haben sich schon darauf spezialisiert. Ulrike Bewer

Z

Zank Sind Kinder im Spiel, ist ein Beziehungsende oft besonders dramatisch und mit Zank verbunden. Beim Streit um Sorgerecht und Unterhalt wird von Gerichten oft die Mutter-Kind-Beziehung als die wichtigere angesehen. Dementsprechend fallen viele Urteile aus. Das ist so aber nicht mehr zeitgemäß. Mit dem legitimen Ansinnen, der sich verändernden Paparolle gerecht zu werden, hat sich eine Väter- oder Väterrechtsbewegung gebildet. Leider sind hier aber auch Maskulisten am Werk, explizite Antifeministen und Frauenhasser. Ihre Forderungen sind geprägt von einer biologistischen Sicht. Jungen und Männer werden ihnen zufolge systematisch benachteiligt. Absurd ist die Maskulisten-Klage, dass Männer öfter Opfer von Gewalt seien als Frauen, weil sie, etwa in Kneipenschlägereien, angegriffen werden – von Männern. Tobias Prüwer

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Verändern Sie mit guten Argumenten die Welt. Testen Sie den Freitag in Ihrem bevorzugten Format — kostenlos.

Print

Die wichtigsten Seiten zum Weltgeschehen auf Papier: Holen Sie sich den Freitag jede Woche nach Hause.

Jetzt kostenlos testen

Digital

Ohne Limits auf dem Gerät Ihrer Wahl: Entdecken Sie Freitag+ auf unserer Website und lesen Sie jede Ausgabe als E-Paper.

Jetzt kostenlos testen

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden