Verbraucher werden die Welt nicht retten

These 6 Unter der Lupe: Sechs skeptische Thesen zum Öko-Lifestyle. Was ist dran am Kult um den korrekten Konsum?

Sie kennen das sicher: Auf dem Heimweg von der Arbeit muss nicht nur das Kind aus der Kita geholt, sondern auch eingekauft werden. Die Balkonkästen brauchen frische Blumenerde. Eigentlich will man torffreie Erde kaufen, weil man ja nicht mitschuldig sein mag am Tod der letzten Moore. Aber das Gedränge in der Gartenabteilung ist groß, das Kind quengelt, da dreht man nicht jeden Sack um, nur um die kleingedruckten Inhaltsangaben auf der Rückseite zu lesen …

Es gibt tausend Gründe, warum Konsumenten das Falsche tun. Mal haben sie keine Zeit. Mal keine Lust. Mal kein Geld. Mal sind sie nicht informiert oder haben vergessen, wie nochmal dieses neue Gütesiegel aussieht. Oft werden Konsumenten durch Firmen getäuscht, die ihre Produkte geschickt mit ökologisch klingenden Worten bewerben. Nicht selten aber wollen die Kunden auch getäuscht werden – es ist tröstlich zu glauben, durch den Kauf einer Bio-Milch die Welt besser zu machen. Häufig geht es beim „strategischen Konsum“ eher darum, sich selbst gut zu fühlen als anderen Gutes zu tun.

Es ist kein Zufall, dass sogar die schwarz-gelbe Koalition von einer Stärkung der „ökologischen Konsumentenverantwortung“ spricht – auf diese Weise können Politik und Wirtschaft ihre Verantwortung prima abwälzen. Denn mit der Komplexität der modernen Welt sind auch gut‑ willige Verbraucher überfordert. Die wechseln beispielsweise zu Ökostrom – dabei bringen viele Angebote gar nichts, weil die Kunden lediglich Strom bekommen, der in alten Wasserkraftwerken sowieso erzeugt wird.

Natürlich, jeder Einzelne kann etwas tun. Es ist nicht verkehrt, Produkte zu kaufen, die weniger problematisch sind als andere. Wichtiger jedoch als der direkte Nutzen ist, dass Verbraucher durch ihre Entscheidungen einen Keil in die Wirtschaft treiben. Einzelne Unternehmen erkennen dann, dass sie von nachhaltigerem Wirtschaften profitieren – und machen dann sogar Lobbyarbeit dafür.

Noch wirksamer als Kaufentscheidungen sind allerdings politische Beschlüsse, die für alle Unternehmen gelten. Deutschland ist nicht wegen seiner Ökostrom-Kunden zum Vorreiter bei erneuerbaren Energien geworden, sondern weil die Regierung ein Gesetz etablierte, das die Konzerne zwingt, sauberen Strom in ihre Netze einzuspeisen und die Kosten dafür auf alle Privatverbraucher umzulegen.

Toralf Staud ist Journalist und betreibt den Anti-Greenwash-Blog klima-luegendetektor.de

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