Verkehrte Welt

Katholische Kirche Deutsche Bischöfe wollen Geschiedenen und Wiederverheirateten die Teilnahme an der Kommunion erlauben. Protest regt sich im Establishment
Ausgabe 06/2017
Ist genug für alle da?
Ist genug für alle da?

Foto: Three Lions/Getty Images

Es ist als Sensation aufgenommen worden, und vielleicht ist es das auch. Aber es ist nicht überraschend. Die deutschen Bischöfe wollen es geschiedenen und wiederverheirateten Katholiken in Einzelfällen erlauben, die heilige Kommunion zu empfangen. Die letzte Entscheidung darüber soll beim Gemeindepfarrer liegen. Sie folgen damit der Maßgabe, die Papst Franziskus mit dem Wort „Barmherzigkeit“ vorgegeben hat. Sie folgen damit auch Gedanken dieses Papstes, in denen die Liebe als der Anfang von allem Schönen und Guten gewürdigt wird. Wenn also Menschen, die sich glücklich oder unglücklich von einem Ehepartner getrennt haben, die Freude einer neuen Liebe mit einem oder einer anderen erleben, dann soll ihnen die Kirche nicht als drohende und strafende Macht gegenübertreten sondern barmherzig antworten, sofern diese Menschen auf sie zukommen.

Was bedeutet ihnen die Teilnahme an der Kommunion? Auf diese Frage kommt es letztlich an. Sie ist heute schwerer zu beantworten als vor 50 oder 60 Jahren. Damals war gefordert, dass man vor dem Kommunionsempfang zur Beichte gegangen war und dass man die Hostie nüchtern entgegennahm. Entsprechend klein war damals die Zahl derer, die das sonntags taten. Das alles gilt nicht mehr. Ein Beispiel: In der St.-Ludwigs-Kirche in Berlin-Wilmersdorf gibt es sonntags vier heilige Messen. Die erste morgens ist gut besucht, die letzte am Abend auch. Die Vormittagsmessen sind oft überfüllt. Von denen, die da versammelt sind, gehen die meisten zur Kommunion, das bedeutet: jedes Mal mehr als 100.

Was die dabei empfinden, kann niemand wissen. Wahrscheinlich jeder etwas anderes. Ob Geschiedene und Wiederverheiratete darunter sind, kann der Priester nur in Ausnahmefällen wissen. Ebenso wenig kann er wissen, ob der Gottesdienstbesucher nur zur Kommunion geht, weil es alle tun, oder ob er die Hostie in dem wahren Glauben empfängt, das sei der Leib des Herrn. Nur wenn er dies tut und die regelkonformen Voraussetzungen für den Kommunionsempfang erfüllt, hat die Hostie für ihn die Bedeutung, die gläubige Katholiken ihr zuerkennen.

Wenn die Bischöfe jetzt die Regel etwas ändern, so ist damit nicht der innere Vorgang im Bewusstsein des Gläubigen berührt, der vor dem Priester steht. Das könnten sie auch gar nicht. Das kann auch der Priester bei der großen Zahl nicht. Das kann nur eine Rolle spielen, wenn der Priester dem einzelnen Gläubigen vertraut und dieser dem Priester. Dieses Vertrauen kann durch die Beachtung des Gebots der Barmherzigkeit gestiftet sein. Das hat Papst Franziskus angemahnt, und dem sind jetzt die deutschen Bischöfe nach einem Jahr Beratung gefolgt.

Nicht einverstanden damit zeigen sich etliche konservative Kirchgänger und Würdenträger. Sie sehen das Ordnungsgefüge des Katholizismus in Gefahr, wenn nicht schon angegriffen. Sie protestieren und organisieren auch schon den Protest. Das ist nun, da es von konservativer Seite geschieht, doch überraschend. An Maulereien und Proteste von progessiver Seite – wenn man das denn so nennen kann – ist man ja gewöhnt, auch wenn das alberne Wort von der „Kirche von unten“ zuletzt seltener zu hören war. Aber dass von Vertretern der alten Ordnung auf Opposition gemacht wird, ist etwas ganz anderes. Gerade Priester und Bischöfe sind streng auf Gehorsam gegenüber dem Papst verpflichtet. Franziskus hat gerade erst bei Streitigkeiten unter den Malteserrittern von einem Kardinal – einem Reformgegner – Gehorsam eingefordert. Die Pflicht zum Gehorsam ist in der Papstkirche, wie es heute gern heißt, nicht verhandelbar. Und nicht nur dort. Friedrich Schiller, evangelisch aufgewachsen, dichtete einst: „Mut zeiget auch der Mameluck – Gehorsam ist des Christen Schmuck“.

Der Autor und Journalist Jürgen Busche schreibt in seiner Kolumne Unter der Woche regelmäßig über Politik und Gesellschaft

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