Verlogenes Veto aus London

Transaktionssteuer Nach zehn Jahren Gefeilsche empfiehlt die EU-Kommission eine Finanztransaktionssteuer. Englands Premier will jedoch lieber eine exzessive Deregulierung des Finanzsektors

Nach zehn Jahren Gezerre und Gefeilsche empfiehlt die EU-Kommission eine Finanztransaktionssteuer, die beim Europäischen Parlament auf Zustimmung stößt und nun den Europäischen Rat – sprich die EU-Regierungschefs – überzeugen muss. Nicht aber die EU-Bürger. Die sind laut Umfragen zu 65 Prozent für eine solche Abgabe, die es in zehn EU-Ländern in der einen oder anderen Form bereits gibt. Was spricht dagegen, ihr in der gesamten Staatenunion Geltung zu verschaffen? Die Steuer ist intelligent konstruiert, erfasst alle Finanztransfers vom Börsenhandel bis zum Direktverkehr – ausgenommen sind allein die Erstausgabe von Aktien und Anleihen sowie Devisengeschäfte am Spotmarkt, die den Zahlungsverkehr betreffen. Ansonsten würden alle Geschäfte einbezogen sein, an denen ein Finanzakteur aus der EU in irgendeiner Form beteiligt ist. Das heißt, diese Steuer würde weltweit greifen. Was sie an Einnahmen beschert, kommt prinzipiell dem Land zugute, in dem ein Marktteilnehmer beheimatet ist. Freilich sind die Steuersätze gering, liegen sie doch bei 0,1 Prozent auf Aktien- wie Anleihegeschäfte und bei 0,01 Prozent beim Derivate-Handel.

Spätestens ab 2014 könnten diese Quoten für die gesamte EU gelten. Der Konjunktiv ist angebracht, weil sich nicht nur Großbritannien, sondern vermutlich auch die Niederlande und Schweden querstellen. Die Macht der City of London bleibt ungebrochen, schließlich hängt die britische Ökonomie nach wie vor von einem überdimensionierten Finanzsektor ab, der zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts liefert und Hunderttausende von Jobs zu bieten hat. Wer Londoner City sagt, meint auch Wall Street. Die beiden mit Abstand größten Finanzplätze der Welt sind so eng verflochten wie nie. Alle maßgeblichen US-Finanzinstitute zeigen in London Präsenz wie umgekehrt europäische Großbanken in New York. Die britische Regierung be­-käme es bei einem Votum für die Transaktionssteuer mit der geballten Macht dieser Klientel zu tun, die schon dagegen Sturm läuft.

Lieber setzt Premier Cameron fort, was New Labour begann: Eine exzessive Deregulierung des Finanzsektors, der ihm das zu danken weiß. Mehr als die Hälfte der Parteispenden für die Tories kam zuletzt aus der Londoner City, wobei sich Hedgefonds-Manager als besonders spendabel erwiesen. Also rufen konservative Politiker zum Widerstand gegen eine anmaßende Eurokratie in Brüssel auf und verkünden, eine Finanztransaktionssteuer sei sinnlos, falls sie nicht global eingeführt werde. Ein verlogenes Argument, denn trotz des Vetos aus London kann der Europäische Rat handeln und die bewusste Steuer zumindest für die Eurozone dekre­tieren. Dadurch würde dieser Abgabe niemand entgehen, der innerhalb der Eurozone mit EU-Partnern Finanzgeschäften nachgeht. Und denen werden sich die Briten kaum entziehen wollen, abgesehen davon, dass Finanztransaktionen heute global abgewickelt werden und britische Reservate ein Anachronismus wären. Gegebenenfalls könnte die Regierung Cameron sogar Einnahmen aus der Transaktionssteuer kassieren. Es sei denn, sie wollte sämtliche Finanzakteure aus den Euro-Ländern vom britischen Finanzmarkt verbannen. Dann könnte David Cameron auch gleich aus der EU austreten, alles andere wäre absurd.

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