Verschärfte Renditejagd

Gastkommentar Wie der Aufschwung bei den BMW-Beschäftigten ankommt

Ob 8.000 bei BMW, 32.000 bei der Deutschen Telekom oder 3.000 bei Siemens - die Kette von Massenentlassungen reißt nicht ab. So vielfältig die dahinter stehenden Schicksale - so einseitig sind die damit verbundenen Heilsversprechen der Konzerne: Man müsse jetzt Leute entlassen, um wettbewerbsfähiger zu werden und Arbeitsplätze zu sichern - bevor man von diesen wiederum welche abbauen müsse, um noch wettbewerbsfähiger zu werden. Das verstehe, wer will.

Dabei scheint es die herrschende neoliberale Meinung gar nicht zu irritieren, dass BMW ausgerechnet im viel beschworenen "Aufschwung für alle" die Existenz für viele Beschäftigte aufs Spiel setzt. Wenn Kanzlerin und Bundesregierung vollmundig verkünden, dass der Aufschwung bei den Menschen ankomme, ob sie dann wohl die Kollegen von Siemens vor Augen haben? Oder die Leiharbeiter, denen ohne eine Beschäftigung bei BMW die Kündigung durch ihren Verleihbetrieb droht?

Aber ehrlich: Es ist kaum überraschend, dass Unternehmen versuchen, ihre Rendite zu steigern. Dieses Verhalten ist Kern kapitalistischer Produktionsweise. Wo aber vor ein paar Jahren noch fünf Prozent Rendite reichten, müssen es heute 15 Prozent sein. Diese exorbitanten Gewinnerwartungen müssen in Frage gestellt werden - wir müssen eine gesellschaftliche Debatte anstoßen, ob das Gewinnstreben von BMW zu rechtfertigen ist, wenn dafür zigtausende Leute ihren Job verlieren.

Im Zweifelsfalle hilft an dieser Stelle schon ein Blick in die bayerische Verfassung, die wahrlich nicht den Ruf eines revolutionären Kampfblattes hat: "Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl, insbesondere der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle und der allmählichen Erhöhung der Lebenshaltung aller Volksschichten." Na, das ist doch ein Anfang.

Die Politik trägt für die aktuelle Entwicklung in mehrfacher Hinsicht Verantwortung. Durch den Angriff auf die sozialen Sicherungssysteme und die Deregulierung der Arbeitswelt werden Beschäftigte immer stärker unter Druck gesetzt. Seinen Job zu verlieren ist heute fast gleichbedeutend mit dem Absturz in Armut, dem Abdrängen in Leiharbeit und der Demütigung durch Hartz IV. Das macht den Beschäftigten Angst, es macht sie erpressbar und schwächt ihre Kampfkraft als Arbeitnehmer und Gewerkschafter. Innerhalb des sich wandelnden Kapitalismus geraten Gewerkschaften und Betriebsräte unter Druck und müssen teilweise schmerzhafte Kompromisse schließen.

Die Forderung der LINKEN nach einem Ausbau der sozialen Sicherungssysteme und der radikalen Eindämmung von Leiharbeit ist da nur konsequent. Eine Stärkung gewerkschaftlicher (Ver-)Handlungsmacht braucht jedoch mehr als nur ein intaktes Sicherungssystem im Rücken. Sie braucht politische Rahmenbedingungen, den kurzfristigen Gewinnerwartungen eine starke Gegenmacht entgegen halten zu können. Einfache Lösungen helfen nicht - Massenentlassungen kann man nicht per Dekret verbieten. Vielmehr müssen Beschäftigte und ihre Interessenvertretungen Instrumente in die Hand bekommen, um sich frühzeitig, gut informiert und effektiv gegen Massenentlassungen wehren zu können. Die verschärfte Renditejagd der Unternehmen erfordert verschärfte Gegenmaßnahmen der abhängig Beschäftigten.

Eine Ausweitung der Mitbestimmungsrechte von Betriebsräten auf wirtschaftliche Maßnahmen sowie der Arbeitnehmer-Mitbestimmung in den Aufsichtsräten ist eine Grundvoraussetzung für effektive Kontrolle und Intervention in unternehmerisches Handeln. Ziel linker Politik muss es sein, die Gesellschaft dem Primat der Wirtschaft und dem Diktat ihrer Regeln zu entreißen und Rahmenbedingungen für eine kämpferische und emanzipatorische Arbeitnehmerschaft zu bilden.

Der Autor ist stellvertretender Vorsitzender der Partei DIE LINKE

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