Verschmähte Liebhaber

Wahlkampfeinlage Die SPD klagt gegen die "Bild"-Zeitung

Generalsekretär Müntefering erklärt, die Bild-Zeitung betreibe mit ihren Meldungen über Bonus-Meilen Wahlkampf für CDU/CSU und FDP. Was macht er, indem er das sagt? Wahlkampf. Die SPD hat ihrerseits die Nähe zu Bild nie gescheut. Im Jugoslawienkrieg ließ sich Schröder von ihr feiern. Jeden Morgen gibt die Zeitung auf ihrer Titelseite bekannt, sie sei unabhängig und überparteilich. Damit behauptet sie nicht, sie seit autonom - etwa gegenüber der werbenden Wirtschaft oder gar ihrem Eigentümer, dem Springer-Verlag. Sie ist Teil eines großen Gewerbe-Betriebes, und ihrer Auflage nützt es, wenn sie tritt, was ohnehin schon zu fallen scheint.

Ein großes Medium steuert die Neigungen der Massen nicht nur, es ist auch von ihnen abhängig und kommt ihnen entgegen. Deshalb gibt es jeden Tag in Bild - ebenfalls auf der Titelseite - eine Halbnackte. Teilnahme an der Ramponierung einer angeschlagenen Koalition erhebt die Leserinnen und Leser: sie fühlen sich als Macht. Um von der Bild-Zeitung den Eselstritt zu bekommen, muss man schon ein bisschen unten liegen. Ist das nicht arg naiv gesehen? Schon wahr: als Organ eines großen Medienkonzerns vertritt Bild auch Kapital-Interessen. SPD und Grüne legen aber Wert darauf, es sich mit diesen ebenso wenig zu verderben wie mit dem Blatt selbst. Auf die Tolerierung durch Big Business können sie nicht verzichten, auf eine gute Position in Big Communication auch nicht.

Interessanter als das Lamentieren über die Springer-Presse ist der Hinweis auf die Rolle des "Bundes der Steuerzahler", den Moderatorin Petra Lidschreiber in der Fernseh-Sendung Kontraste gegeben hat. Er hat sich offenbar Daten aus der Lufthansa beschafft und sie - vermittelt durch einen FDP-Angestellten - an Bild weitergegeben. Der Name "Bund der Steuerzahler" ist - bei Licht besehen - ein Etikettenschwindel. Es handelt sich um die Interessenvertretung von Leuten, die lieber nicht zahlen und die - verglichen mit den lohn- und mehrwertsteuerpflichtigen Bild-Leserinnen und -Lesern - meist auch nur einen vergleichsweise geringen Anteil ihrer Einkommen (von den Vermögen ganz zu schweigen) der Staatskasse zuführen. Wir hätten es hier also sogar mit ein bisschen Klassenkampf zu tun. Auf welcher Seite die SPD dabei steht, ist allerdings nicht so ganz sicher. Auf die unter ihrer Führung vorgenommenen Steuersenkungen hält sie sich viel zugute. Sie sind sogar offizielles Programm, und dem Kandidaten Stoiber werfen die Sozialdemokraten vor, er könne das vielleicht gar nicht so gut wie sie. Hans Eichel hat sich einst sehr über steigende Börsenkurse gefreut, als er Veräußerungsgewinne von Steuern befreite.

Zurück zur Bild-Zeitung. Wenn SPD und Grüne nun über deren Missgunst klagen, betragen sie sich ein bisschen wie abgewiesene Liebhaber. Versuche, die Macht großer Kapitalgesellschaften, die ihren Gewinn mit dem Betrieb von Massenmedien erzielen, zu beschneiden, sind von ihnen in den vergangenen Jahren nicht bekannt geworden. Es hätte wohl auch nicht mehr viel genützt, der Zug ist abgefahren. Vor Jahrzehnten hat die IG Metall einmal versucht, ein Konkurrenzblatt zur Bild-Zeitung aufzuziehen. Daraus wurde ein innerverbandliches Zirkular. Auch Rudolf Augsteins Bemühung 1967, in Springers Markt einzubrechen, schlug fehl. Zurück blieb der Berliner Extra-Dienst, auch nicht schlecht. Münteferings Klage ist aber doch nicht nur leere Deklamation, wenngleich auf ein recht kleines Publikum gezielt: die traditionellen Bild-Verächter unter den Intellektuellen. In der Stunde der Not werden die Fußkranken gebraucht.

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