Als Victor Ponta noch nicht Rumäniens Premier war, identifizierte er sich mit Che Guevara und träumte davon, „Diktator“ Basescu zu stürzen. Nun weiß man nicht, was Che von der Bewunderung eines plagiierenden Karrierepolitikers gehalten hätte. Tatsache ist jedoch, dass die europäische Sozialdemokratie, zu der Ponta sich gerne bekennt, das Revolutionäre nicht propagiert. In Rumänien nimmt man es aber mit einer Doktrin nicht allzu ernst. Hauptsache man verpasst sich ein schönes Etikett. Dahinter frönt man ungeniert seinem Interesse. Schwer zu sagen, ob diese Potemkinsche Praxis nur mit der jüngst vergangenen Epoche zusammenhängt, als die Verstellung lebensnotwendig war, oder ob sie nicht noch viel älter ist. Der Literaturkritiker Titu Maiorescu sprach jedenfalls schon vor über 140 Jahren von mimetisch aus dem Westen übernommenen „Formen ohne Inhalt“.
Das gilt auch heute. So sind Basescus „Demokratliberalen“ quasi über Nacht von „Linken“ zu „Rechten“ mutiert. Die von Ponta geführten „Sozialdemokraten“ wiederum haben als Partei reicher Lokalbarone mit den Ausgebeuteten und Entrechteten, deren Interessen sie zu wahren vorgeben, nicht viel zu tun. Überdeutlich illustriert Radu Mazare, ewiger Bürgermeister der Hafenstadt Constanta, die Bedeutungslosigkeit der Parteidoktrin. Mal stolziert er in Wehrmachtsuniform mit Hackenkreuz umher, mal umgibt er sich, nach Gaddafis Vorbild, mit einer Mädchengarde. Direkte Folge dieser Gesinnungslumperei ist eine akute Unempfänglichkeit für die Grundprinzipien des Rechtsstaates einerseits, ein ausgeprägter Hang zur Verschwörungstheorie andererseits. So wird jetzt die westliche Kritik am Amtsenthebungsverfahren von Präsident Basescu offiziell als gesteuerte Desinformationkampagne verkauft. Sogar ein Politologe und Schriftsteller, Stelian Tanase, spricht von „breiten Netzen“, die auf Kommando agieren.
Massenpsychose
Dass dadurch nur der primitiv-paranoide Securitate-Geist, der stets beim „anderen“ das Feindselige witterte, neu heraufbeschworen wird, liegt auf der Hand. Welch Wunder, wenn sogar simple Stromausfälle als „verdächtig“ gelten, wenn sie zufällig eine basescukritische Enthüllungssendung unterbrechen. In einer Art fernsehinduzierter Massenpsychose scheint ein Großteil der sparmüden Rumänen seine Erlösung allein in Basescus Amtsenthebung zu erblicken. Dazu ist jedes Mittel erlaubt, denn die ständig schnatternde Fernsehleier peitscht nicht nur den Populismus, sondern auch den Nationalismus hoch: Brüssel wird mit der „Hohen Pforte“ gleichgesetzt, wer dort, wie Basescu, Rumänien anschwärzt, macht sich des „Hochverrats“ schuldig. Vor allem Dan Voiculescus quotenträchtige Privatsender machen Stimmung. Aber die Intellektuellen hauen in die gleiche Kerbe. Der eine beschimpft die im Ausland als Rumäniens Rechtsgewissen geehrte Europaabgeordnete Monica Macovei als hysterische „Frau Javert“, der andere entrüstet sich über „den kleinen Maoisten“ Barroso. Der Dichter Mircea Dinescu schwingt sich gar zu höchst poetischen Formulierungen empor: Angela Merkel hätte „unserer jungen Demokratie mit deutscher Gründlichkeit einen Kopf in die Schnauze“ verpasst. Der Graben, der die sowieso arg polarisierte rumänische Gesellschaft trennt, ist jetzt so groß, dass für den Fall von Basescus Rückkehr manch einer nur noch den „totalen Krieg“ fürchtet.
Ioana Orleanu schrieb im Freitag zuletzt über Dracula und sein historisches Vorbild
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