Auch wir hier am Hegelplatz machen Ferien. Sie, liebe Leserin, lieber Leser, merken davon natürlich nichts, weil bei uns alles läuft wie am Schnürchen, sodass unser kleiner Dampfer auch mit halber Besatzung ruhig und sicher seinem Kurs folgt. Leider sind nicht alle so gut organisiert wie wir. Zum Beispiel die Fluggesellschaften. Das ist sehr schade. Jedenfalls für diejenigen, die das Fernweh drückt. Manche sind ja einfach glücklich in der Prignitz, manche können oder wollen sich nicht mehr leisten. Manche aber zieht es beispielsweise dorthin, „wo die Göttersöhne schlafen, das trauernde Land der Griechen“, wie Hölderlin sagt. Der war da nie. Aber immerhin in Bordeaux, wohin er 1802 zu Fuß gegangen ist. Das kann auch nicht viel unbequemer gewesen sein als eine Flugreise im Sommer 2018. Verspätungen, Ausfälle, Wahnsinn.
Der Zusammenbruch des Münchner Flughafens am vorletzten Wochenende soll uns jetzt gar nicht beschäftigen. Kann schon mal passieren, dass eine Frau, die sich nicht von ihrem Shampoo trennen will, den Flugbetrieb lahmlegt. Geschenkt. Schlimmer ist, was die Airlines uns zumuten.
Die Geschichte geht so: Erst macht Air Berlin pleite. Dann kommen all die Flugzeuge und Landerechte von Air Berlin auf den Markt und werden dort verkauft. Die Fluglinien reißen sich darum und kaufen und kaufen und kaufen – viel mehr, als sie eigentlich brauchen und verarbeiten und bedienen können. Hauptsache, niemand anderes bekommt den Zuschlag. Und dann stellen die Firmen ihre Sommerflugpläne auf, von denen sie wissen, dass sie die gar nicht einhalten können. Und die Reisenden, die sich einfach nur ein Ticket gekauft haben und in die Ferien fliegen wollten, haben das Nachsehen.
Wenn die Marktwirtschaft so funktionieren würde, wie es in den Lehrbüchern steht, wäre das nicht möglich. Da bucht der Kunde sein Ticket das nächste mal bei einer zuverlässigen Gesellschaft. In der Wirklichkeit sind aber alle gleich unzuverlässig. Und außerdem kostet ein Ticket heute soviel wie ein gutes Mittagessen am Strand. Dafür, so liest man, können die Leute nicht auch noch Pünktlichkeit erwarten. Schwieriger Punkt. Fliegen ist billig. Das ist sozial. Einerseits. Andererseits zerstört nichts so zuverlässig unser Klima wie der Flugverkehr, und diese Kosten tragen die Leute am anderen Ende der Welt, die deutlich weniger Geld haben als unsere Flugreisenden. Das ganze wäre eigentlich ein Fall für den Staat. Klare Vorschriften. Transparente Preise. Regulierung. Aber das ist ja sozialistisches Teufelszeug. Die Reisenden, die jetzt an Europas Flughäfen sitzen, haben jedenfalls viel Zeit, über den modernen Kapitalismus nachzudenken. Kann nicht schaden. Und nächstes Mal machen wir es wie Hölderlin.
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