Er hat bei seinem Abgang die US-Regierung mit wenig freundlichen Tönen bedacht, wie ihm das bei seinem Amtsantritt vor zehn Jahren kaum jemand zugetraut hat. Kofi Annan gilt als Wunschkandidat der Amerikaner, als er im Januar 1997 zum UN-Generalsekretär avanciert, und tut jahrelang nicht viel, diese Gewissheit zu relativieren. Erst als sich sein zweites Mandat dem Ende zuneigt, wird die Kritik an den Vereinigten Staaten hörbar ungeduldiger. Von einer Missachtung der Menschenrechte im Kampf gegen den Terrorismus ist die Rede, von Militäraktionen und gefährlichen Alleingängen. Ausdrücklich spricht Annan seit Monaten den Irak an: Mit über 5.000 Toten in vier Wochen habe man es dort mit der "wohl dringendsten Krise der Welt" zu tun.
Es ist ungerecht, den
echt, den Ex-Generalsekretär eines Mutes zu zeihen, der zuweilen von Verantwortung entbundene Politiker überkommt. Die UNO ist eine Staatenorganisation - wenn sie versagt, versagen zunächst einmal die Regierungen ihrer Mitgliedsstaaten. Annan versagte nicht, er erwies sich spätestens seit dem Irak-Krieg als kluger und mutiger Mann an der Spitze einer von den USA und ihren Alliierten brüskierten Weltorganisation. Gewiss war es Zufall, aber daher um so denkwürdiger, dass seine Schlussbilanz zeitlich mit der Vorlage des Reports von Ex-Außenminister Baker in Washington zusammenfiel, der mit Blick auf das Debakel im Irak dazu aufforderte, andere Staaten in einen Kurswechsel einzubeziehen, wovon sich auch Frankreich, Großbritannien und Deutschland angesprochen fühlen durften. Als die USA im Irak intervenierten, gehörten Paris und Berlin bekanntlich zu den Kritikern. Inzwischen ist es im Elysée-Palast erstaunlich still geworden, und Berlin hat sich spätestens seit der Regentschaft von Angela Merkel wieder zum Tross zurück begeben - für den am 1. Januar übernommenen G-8-Vorsitz wie auch die EU-Ratspräsidentschaft kein gutes Omen.Gerade Europa sollte über einen Gegenplan zur unilateralen Machtpolitik der USA verfügen und eine Afghanistan-Politik jenseits des stur aufrechterhaltenen Besatzungsregimes erwägen. Dies würde freilich voraussetzen, erst einmal eine Strategie zu haben, die sich der globalen Herausforderungen annimmt und die Vereinten Nationen wieder ins Zentrum der internationalen Politik rückt.Stattdessen bedient das Programm für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft größtenteils verbrauchte Stereotype. Man trifft allenthalben alte Bekannte: Von der "Vollendung des Binnenmarktes und der Stärkung der Wettbewerbskraft Europas" über die Energiesicherheit und fortgesetzte Militarisierung bis hin zur EU-Verfassung. Vor allem Letztere hat es der Regierung Merkel angetan, dabei offenbart gerade die Verfassungskrise das Dilemma europäischer (Nicht-)Politik. Denn nach wie vor wird eine Debatte darüber verweigert, weshalb der Vertrag in Frankreich wie auch Holland politisch durchfiel und selbst im EU-Musterland Luxemburg nur verhaltenen Applaus findet. Lieber wird erwogen, mit welchen Tricks sich die EU-Verfassung dennoch in Kraft setzen ließe. Kurz vor dem Jahreswechsel tat Angela Merkel kund, am Verfassungstext werde es keine substanziellen Änderungen geben. Man kann nur hoffen, dass auch sie sich nicht um ihr "Geschwätz von gestern" schert.Leider fristet das Thema friedliche Konfliktlösung und -prävention im Berliner Programm für die EU-Ratspräsidentschaft nur ein Schattendasein. Deutschland und andere EU-Länder haben sich zuletzt an mancher UN-Mission beteiligt, als Ursache von Konflikten nicht selten das Phänomen der "Failling States" - der gescheiterten Staaten - geltend gemacht und kein Wort darüber verloren, dass auch eine marktradikale Weltwirtschaftspolitik Staaten scheitern lässt.Eine gleichermaßen beschränkte Sicht pflegen die G 8, wenngleich die gerade von Großbritannien lancierten entwicklungs- und umweltpolitischen Initiativen Beachtung verdienen. Im deutschen Programm ist davon so gut wie nichts zu finden. Solange es bestenfalls um die Gemeinsamkeit des Westens (und Russlands oder Chinas und Indiens) geht und eine ursachenorientierte Politik nur Floskel bleibt, wird nicht nur der von Kofi Annan beklagte Unilateralismus fortleben - es werden auch die in Afrika und im Nahen Osten eskalierenden Krisen nicht aufzuhalten sein. Ich wäre gern optimistischer für 2007, aber dafür brauchte man andere Anlässe als das außenpolitische Programm, mit dem die Bundesregierung in dieses Jahr geht.André Brie ist Europaabgeordneter der Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke