Viel Schaum um nichts

Tortenwurf Nicht nur der Torte mangelte es an Geschmeidigkeit: Der kalorienreiche Anschlag auf Karl-Theodor zu Guttenberg erweist sich als Eigentor. Unser Autor war vor Ort

Eine Bar in Berlin-Friedrichshain. Vor einem Jahr noch klassische Eck-Kneipe mit Dartscheibe und Billardtisch, jetzt Hipster-Laden mit Vintage-Möbeln und vegetarischer Küche. Klassicher Fall von Gentrifizierung könnte man sagen. Da das Essen aber wirklich gut und der Heimweg zumal kurz ist, trotzdem ein guter Ort für’s Feierabendbier.

Wie meistens, findet man auch an diesem Abend fast ausschließlich studentisches Publikum. Allein der Mann mit grauem Pullover und adretter Frisur am Tisch gegenüber mag nicht so recht in die Szenerie passen. „Sieht aus wie Guttenberg“, sagt die Begleiterin. Stimmt, aber der ist doch in Amerika? Während man noch diskutiert und befindet, dass das ja eigentlich auch egal ist, folgt die Auflösung von ganz allein. Ein Pulk junger Männer, optisch ein bisschen Richtung Antifa, betritt mit einer tellergroßen Sahnetorte das Lokal. Kurze Zeit später landet das etwas trostlose Tiefkühl-Exemplar im Gesicht Guttenbergs. Die Gruppe, in der man auch eine der berühmten Guy-Fawks-Masken erkennen kann, zieht samt Kamera schnell wieder ab. In der Bar selbst hat die Aktion nur bedingt für Aufregung gesorgt. Die zumeist anwesenden französischen Mitzwanziger scheinen den exilierten Minister a.D. nicht zu kennen und auch die Tortennummer für eher unspektakulär zu befinden.


Guttenberg, so kann man später erfahren, war einer Einladung Stephan Urbachs, Netzaktivist und Referent der Berliner Piratenfraktion, gefolgt. Dieser hatte das Vier-Augen-Gespräch bereits Mitte Dezember angekündigt und schon damals viel Kritik in den eigenen Reihen provoziert. Wie geplant, tauschte Urbach sich mit Guttenberg, der seit Ende 2011 informeller Berater der EU-Kommissarin für die digitale Agenda Neelie Kroes ist, nun über dessen neuen Job und die Netzfreiheit in Nordafrika aus. Bei Kaffee, Bier und dem unverhofften Dessert zeigte sich KTG, so schreibt Urbach in seinem Blog, „lernwillig“.

Dass dieses Treffen es jetzt zu einer gewissen Berühmtheit gebracht hat, ist der Hedonistischen Internationale und Anonymous-Aktivisten zu verdanken, die sich umgehend zur Torten-Attacke bekannten und das entsprechende Video online stellten. Die „Digitalen Konditoren“ wollten den „Rückkehr-Versuch des Herren von und zu beobachten und süß torpedieren“. Dass es tatsächlich aberwitzig ist, dass gerade dieser sich um Netz-Themen kümmern soll, ist freilich geschenkt. Doch hätte man sich vielleicht nicht einfach freuen sollen, dass der Baron mal von ganz alleine auf jegliche Kameras verzichtet hat? Denn womöglich werden die zirkulierenden Bilder des kalorienreichen Anschlag Guttenberg eher nutzen als schaden. Dieser war nämlich zum einen schon handwerklich leicht dilettantisch. Der Torte mangelte es eindeutig an Cremigkeit, nur äußerst bruchstückhaft blieb sie im Gesicht hängen. Vor allem könnte sich die Aktion aber als Eigentor erweisen, weil Guttenberg mit aristokratischer Contenance reagiert hat. Er nahm die Sache äußerst gelassen und fragte lediglich lächelnd nach Küchenpapier. Im Gegensatz zu Joschka Fischer oder Helmut Kohl, weiß dieser eben, wie man bei Lebensmittelbewurf medienadäquat reagiert. Und wenn dies für manch geneigten Beobachter nun wider Willen sympathisch erscheint, wäre das für die Netzaktivisten eine bittere dialektische Pointe.

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