Vergessen Sie Griechenland, vergessen Sie die Euro-Krise. Das sind bestenfalls Fußnoten oder Unterkapitel der Krisenerzählung unserer Zeit. Das richtig große Theater, der nächste Krach mit Heulen und Zähneklappern nach dem Kollaps der Finanzmärkte 2008/09, kommt jetzt erst – und es wird China sein, wo die Bombe platzt. Auf den Börsenboom folgt unweigerlich der Börsencrash – beim Amen in der Kirche kann man sich heute nicht mehr so sicher sein. Nach einem langen Boom, der im Frühsommer 2014 begann, sind die Aktienbörsen Chinas seit Anfang Juli spektakulär eingebrochen. Nach der nordamerikanischen und der europäischen platzt nun als dritte die chinesische Kreditblase.
Chinas Führung, die bisher der Meinung schien, sie könne die Entwicklung ihres Kapitalismus steuern, hatte sich einen Aktienboom gewünscht. Und sie bekam ihn, weil er mit allen Mitteln gefördert wurde. Es sahen sich Millionen Bürger zum Aktienkauf verleitet und ganz im Stil des Enrichissez-vous einem Spekulations- und Wertpapierfieber ausgesetzt. Es galt mehr oder weniger als sozialer Standard, Aktien zu erwerben und damit „am chinesischen Traum“ teilhaben zu können. Nicht wenige plünderten ihre Ersparnisse, nahmen Kredite auf und verschuldeten sich bis zur sprichwörtlichen Halskrause. Der irrlichternde Immobilienboom an der Ostküste wurde durch einen Aktienboom angereichert. China bekam eine Blasenökonomie, ganz wie es der neuesten, neoliberalen Mode im alt gewordenen Kapitalismus entspricht.
Was die Wirtschaftslenker in Peking nicht bedachten: Spekulationsblasen sind machbar, aber nicht plan- oder beherrschbar. Einen kontrollierten Ausstieg gibt es nicht. Wenn die Blasen platzen, werden unter der schillernden Oberfläche verborgene Fehlentwicklungen sichtbar: Die Grenzen des nach-, ein- und überholenden chinesischen Kapitalismus kommen in Sicht.
Schon bevor der Absturz der Aktienkurse Mitte Juni begann, hielt die Regierung von Premier Li Keqiang dagegen. Sie tat es mit einer Serie von direkten Eingriffen in die Freiheit des Aktienhandels, mit einer viermaligen Zinssenkung seit November 2014, mit der Senkung der Mindestreserven für Industriekredite. Es gelang ihr nicht, die Kredite der Banken und Schattenbanken in die reale Ökonomie umzulenken. Stattdessen ging der Aktienboom weiter, während das Wachstum der Exportindustrie zu lahmen begann. Wie bei der Asienkrise 1997/98 haben die jetzigen Börsenturbulenzen in China zu einer Welle hektischer Verkäufe und zu einer virulenten Kapitalflucht geführt.
Schon einmal eingebrochen
Die Abwertungen des Yuan, mit denen der chinesischen Exportwirtschaft geholfen werden sollte, haben diesen Trend eher beschleunigt, wovon auch andere Länder betroffen sind: Von den über zwei Billionen Dollar, die von 2009 bis 2014 in die Schwellenländer flossen, ist in den zurückliegenden zwölf Monaten gut die Hälfte wieder abgezogen worden. Dieser Transfer von Kapital hat zum Währungsverfall in wichtigen Schwellenländern Asiens und zu einem regionalen Währungskonflikt geführt, von dem Dollar, Euro und Yen in Maßen profitieren.
Die Eruptionen an den chinesischen Aktienmärkten erschüttern nun den anderen Pol von „Chimerika“ – die US-Börsen. Dort herrscht nervöse Hektik, gespeist vom Rückfluss gigantischer Kapitalien, die den Druck erhöhen, wie er von verfügbarem Geld auf der Suche nach profitablen Anlagen ausgeht. Kein Wunder, dass an den wichtigsten internationalen Warenbörsen die Preise fallen, nicht zuletzt die für Öl, Nickel und Kupfer, die als Barometer der industriellen Nachfrage weltweit gelten. In letzter Zeit haben sie im Schnitt um 2,5 bis 4,6 Prozent nachgegeben. Und das ist erst der Anfang.
So langsam schwant es den Eliten in der EU wie in den USA, dass sie auf China als Wachstumslokomotive nicht mehr rechnen können. Offiziell peilt die chinesische Führung für 2015 ein Wachstum von sieben Prozent an, die niedrigste Quote seit 25 Jahren. Premier Li zeigt sich bei öffentlichen Auftritten davon überzeugt, dass es mit den halsbrecherischen, zweistelligen Wachstumsraten vorbei sei. Man brauche ein „reiferes Modell“, das eine „neue Normalität“ spiegele, die mit einer Zielmarke von sieben Prozent Zuwachs in diesem Jahr ausgeschöpft sei. „Angesichts des steigenden Drucks auf Chinas Wirtschaft könnten wir uns 2016 noch erheblich größeren Schwierigkeiten gegenübersehen“, warnte er schon im März bei der Eröffnung des Nationalen Volkskongresses. Systemische wie strukturelle Probleme, so seine Botschaft seither, seien „zu ‚Tigern auf der Straße‘ geworden, die China aufhalten“.
Jahrelang hat die Exportindustrie mit massiver Staatshilfe in vielen Branchen stolze Überkapazitäten aufgebaut, doch produzieren inzwischen viele Schwellenländer billiger, sind die traditionellen Industriestaaten technologisch weiter als chinesische Unternehmen. Unter diesen Umständen Weltmarktanteile gegen die Rivalen zu erobern, das wird schwieriger, zumal in einer Weltdepression. Bis zur Krise 2008/09 wuchs das Welthandelsvolumen rascher als die Weltproduktion, jetzt ist es umgekehrt.
In jenen Krisenjahren sind Chinas Börsen schon einmal eingebrochen. Damals verlor der Shanghai Stock Exchange Index fast 4.000 Punkte innerhalb weniger Tage, doch bewährte sich die boomende Volksrepublik als wichtigster Stoßdämpfer der Weltwirtschaft. Zu verdanken war das einem enormen Investitionsprogramm, das die Regierung sogleich startete, um einen Absturz zu bannen. Seinerzeit zeigte Chinas rasche Erholung, wie sehr die Weltökonomie von dessen Aufbau- und Expansionsboom abhängig war. Mit nur 15 Prozent der Weltproduktion garantierte das Reich der Mitte fast die Hälfte des globalen Wachstums aller kapitalistischen Ökonomien.
Diesmal fallen die Einbußen auf den ersten Blick geringer aus, da der Shanghai Stock Exchange Index bisher nur 1.500 Punkte verloren hat, allerdings wieder in sehr kurzer Zeit. Nur wächst diese Volkswirtschaft nicht mehr um mindestens acht Prozent pro Jahr, gibt es zudem eine rapide steigende Privatverschuldung. Seit 2009 ist das Volumen aller Verbindlichkeiten regelrecht explodiert, von knapp 100 auf über 185 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Das heißt unter anderem, für private Haushalte liegt die Schuldenquote bei gut 35 Prozent des BIP. Zum Vergleich: In den USA lag dieser Wert vor dem Immobilien-Crash 2008 bei 15 Prozent.
Die Geldhäuser wanken
Die Kreditblase hat Millionen Chinesen aus der Mittelschicht zu Eigentum verholfen – bei Autos, Wohnungen, Aktien. Dazu kommen noch einmal Millionen von Arbeitern, die mit weit bescheideneren Mitteln und daher im Verhältnis zu ihren Einkommen größeren Schulden dem gleichen, von der KP-Führung verkündeten Traum nachjagten. Erst hier wird vollends deutlich, welche soziale Zäsur sich anbahnt – viele werden alles verlieren. Das absehbare Platzen der chinesischen Immobilienblase wird den Ruin von Millionen noch beschleunigen, denn ein Drittel des nominellen Vermögens chinesischer Aktienbesitzer hat sich bereits in Luft aufgelöst. Ihre Schulden aber bleiben, was bedeutet, wenn Kredite massenhaft faul werden, geraten die Geldhäuser ins Wanken. Eine Bankenkrise aber würde die gesamte Export- und Importfinanzierung der Volksrepublik schwer treffen.
Für China hat in seiner langen Geschichte die erste kapitalistische Krise begonnen, hausgemacht, nicht von außen, vom Weltmarkt her über das Land hereinbrechend, sondern ein genuines Produkt des „Kapitalismus mit chinesischem Gesicht“. Wegen des schieren Gewichts, das die zweitgrößte Ökonomie der Welt nun einmal hat, werden die Folgen für die Weltökonomie desaströs sein. Selbst der gigantische US-Markt könnte diese Krise nur um den Preis einer weiteren Kreditblase kompensieren. Daher sind alle professionellen Auguren – die Rating-Agenturen, die großen Investmentbanken, der IWF und die Weltbank – derzeit unisono düster gestimmt: Es werde noch einmal mindestens fünf Jahre dauern, bis die Weltwirtschaft die Finanzkrise, die schon 2007 begann, überwunden habe, kann man überall lesen. Ob die Führung in Peking den akuten Störfall des chinesischen Kapitalismus überwinden kann, steht dahin. Im Augenblick scheint ihr die Kontrolle zu entgleiten.
Kommentare 5
ach , da wird dann doch mal zu berichtet : Schon? Ich hab mich bereits gewundert , dass dieses Thema mit globalen Folgen hier doch sehr kurz kommt.
Nun ist das hier beschriebenen nur die Oberfläche. Es wurrde nicht gesagt, dass mal kurz etwa 2 Billionen $ verdunsten sind, die "Soros" dieser Welt vorher natürlich satt Kasse gemacht haben, denn die Blase war eben keinesfalls nur "Hausgemacht", und was die Chinesen jetzt machen, seit Montag sozusagen, kommt auch nicht vor . Man kann es hier nachlesen ( in english) und natürlich in den meisten anderen neueren Artikeln diese Blogs, denn das was China jetzt macht , seine US treasuries in Massen zu verkaufen , wird uns alle angehen.
Berühmte Analysten , wenn man ihnen denn glauben möchte , meinen , ab Oktober finge es dann an richtig aufzuhören. Was? Der Kapitalismus ? Ne, nur unser Finanzsystem. Crash mit anderen Worten. Wir dürfen gespannt sein. Ach ja?
Es bedarf "des regelrechten Aufstands, der Rebellion gegen die kapitalistische Krisenverwaltung jeglicher Couleur mit ihrer trostlosen Perspektive von demokratischer Zwangsarbeit und Billiglohn-Sklaverei. {...} Der kürzeste Weg in den sozialen Erschütterungen der kommenden Jahre wäre die Besetzung der Produktionsbetriebe, Verwaltungsinstitutionen und sozialen Einrichtungen durch eine Massenbewegung,die sich die gesellschaftlichen Potenzen direkt aneignet und die gesamte Reproduktion in eigener Regie betreibt,also die bislang herrschenden 'vertikalen' Institutionen schlicht entmachtet und abschafft. Denkbar wäre auch eine Übergangsphase, in der sich eine Art Gegengesellschaft bildet, die bestimmte soziale Räume gegen die kapitalistische Logik eröffnet, aus denen Markt und Staat vertrieben werden." (Robert Kurz, in: Schwarzbuch Kapitalismus. Ein Abgesang auf die Marktwirtschaft.)
Und wieder wird nur von Schuldenquoten geschwätzt. Anwachsende Schulden heißen auch anwachsende Geldmenge. Auch in China entsteht Geld nur über Kredit.
Im Kapitalismus wird diese Geldmenge dann von wenigen privat angehäuft (Zinsen, Dividenden, Gewinne). Es ist auch keine Kreditblase, sondern eine Vermögensblase. Zuviel privates Kapital, das wie ein Heuschreckenschwarm von Anlagemarkt zu Anlagemarkt zieht und ausgezehrte Volkswirtschaften und massenhaft zerstörte Existenzen hinterlässt.
Wir brauchen ein anderes globales Geldsystem, aber das ist noch nicht in Sicht. Um Zeit zu gewinnen, muss kurzfristig eine drastische, globale Geldmengenvernichtung, vor allem im Finanzmarkt und bei hohen privaten Geldvermögen stattfinden.
Geldmengenvernichtung heißt: Schuldentilgung. Weniger Schulden heißt: weniger Zinslasten. Zumindest eine kurze Atempause.
Und es gibt nur einen Kapitalismus.
Tja, auch in China ist das Geldsystem eben nicht viel anders als hier und damit gehen auch die gleichen Probleme einher. Völlig klar, dass der Knall gewaltig wird. Das haben ja schon die Turbulenzen der vergangenen Tage gezeigt.
.... :-).... in China ist die Kleptokratie System! Das Amüsante, es werden nun "Säuberungsaktionen" zelebriert, gleichzeitig rücken dreckige Köpfe nach, sprich - es ändert sich nichts! - nur die Köpfe.
Es herrscht Unruhe im Verbrechercasino, da jene, die man vertreibt, jene hassen die nachrücken - da sie nun aber schon jahrelang Beute machten, sind sie nicht völlig machtlos - sprich, Widerstand belebt das Geschäft!
Harte Zeiten für chinesische Kleptokraten, der Lager sind es inzwischen viele, die Lage wird unübersichtlich, ein falscher Schritt kann den Tod bedeuten.
Nebenbei fliegt mal ein illegales Lager so lautstark in die Luft, dass es bis in die Unterhaltungsnachrichten der westlichen Konsumtrottel donnert.
Was nebenbei geschieht, die völlige Objektivierung von einigen hundert Millionen menschlichen Wesen, die völlige Verwüstung der ökologischen Basis des fernen Ostens, ist ohnehin eine Marginalie.
China ist der Gipfel des Kapitalismus - gemeinsam mit Indien, alleine schon wegen der schieren Masse an Elend das dort geschaffen wird.
Heute verhungern nicht mehr Millionen in diesem Land, nein, sie gehen anderes ein, sie gehen ein wie Pflanzen, denen man das Licht zum Leben nimmt - ihnen jedoch soviel Dünger in die Erde kippt, dass sie fast genau so lange leben, als wären sie am Licht - nur, was ist das für ein Leben?
Dass nebenbei das fiskale System kollabiert, liegt am ungehemmten Hunger jener, die nach dem absoluten Konsumwahn geiern - wer zum Kostüm den passenden Lack braucht und für jeden Tag der Woche zwei verschiedene Luxuslimusinen in der Garage parkt, der mag ein klasse Kunde für den Premiumlieferanten sein, blöd wird es aber, wenn der Premiumlieferant seine Geschäftsgrundlage auf solche Irren verlagert hat - und diese irgendwann vor lauter Langeweile - keine Lust mehr auf noch mehr Blech haben.
Inzwischen gehen Chinesische Tycoone dazu über junge frische Sexsklaven zu sammeln, Kostenpunkt für eine südamerikanische Schönheit - ca. 200.000 Dollar - die haben eine kürzere Haltbarkeit als ein Porsche! - vor allem, dieses Geld versickert gleich wieder in den Taschen eines anderen Großsummenagglomerateurs - kaum ein Trickle Down mehr.
Allerdings ökologisch unbedenklicher.
Der Irrsinn unserer globalen "Eliten" überschüttet unsere Sinne - doch wir stecken unsere Köpfe in den Arsch des Vorgesetzten, dort mag es stinken, nur, es herrscht eine wohlige Geborgenheit, man weiß wohin man gehört, vor allem, man kann alles Ausblenden.
Die Nöte des Alltags zwingen uns mitzuspielen - gell!
Ich amüsier mich schon jetzt über das Gejammer, wenn sich herausstellt, dass der hießige Montag nur ein kleines Vorspiel war - mehr Menschenverachtung, mehr Destruktivität ist nicht mehr möglich - somit werden die Dämme bersten und all dieser Schwachsinn wird sich wie eine Lawine über all die willigen, kleinen Idioten ergießen - sie werden jammern, keine Häuser mehr bauen, keine Autos mehr kaufen, sie werden einfach nur noch um ihre nackten Leben zittern.
Jugend und Schönheit werden wieder wichtiger, der Sklavenmarkt von Morgen, braucht keine Bankster mehr, keine hässlichen Vorzimmerweiber, nein, der Oligarch von morgen, der mag es ganz traditionell - hübsch, jung und gesund - im Dutzend , die Woche - der Rest kann in den Slums ums Fressen kämpfen - die Szenerie schält sich langsam aus ihrem Kleid der Fiktion - die Realität hat sie eingeholt!
Blade Runner, Silent Green, AI - die 70er und 80er Jahre brachten es schon gut auf den Punkt - wir dürfen es uns quasi live und in action reinziehen.
Vor allem wir spielen brav mit!