Nazis auf Speed“, sang 2013 die Düsseldorfer Post-Metal-Band The Krupps. Irritierend wirkt die Schwarzweiß-Ästhetik ihres Videoclips: Fantasie-Uniformen, Pervitintablettenwerbung, Fabrikhallen, verfremdete Zeitzeugen- Schnipsel, Elektrobeat und knarrende Stimmen im Nazi-Jargon. Das ist gewiss nicht jedermanns Geschmack. Das Video zeigt aber, wie weit sich herumgesprochen hat, dass das zwölfjährige Grauen des Nazireichs auch aufputschende Drogen brauchte, damit die Menschen bis zur völligen Erschöpfung funktionierten.
Zur Lektüre hätten die Musiker in der Stiefel-Leder-Martial-Ästhetik auf die zweibändige Publikation Werner Piepers, Nazis on Speed – Drogen im 3. Reich von 2002/03, zurückgreifen können. Das epochale, aber umstrittene Sammelwerk brachte Quellenabdrucke, Zeitzeugen- und Schriftsteller-Statements, wissenschaftliche Essays und internationale Vergleiche zur Drogennutzung während des Weltkrieges und danach. Es ist leider nur noch antiquarisch greifbar.
Der Arzt des Führers
Der Journalist und Romanautor Norman Ohler legt nun mit Der totale Rausch – Drogen im Dritten Reich einen faktenreichen, in weiten Teilen spannend und anspielungsreich geschriebenen Überblick zum Drogenkonsum im Dritten Reich vor, speziell bei der Wehrmacht. Amphetamine, Koks, Schlafmittel und Opiate im Dauergebrauch. Wehrmachtsoffiziere, Panzersoldaten, Piloten und Seeleute unter Dröhnung für die Dauerwachheit während der Blitzkriege und zur allerletzten Euphorie in aussichtsloser Lage sind noch immer eher schwer verständliche Fakten. Dazu noch ein fixender Führer, an der immer einsatzbereiten Nadel seines skrupellosen Leibarztes Theodor Morell. Ihm und seinen geschäftstüchtigen Versuchen, unter anderem mit Schlachtabfällen aus der Ukraine ein Firmenimperium mit Protein-, Enzym- und Vitaminpräparaten aufzubauen, widmet Ohler viele Seiten.
Offiziell führte das NS-System unter SS- Arzt und Reichsgesundheitsführer Conti einen Kampf gegen Suchtmittel und Süchtige. Abhängige galten als genetisch minderwertige und volksschädigende Personen. Sie sollten „ausgemerzt“ werden. Wehe dem, der der „Reichszentrale für die Bekämpfung von Rauschgiftvergehen“ auffiel, in den Blick der Reichskriminalpolizei oder einer Gesundheitsbehörde geriet. Zwangsunterbringung, Zwangssterilisierung, in seltenen Fällen auch der Tod drohten. Hitler selbst hingegen hielt man für abstinent und unermüdlich in seiner Opferbereitschaft für das Volk.
Die Historikerbiografien und Gesamtdarstellungen zur Führung des Dritten Reiches (Joachim Fest, Ian Kershaw, Werner Maser, Sönke Neitzel) erwähnen den Drogenkonsum Hitlers, Görings und einiger anderer. Aber sie machen nicht viel daraus. Allerdings ist die Gefahr groß, mit einer NS- Drogen-Monografie nur die Kolportage um Blondi, Eva Braun, die schrecklichen Goebbels, den Morphinisten Göring, den dauergeblähten und ab 1941/42 dauererschöpften Hitler sowie sein zwölf Jahre lang treubraunes Volk zu vermehren. Glücklicherweise bietet Norman Ohler aber auch weniger bekannte und spektakuläre Einblicke. Zum Beispiel zu den völlig aussichtslosen Endkampf-Einsätzen der Marine. Diese schickte ihre Seeleute mit der Super-Durchhaltedroge D IX – einer Mischung aus Eukodal, Kokain und Methamphetamin – auf Mini- U-Booten und Schnellbooten in den fast sicheren Tod. Vorher hatte sie die Wunderdroge zu den Wunderwaffen noch an Konzentrationslagerhäftlingen getestet.
Soldier’s Little Helper: Pervitin und Benzedrin
Bis heute nutzen alle modernen Streitkräfte euphorisierende, wachhaltende und aktivierende Medikamente. Eine lange und bemerkenswert ideologieunabhängige Tradition wird so kontinuierlich fortgesetzt. Während des Zweiten Weltkrieges erwarb das Dritte Reich mindestens 35 Millionen Tabletten Pervitin, Großbritannien und die Vereinigten Staaten je circa 75 Millionen Einheiten Benzedrin. Ihr Einsatz ist für alle Seiten mittlerweile gut belegt.
Pervitin ist ein alter Markenname für Methamphetamin. Das substanzgleiche, illegal produzierte Crystal Meth wird heute geraucht, inhaliert, als weißes Pulver in einer Line gesnieft oder mit Spritzbestecken intravenös gefixt. In Europa gilt derzeit Tschechien als einer der Hauptproduktionsorte. Wie alle Amphetamine greift das Methamphetamin gleichzeitig in den Stoffwechsel der Neurotransmitter Dopamin, Noradrenalin und Serotonin ein. Es kommt zu einer allgemeinen Verstärkung in diesen Transmittersystemen, bei längerem Gebrauch zu deren Erschöpfung.
Benzedrin (DL-Amphetamin) gilt als synthetischer Urstoff aller weiteren Amphetamin-Abkömmlinge. Es wurde 1932 in den USA entwickelt und 1937 erstmals versuchsweise zur Therapie hyperaktiver Kinder eingesetzt. Grundsätzlich fallen die Wirkung und unerwünschte Nebenwirkungen ähnlich denen des Methamphetamins aus.
Verpasst man was, wenn man die Drogengeschichte des Dritten Reiches nicht kennt? Ja! Ohlers immer faktengestützte, „unkonventionelle, verzerrte Perspektive“ deckt jedoch weniger die drogeninduzierten Fluchten in Fantasiewelten auf – das gilt allenfalls für die Bunkergesellschaft Hitlers – als den erschreckend effizienten, skrupellos-modernen Anteil des NS-Staates, der alle Reserven nutzt. Sein Vorwort, einem Arztbericht mit Rezeptempfehlung nachempfunden („für Kinder unzugänglich aufbewahren“), wirkt da wie ein unnötiger Gag. Der Autor gestattet sich Rückblicke zur Drogengeschichte vom 19. Jahrhundert bis in die Weimarer Republik und zur überaus erfolgreichen deutschen Pharmakaproduktion. Zu umfänglich geraten sind Abschnitte zum Kriegsverlauf, zu militärischen Entscheidungen (Dünkirchen) und später auch die Beschreibung des „Untergangs“, die ja weitgehend bekannt ist.
Weimarer Kontinuität
Gegen Drogen ging der NS-Staat weniger streng und systematisch vor, als es Ohler annimmt. Die Politik der gehassten Weimarer Republik setzte man fort. Diese hatte, internationalen Verpflichtungen folgend (Genfer Verträge, Völkerbund) gegen die Interessen der marktführenden Pharmaindustrie (Merck, Bayer, Temmler), Gesetze verschärft. Deutschland galt dennoch, nicht zu Unrecht, als liberal und duldsam in Drogenfragen. Die sozialen Probleme im Zusammenhang mit verschiedenen Suchtmitteln waren vergleichsweise gering. Alkoholiker verfolgten die Nazis, zivil und militärisch, mitunter deutlich zielstrebiger und härter.
Fritz Hauschilds Erfindung Methamphetamin, heute in seiner kristallinen Form illegal als Crystal Meth verkauft, war bis in den Zweiten Weltkrieg hinein in Apotheken frei verkäuflich. Unter dem Markennamen Pervitin vertrieb die teilarisierte Firma Temmler die Tablettenröhrchen mit blauem Schriftzug und bewarb ihr Produkt mit auffälliger Reklame. Der einfache Soldat Heinrich Böll erbettelte es sich zum Beispiel regelmäßig aus der Heimat. Erst 1939 wurde die Substanz rezeptpflichtig und fiel ab 1941 unter das Reichsopiumgesetz.
Pervitin war eine Weiterentwicklung aus Ephedrin. Es galt 1937 als deutsche Antwort auf Benzedrin aus den USA. Anders als der drogenkochende Highschool-Lehrer Walter White aus Breaking Bad entwickelte es Hauschild nicht zu kriminellen Zwecken. Er erstrebte Linderung bei damals therapeutisch schwer oder nicht behandelbaren, meist chronischen Krankheiten (Lungentuberkulose, Asthma) und bei Kriegsversehrten. Es sollte gegen Depressionen, Antriebslosigkeit und gegen Schmerzen bei fortgeschrittenen, final bösartigen Leiden, akuten Verletzungen und generalisierten Entzündungen helfen.
Der Erfolg von Pervitin gründete sich auf seine pharmakologische Überlegenheit, eine größere Wirkstärke und gleichzeitig eine große therapeutische Breite: Bevor es einen umbringt oder schwer schädigt, muss man auch vergleichsweise viel davon nehmen. Die schlechten Seiten, zivil und militärisch, lernte man erst aus dem Gebrauch kennen. Otto F. Ranke, Leiter des Instituts für Wehrphysiologie der Militärärztlichen Akademie, an der die Sanitätsoffiziere der Wehrmacht ausgebildet wurden, empfahl Pervitin für den Kampfeinsatz. Anschaulich schildert Ohler die Reihentests, bei denen sich Methamphetamin gegenüber Benzedrin und Koffein als überlegen erwies.
Die Mängel des systematischen Dopings, damals weltweit selbst beim Sport noch kein unerwünschtes und gesellschaftlich verbotenes Tun, wurden aber ebenfalls sichtbar. Der Stoff reduzierte die Abstraktionsfähigkeit und komplexe kognitive Eigenschaften. Er machte Versuchsteilnehmer unfähig zu einer realistischen Selbsteinschätzung. Probanden, wie später auch die Soldaten an der Front, blieben zwar wach und maschinengleich leistungsfähig, aber sie überschätzten sich.
Die schädlichen Langzeiteffekte und das Abhängigkeitspotenzial der Substanz wurden zunächst aber nicht ausreichend untersucht und traten erst zutage, als sich das frei verkäufliche Mittel unter Sanitätspersonal und Soldaten, aber auch bei Privatleuten immer weiter als Euphorisierungsmittel bei Stress und Übermüdung durchgesetzt hatte. Es kam zu Überdosierungen und Suchtfällen, besonders unter Medizinern.
Die wichtigste Frage aber: War der Drogenkonsum entscheidend für die Art und Weise der nationalsozialistischen Politik und den Verlauf des Krieges? Ohler betont selbst, dass die euphorisierenden Substanzen nur den Willen stärkten, den überzeugte Nazis vorher schon hatten. Totale Herrschaft, Krieg, Lebensraumpolitik, Rassewahn, Eugenik und Judenverfolgung waren unumstößliche Elemente des NS-Systems. Mochten sich dafür Funktionärs- und Militäreliten nun berauschen und ihre Soldaten dopen – oder auch nicht.
Info
Der totale Rausch – Drogen im Dritten Reich Norman Ohler Kiepenheuer & Witsch 2015, 368 S., 19,99€
Kommentare 17
Wie jetzt? Welche Konzentrationslager waren denn in der Hand der Marine?
Lieber Zelotti,
Die Marine "mietete" im KZ- Sachsenhausen das sogenannte "Schuhläuferkommando".
Häftlinge marschierten da schon, für die Wehrmacht im Dauereinsatz, um das beste Schuhwerk zu testen. Nun bekamen sie, chronisch mangelversorgt, die "Wunder- Durchhaltedroge" der Marine.
Man lernt, bezüglich der effiziente Perfidie großer Teile dieses braunen Reiches nie aus. - Marineärzte kontrollierten die Ergebnisse. Ein Grund mehr, das Buch Ohlers zu lesen.
Weniger wegen der Frage, ob der "Führer" noch bei Verstand war oder völlig zugedröhnt, als wegen aller jener Tatsachen, die zeigen, wie das Verbrechen und die Gewalttätigkeiten wirklich von allen Institutionen, auch jenen, die sich nachträglich für "sauber" erklärten, begangen wurden.
Ich gehe bei Ihnen von einigem Geschichtswissen aus. Wir beide wissen, dass die Mythen um ehrenwerte
Ärzte, Juristen, Polizisten, Soldaten und Wissenschaftler erst durch 30- 40 Jahre Geschichtsschreibung, späte Prozesse und Journalismus aufgelöst werden konnten. - Einer, der daran maßgeblich Anteil hatte, Hannes Heer, schreibt ja auch für den dF.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Nunja – der Begeisterung für die frisch lancierte Nazis-On-Drugs-Schwarte kann ich mich (nach kurzer, aber ebenso entschiedener Begutachtung in der Buchhandlung) nicht so recht anschließen. Im Wesentlichen behandelt sie zwei Themenkomplexe. Erstens: Aufputschmittel sowie ähnliche Substanzen bei Wehrmacht und SS (insbesondere im großen finalen Volkskrieg), zweitens eine ausführliche Exergese zum obersten Leiter der Veranstaltung, »Patient A.«.
Sicher, wer Informationen darüber sucht, dass man sich in den deutschen Streitkräften flächendeckend Pervitin reingeknallt hat als ob’s kein Morgen mehr gäbe (was ja auch gestimmt hat :-) und was Leibarzt Morell dem Führer verabreicht hat, wird in dem Buch fündig werden. Andererseits sehe ich da nicht groß das Thema, das in Bezug auf den NS neue Erkenntnisse bringen würde. Aufputschmittel waren in den alliierten Armeen ebenfalls gang und gäbe (insbesondere bei den Einsatzkräften der Fliegerstaffeln, die unter enormem Stress standen). Und der Patient A. – zum Teufel mit ihm.
Andererseits will ich einräumen: Irgendwie hat das Thema seinen Reiz – von Rand Holmes legendärer U-Comic-Geschichte Hitlers Kokain aus den Achtzigern bis hin zu dem umstrittenen Roman Endstufe von Thor Kunkel. Fazit: Nazi-Chic halt – mit einer neuen Sau, die man durch den Kulturbetrieb treiben kann.
Seit 2007 ist die in der Bundeswehr Droge wieder "diensttauglich".
Seit 2007 ist die Droge in der Bundeswehr Droge wieder voll "diensttauglich"
Ich schreibe doch dazu, dass Ohlers Buch eher die Modernität des Dritten Reiches belegt, sich in jedem Bereich der besten verfügbaren Technologie zu bedienen, um perfide Taten auszuführen, Herr Zietz.
Lesen Sie es in der Rezension und im Kasten zur Erklärung. Bis heute, verzichtet keine moderne Armee, die was auf sich hält, auf die Stoffe und Substanzklassen, die damals erstmals flächendeckend zur Steigerung der militärischen Leistungsfähigkeit und eben nicht zur Behandlung schwer Verwundeter oder zur palliativen Therapie tödlich Verletzter eingesetzt wurden. Dafür wären diese Stoffe durchaus geeignet, so, wie heute THC.
Sogar der militärisch unsinnige, soldatische "Heldentod", wurde mit Drogen vorbereitet.
Die Rezension übt ja hoffentlich einen großen Zwang aus, überhaupt Bücher zu kaufen. (;-)) Aber vielleicht macht es doch der eine oder andere Leser so wie Sie und setzt sich beim Buchhändler seines Vertrauens zu einer persönlichen Anlese hin. - Ein paar Streichungen hätten dem Buch gut getan. Aber das ist dann auch Jammern auf hohem Niveau.
Ich rate, die Einleitung zu überspringen und sich z.B. einmal das Kapitel über die Wunderdroge IX vorzunehmen oder das Kapitel über die Temmler- Werke.
Die Geschichte Morells, der nun kein ideologischer Nazi war, sondern eher der Typus, der glaubte, sich bei passender Gelegenheit was persönlich abschneiden zu können, vom "Erfolg" auf Zeit des Nazireiches, ist auch sehr lehrreich.
Konformität entsteht eben ganz grundsätzlich dann, wenn was abfällt. Fällt was ab, schwinden auch die Skrupel bei relativ unideologischen, nicht fanatischen Leuten, die ihre Chance wittern. Das gilt nun für Morell in seinem Bereich. Das lässt sich aber auch für Speer (Bauen, Rüstung) und Schacht (Wirtschaft), sowie einen Teil der medizinischen und ingenieurstechnischen Eliten (von Braun, Kurt Tank) sehr gut belegen.
Wichtig ist vor allem, dass Skrupellosigleit sich nicht auf den engsten Kreis um Diktator- Hitler und die ideologische SS beschränkte, sondern in allen Organisationen und allen Eliten um sich griff.
Beste Grüße
Christoph Leusch
empfindlichkeit, gewissensbisse sind für liebevoll aufgezogene kinder und jugendliche immer ein hemmnis, anderen zu schaden, deren wider-willen zu ignorieren, zumutungen zu verharmlosen, gewalt anzutun, offene verletzungen zu bagatellisieren,vergewaltigungen und tötungen erleiden zu lassen.. ..wenn mitgefühl höchstens bei kameraden zugelassen ist, gegen definierte feinde auf "kalt-sinn"(gellert) geschaltet ist, läßt sich skrupel-losigkeit, auch wenn sie antrainiert wurde, nur mit hilfe von alkohol durchhalten. das nerven-zehrende warten auf aktion wird seit weltkrieg eins mit zigaretten-rauchen gedankenfrei gehalten. unterstüzung beim wache-halten, mut-beweisen liefern diverse drogen. jäger auf wehrhafte beute benutzten es schon immer(in der tasche: werkzeuge, waffen, brau-stoffe, halluzinogene, waren wohl die grundausstattung des menschen). zur einstimmung in die kampfsituation reicht auch manchmal ein lied, das individuen zu selbst-vergessenem kameradschafts-geist überleitet, heroische seiten hervorlockt, angst und zweifel ausschaltet. wer nicht aus tödlicher bedrohung reagiert, muß sich erst zum übergriff bereit machen. psychisch-extreme naturen beiseite lassend, ein lohnender kultur-aspekt. oder?
Das sind zwei der psychologischen Möglichkeiten, jede Grausamkeit zu begehen, selbst wenn das kulturell nicht angelegt ist, Denkzone.
Übrigens ist Ausrottung und Kampf bis zum Letzten auch in sehr einfachen Gesellschaften (Jäger und Sammler) überhaupt kein vertrautes und bekanntes Muster. Drogen wurden, um es allgemein zu schreiben, zur Erweiterung, zur Metaphysik der Gesellschaften und Religionen, rituell und nicht verschrieben und ver- oder angeordnet eingesetzt.
Für das Dritte Reich gilt, dass es immer bemüht war, die eigene Skrupellosigkeit und sogar die Härte gegen die überzeugten Anhänger und das Volk, als rationale, nationale und völkische Notwendigkeiten auszugeben.
Bis zu den Kamikaze- ähnlichen Einsätze der Flieger und der Marine, der verrückte Ramjäger, Hajo Herrmann, laberte sogar noch bis in die jüngere Vergangenheit hinein Rechte, "alte Kameraden" und deutsche Burschenschafter voll, das Motiv kommt auch in dem Metal-Pop der Krupps vor, wurden dafür immer pseudorationale Gründe genannt.
Die Drogeneinnahme zur Erhöhung der Kampffähigkeit, Durchhaltefähigkeit, ist völlig unideologisch und emotionslos genutzt worden, trotz der bekannten Schädigungen und der Suchtgefahr. Das ist wirklich erschreckend und begründet, warum dieses, nur allzu "modern" wirkende, Element heute weiterhin zur Regelausstattung im Arsenal der stärksten und technologisch bestausgestatteten Armeen gehört.
Nebenfrage: Was bedeutet "Denkzone 8"? Wissen Sie, dass Zahlen zunehmend missbräuchlich verwendet werden und es einen unausgesprochen offenen Code gibt? "Denkzone H" liegt da nahe, und das ist dann entweder Absicht, zur Provokation oder aus Überzeugung, oder leicht missverständliche Unbedarftheit.
Vielleicht ist es ja nur als Hinweis gedacht, dass eine Denkzone bei südlichen Postleitzahlen, 8XXXX, existiert - Ohne Ihnen was zu unterstellen. Sie könnten damit anstoßen, gerade wenn Sie sich zu einschlägigen Themen äußern. Ich wollte es nur einmal angesprochen haben.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Seit 2 Tagen lese ich das Buch Norman Ohlers. Einiges über den Drogenverbrauch des "Führers" war mir vorher schon bekannt. Allerdings ist das Buch äußerst informativ bezüglich des ständig ansteigenden Verbrauchs unterschiedlichster Stoffe, die der "Leibarzt" seinem Dauerpatienten verpasste. Ich bin mir ziemlich sicher, dass selbst der Gesündeste bei diesen Mengen krank werden muß. U.a. auch im Kopf.
Ja. Und am Ende dann diese Fixer- Thrombophlebitis und generalisierte Dermatitis, rund um die Einstichstellen und vielen paravasalen Injektionen, des tattrig gewordenen, ehemaligen "Königs" der sanften Injektionen, Morell, der die Einstichstelle auch schon einmal mit seinem Einstecktuch abwischte und seine Mehrweg-Kolbenspritzen nur mit Alkohol desinfizierte.
Über 90 verschiedenen Substanzen, vom Enzym- und Multivitaminpräp. bis zu Opiaten, bekam Hitler von seinem Leibarzt eingetrichtert oder gleich gespritzt (Fixierung auf den Eingriff, die Nadel, den kleinen Schmerz und die schnelle Wirkung). Nur anal wollte er nicht gerne. Man könnte fast Mitleid bekommen, mit dem Gröfaz. (;-)))
Das Volk glaubte an Wunder des "Führers". Der "Führer" glaubte an Wunder und Fügung. Die Wunder geschahen nicht, auch wenn Zarah Leander das sang.
Schuld war, für ihn, Hitler und viele seiner Entourage, der mangelnde Wille des Volkes. Es sollte daher mit ihm untergehen (sogenannter Nero- Befehl) und, es ist die vorletzte Paradoxie, trotzdem, auch nach dem Tode des "Führers" und dem Untergang des Reiches, die Rassegesetze streng einhalten.
Nachdem es mit ihm zu Ende ging und zu Ende war. Das ist die letzte Paradoxie, brachten viele der treuesten Anhänger nicht nur sich, sondern auch den so rasserein erzeugten und erzogenen Nachwuchs um. Übrigens wieder mit Drogen. Auch hierin ihrem Führer, der auf Nr. sicher gehen wollte, treu.
An der Ideologie oder Zielsetzung der Nazis und des Diktators, änderte das aber kaum was und das Ergebnis musste "Untergang" lauten.
Ein lesenswertes Buch. Das finde ich auch.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Herzlichen Dank für Ihre gründliche Antwort auf meinen Kommentar.
Trefflich ergänzt wird das Buch Ohlers durch das Werk "Das Ende" von Ian Kershaw.
Der schreibt in seinem letzten Absatz in "Das Ende": " Hitlers Fähigkeit, die Massen zu begeistern, wirkte schon lange nicht mehr. Gleichwohl blieben Strukturen und Mentalitäten von Hilers charismatischer Herrschaft bis zu seinem Tod im Bunker wirksam. So uneins wie die herrschenden Eliten waren, besaßen sie weder den gemeinsamen Willen, noch verfügten sie über die Mechanismen der Macht, um Hitler daran zu hindern, Deutschland ins Verderben zu stürzen.
Das war das Entscheidende".
Es ist auch so schrecklich, weil eben der diktatorische Kriegsherr und seine willigen Eliten, die fast alle seit dem Winter 1941/1942 wussten, es ist bald zu Ende mit dem Regime, sogar ohne Elemente der charismatischen Herrschaft auskamen.
Sie konnten mit Gewalt, Macht und dem sicheren Gefühl, dass viele Mitbürger nichts so sehr fürchteten, als eine gewaltige Änderung, weitermachen.
Die Wehrmacht funktionierte, trotz des erkannten Irrsinns. Die Schornsteine rauchten über den KZs und in Deutschland für die Kriegswirtschaft. 1944 wurde die Produktion für den Krieg noch einmal gewaltig gesteigert und es gab wirklich nirgendwo einen ernstzunehmenden, trägen Widerstand gegen die Mobilisierung aller Reserven für den "Endkampf", wenn man schon nicht aktiv gegen das Regime sein konnte, mit der tatsächlichen oder nur vermeintlichen Bedrohung durch den Tod in Gedanken.
Sogar nach Hitlers Suizid hielten die Bande dieses Systems noch. Sogar in Kriegsgefangenenlagern und gar in der Internierung auf neutralem Boden, funktionierte dieses Prinzip von oben, mit Macht und Gewalt und verschworener Kameradschaft.
Ein spätes Ergebnis: Selbst schreckliche Juristen und furchtbare Polizisten konnten was werden, in der jungen BRD, und einige Ideologen durften weiter lehren und gar die öffentliche Meinung füttern.
Kershaw hat sich bezüglich des Dritten Reiches viel weniger irre machen lassen, als zum Beispiel Joachim Fest. Der ist einem Hauptmittäter aus der NS- Elite, Albert Speer, auf den Leim gekrochen.
Schönen Abend
Christoph Leusch
"Kershaw hat sich bezüglich des Dritten Reiches viel weniger irre machen lassen, als zum Beispiel Joachim Fest. "
Kershaws Bücher über die Hitlerei habe ich alle gründlich durchgarbeitet. Es ist bewundernswert, zu lesen, was er alles an Informationen über Hitler und die Nazidiktatur zusammengetragen hat; vor allem aber, wie er seine Beurteilung des gesamten Komplexes sprachlich klar und deutlich zusammenfasste.
Im April 2012 schrieb ich hier im freitag:https://www.freitag.de/autoren/vaustein/ein-deutsches-trauma einen Beitrag mit Auszug aus Kersaws "Das Ende" . Der Student Robert Limpert aus Ansbach wurde ca. 2 Stunden vor Ankunft der US-Streikräfte vom örtlichen Obernazi öffentlich erhängt...eine wahrhaft erschütternde Angelegenheit...insbesondere auch wegen der Art der Reaktion der ortsansässigen Bevölkerung.
Wir können den Streitkräften, die uns von dem Nazispuk befreiten unendlich dankbar sein...denn aus eigener Kraft waren die damaligen Deutschen dazu nicht in der Lage.
Beim Lesen dieses Buches fällt mir ein, was mir in den 60er-Jahren ein älterer Bekannter erzählte. Er war gegen Ende des 2. Weltkriegs noch zum Piloten ausgebildet worden und "durfte" den neuentwickelten Düsenjäger Me 262 im Einsatz fliegen. Weil es davon wenig Exemplare gab und noch weniger Piloten, die dieses Gerät fliegen konnten, mußten er und seine Kameraden zwischen den Einsätzen lange Wartezeiten überbrücken. Er erwähnte im Gespräch, daß sie dafür "sowas wie Hallo-Wach-Pillen" erhielten. Das habe bewirkt, daß man fit blieb und natürlich allzeit einsatzfähig.
Ich nehme an, daß diese Pillen wohl auch so etwas wie Hitlers Lieblingsdroge Pervitin waren.
I
Diese Unbedingtheit der Abläufe, ihr erstes Posting, zieht sich durch dieses grausame Dritte Reich, von Ansbach bis zur Mainspitze, vom Trümmerberlin im Endkampf ("Hier hängt ein Verräter oder Volksfeind", pp.), bis zu schier unglaublichen Geschichten um die letzte Gefolgschaft im Großraum der "Alpenfestung".
Vielleicht war diese Unbedingtheit in der Folgsamkeit, nicht einmal passive Widerstandshandlungen waren in der Endphase wirklich häufig, auch ein Grund dafür, warum die Westalliierten Deutschland 1945- Winter 1946/1947 hungern ließen, obwohl in Mittel- und Westeuropa längst wieder ausreichend Kalorienmengen zur Verfügung standen. Ab 1947 setzte dann das schlechte Gewissen ein und die Wirkung der, von den Alliierten selbst mit eingeführten, Charta der Vereinten Nationen.
Darauf zurückzukommen, hätte heute wieder Sinn, denn das Völkerrecht und seine Satzungen, wie das Gewissen, sind doch nicht so unnötige Kategorien, wie sie manche Anhänger der Power politics und der Machtpolitik darstellen.
II
Ad 2: Das ist sehr gut möglich. Allerdings gehört auch dazu, dass sich gerade Flieger, dazu noch die Experten der Experten, jene die zum Kriegsende mit den "Wunderwaffen" fliegen durften und es, wie viele normale Soldaten (siehe Punkt 1) bis zum Ende auch mit Fanatismus oder mit falsch verstandenem Pflichtgefühl taten, durchaus privat an euphorisierende Mittel kamen und diese nutzten.
Medizinisch ist allerdings zu sagen, dass dauerhaft, also über mehrere Wochen, sich mit Amphetaminen keine adäquate Wach-Leistung erhalten lässt. Schon nach drei- vier Tagen setzt Erschöpfung ein, -bedingt durch die Art der Wirkung auf die drei Neurotransmitter- Systeme -, selbst wenn sie von den Betroffenen geleugnet und verdrängt wird.
Dann geraten riskante und schwierige, unter Umständen lebensgefährliche, Tätigkeiten zu Desastern. Das gilt auch für die Nutzung von Kokain.
In der Rezension war auch nicht annähernd ausreichend Platz, um über die ganzen anderen, unerwünschten Wirkungen, von akuten und subaktuen Psychosen, über paradoxe Wirkungen, bis hin zu den Erschöpfungssyndromen, mannigfaltigen neurologischen und internistischen Problemen, einschließlich der Auslösung von Krampfanfällen zu schreiben.
Gar nicht, konnte ich auf die paradoxen Wirkungen eingehen. Die gibt es ja schon beim Koffein! Gezielt, überwacht und therapeutisch eingesetzt, kann man damit sogar Schlaf bei besitimmten Typen chronisch Schlafloser einleiten.
Beste Grüße und gutes WE
Christoph Leusch
offenes,zweifelhaftes,hermetisches. gibts grausamkeiten,die in der kultur nicht angelegt sind?
ob kampf bis zum letzten auch in sehr einfachen gesellschaften vertraut oder unbekannt war, weiß ich nicht zu sagen,spätere gesellschaften praktizierten das. daß drogen nicht nur zur entspannung oder sakralisierung der gemeinschaft verwendet,sondern auch zur vorbereitung aggressiver akte indienstgenommen wurden,ist mir nach intensiven miraculix-studien zur sicherheit geworden.
im totalen krieg sind auch medizinmänner angehalten,zur schärfung der waffen(-träger) beizutragen(auch schamanen stärken die jäger wehrhaften wilds).
das doping der kämpfer ist nie emotionslos,un-ideologisch,sondern eingebettet als additive oder ultima ratio. geprüft,erprobt,von experten dosiert.
zur nebenfrage: eingeborene,überrumpelt durch das erscheinen eines herrn,der sich columbus nannt, sie als indianer ansprach und inquisitorisch befragte, googelten sich aus der enigma genannten bundeslade einen not-wendigen kampfnamen: denkzone.um unbedarfte abzuschrecken,nicht zu provozieren. und siehe,es war kein platz mehr auf dem schild.so wurde das achtung numerisch abgekürzt,hat aber den gang der geschichte nicht beeinflußt.
wie immer gibts auch verwirrende,konkurrierende narrative.
"unbedingtheit"der abläufe? mutter,deine sprache führt manchmal in die irre! gerade die überdeterminiertheit ist das fatale: terror,charisma,propaganda(letztere,wohl-organisiert kommen in die nähe von drogen-mißbrauch),furcht vor dem feind,persönl.abschalten(selbst-vergessenheit): wenns erstmal bergab läuft,gibts kein halten. deshalb den fokus auf die entstehungs-phase: steigbügel-halter,massen-mentalität,eliten-versagen auch der opposition.oder?