Volle Hose

Nachschuss V Schon vor dem Spiel waren alle ganz heiß: die Medien, die Sportler, die Politiker, die Fans. "Nie wieder!", titelte die FAZ und meinte damit die ...

Schon vor dem Spiel waren alle ganz heiß: die Medien, die Sportler, die Politiker, die Fans. "Nie wieder!", titelte die FAZ und meinte damit die historische Niederlage in Cordoba 1978. Die Bild-Zeitung wollte die "Ösi-Würstchen" sogleich "verputzen". Die Würstchen wiederum blieben nichts schuldig: "Ganzes Land will zweites Cordoba!" - "Zieht den Deutschen die Hosen aus", forderte die Tagespostille mit dem bezeichnenden Namen Österreich. Kommt die Hose ins Spiel, wird die Sprache deftiger. "Die Deutschen stehen jetzt unter Druck und werden sich in die Hosen scheißen", prophezeite Martin Harnik, während sein Kollege, der österreichische Teamkapitän Andreas Ivanschitz, ein kleinlautes "I hab Schiss" von sich gab. Auch der rot-weiß-rote Teamchef Josef Hickersberger durfte da nicht fehlen, der mit "... müssen die Hosen nicht voll haben" zitiert wurde.

Aufgekratzt ist eine Untertreibung, tatsächlich wurde ja zumindest in Wien von einem "Todesspiel" schwadroniert, in dem es um "alles oder nichts" gehen sollte. Gleich Gorillas in schlechten Spielfilmen, klopften Medium und Publikum sich grölend auf die Brüste. Wär´s eine Persiflage, wär´s fast lustig. Zu befürchten ist allerdings, dass sich da mentale Essenz und nicht bloß theatralische Inszenierung offenbart. Massierung zur Masse ist immer noch primär ein elementares Ereignis nationaler Wucht. Das Flagge zeigen, das Sich-im-Größeren-Auflösen und -Spüren, das alles entspricht einem, wenn auch domestizierten, so doch energetischen Aufgehen im Volkskörper. Das Spiel wird sekundär, es ist nur noch Folie eines höheren, nationalen Wesens. Manchmal ist es wirklich befreiend, kein Patriot zu sein - oder seien wir ehrlicher - nur in Restbeständen und nicht in der Substanz dessen Identifikationssubjekt zu sein. Denn dem Staat gehöriges Objekt bleibt man dort, wo etwa stets von "ganz Österreich" die Rede ist, sowieso.

Spielerisch war das Spiel der Spiele eine matte Sache, ein typisches Match der verkrampften Sorte. Einmal mehr wurde mehr verhindert als entwickelt. Österreich war nie richtig torgefährlich, und auch die Deutschen wurden erst durch einen Freistoß Michael Ballacks erlöst. Gewaltschuss nennt sich das im Fußballjargon. "Es war ein superhartes Spiel", sagte der Torschütze. Was eigentlich weder ein Kompliment für das Spiel noch für die Spieler ist. Auf jeden Fall obsiegte die Kontrolle über jeden Spielwitz. In die Hose gegangen ist es allerdings nur für die Ösis. Ihnen blieb einmal mehr die Genugtuung, dass sie sich die Niederlage redlich verdient hatten, die Deutschen den Sieg aber nicht.

Die anwesende Kanzlerin konnte schließlich aufatmen, weil ihre Mannschaft doch noch ins Viertelfinale einziehen durfte. Die Österreicher hatten schon vorab gegen Kroatien und Polen, wo sie zweifellos mehr geboten haben als gegen Deutschland, ihre Chancen verspielt. Für den Kanzler selbst war es ein rabenschwarzer Tag. Am frühen Nachmittag war er vom Parteipräsidium als Parteichef abgelöst worden. Als Regierungschef soll er freilich weiter machen, nicht nur vorläufig, nein, nein: Auch Kanzlerkandidat möchte er, wie er ausdrücklich betonte, bleiben. Die SPÖ versucht es jetzt mit einer Doppelspitze. Dies ist freilich weniger ein Akt der Offensive als einer der Verzweiflung. Derlei Ämtertrennungen haben in Österreich auch keine Tradition. Die Demontage Alfred Gusenbauers ist also in vollem Gange. So war Letzterer am Montagabend auch sehr "schmähstad", wie die Wiener sagen - ganz leise. Anders als die Kanzlerin ist der Kanzler durch seine Position nie gewachsen. Das Match Angela gegen Alfred, das hat Frau Merkel eindeutig gewonnen. Gerade auch auf der Ebene der Performance, und das heißt schon was.

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