Vor vier Jahren hätte die Stadt Saint Paul im US-Bundesstaat Minnesota viel Geld sparen können. Saint Paul investierte 4,5 Millionen in sprechende Ampeln für sehbehinderte Menschen. Auf Knopfdruck sagen sie den Namen der Straße. Zur gleichen Zeit und zum selben Preis stattete Stockholm Sehbehinderte mit einer mobilen Navigationshilfe aus. Mit der können sie sich in der Stadt fast so gut wie Sehende bewegen. Die Ampeln in Saint Paul hingegen werden kaum genutzt.
Vor vier Jahren hätte Sascha Haselmayer Saint Paul noch nicht helfen können, denn sein Beratungsunternehmen Citymart hatte er da gerade erst gegründet. Das mit den Ampeln hätte sich verhindern lassen können, ist sich Haselmayer sicher. „Wenn die Verwaltung ergebnisoffen gefragt hätte, wie sie ihre Stadt blindenfreundlicher machen kann.“
Citymart koordiniert und fördert den Austausch von Ideen zwischen Städten. Das Unternehmen hilft ihnen, ihre Ausschreibungen und Lösungsfindungsprozesse für Bürger, Start-ups und Sozialunternehmen zu öffnen. 400 Städte hat der in Hamburg geborene Architekt Haselmayer bisher besucht. Fast jede sei überzeugt, vor einzigartigen Problemen zu stehen, doch eigentlich könnten alle Städte voneinander ebenso wie von ihren Bürgern lernen, sagt er. „So lassen sich mit weniger Ressourcen positive Veränderungen bewirken.“ In 52 Städten weltweit ist Citymart aktiv, hat Büros in Barcelona und New York. Um ärmere Menschen kostenlos mit schnellem Internet auszustatten, konnten Bürger und Firmen in der US-Metropole kürzlich ihre Ideen für technische Innovationen einreichen. Doch damit sich Verwaltungen auf diesen experimentellen Prozess einlassen, muss Haselmayer an ihrem Selbstverständnis rütteln.
Ohne Öffentlichkeit
Denn Verwaltungen sind es gewohnt, unter Ausschluss jeder Öffentlichkeit Investitionsentscheidungen zu treffen. Es folgen komplizierte, hunderte Seiten starke Ausschreibungen, die bis ins kleinste Detail beschreiben, wie etwa eine Ampel aussehen soll. Das begünstigt Konzerne, die in der Lage sind, das Produkt oder die gewünschte Dienstleistung zu liefern. Verwaltungen wollen vor allem kein wirtschaftliches Risiko eingehen und lieber etwas kaufen, was sich vermeintlich bewährt hat.
Das von der Gesellschaft getragene Risiko, Probleme so nie wirklich zu lösen, wird dabei nicht beachtet. Warum sollten weitere Ampeln wirklich die beste Lösung sein, um den Straßenverkehr sicherer zu machen? Solche Fragen, die aus der Pfadabhängigkeit des immer Gleichen führen können, werden kaum gestellt. Dabei könnten sie effizientere Wege zur Verbesserung der Lebensbedingungen in der Stadt aufzeigen – das versucht Haselmayer Bürgermeistern auf der ganzen Welt klarzumachen.
Mit seinem Unternehmen besetzt er damit eine Nische – Konkurrenten mit ähnlichem Profil gibt es im Werben um die Kommunen als Kunden bisher kaum. Doch es braucht gar nicht unbedingt eine Firma wie Citymart, um die Umsetzung kommunaler Aufgaben partizipativer und innovativer zu gestalten. In Deutschland und anderswo existieren Bürgerhaushalte, oftmals von Basisinitiativen erkämpft. Je nach Modell schlagen Bürger dabei vor, wo Geld investiert werden sollte, wo Einsparungen vorstellbar sind und wie sich neue Einnahmen erzielen lassen. Ein direktes Entscheidungsrecht ist aber noch selten.
Barcelona hat im vergangenen Jahr 1,5 Millionen Dollar bereitgestellt, um sechs Probleme zu lösen, darunter die Verringerung der Zahl von Fahrraddiebstählen, die Vermeidung sozialer Isolation und die Messung von Fußgängerströmen. Die Resonanz war groß: 55.000 Menschen informierten sich auf der Internetseite der Stadt, 112 Konzepte wurden eingereicht. Manche gründeten extra ein Unternehmen. Das bestätigt, was Verfechter offener Ausschreibungen versprechen: Förderung einer Gründer- und Erfinderkultur, Stärkung der städtischen Wirtschaft. In 98 von 100 offenen Ausschreibungen, die Citymart begleitete, bekamen kleine Unternehmen den Zuschlag.
Paris und Moskau
Doch auch bei den Unternehmen muss Citymart Überzeugungsarbeit leisten: „90 Prozent derer, die wir ansprechen, wollen nicht mitmachen, weil ihrer Erfahrung nach alle öffentlichen Ausschreibungsprozesse manipuliert sind“, sagt Haselmayer.
Unternehmen brauchen die Sicherheit, dass sie im Ausschreibungsprozess eine Chance haben und neue Ideen nicht umsonst entwickeln. Und Verwaltungen müssen erst dazu gebracht werden, das Risiko einzugehen, einen gewissen Prozentsatz ihrer Haushalte für problembasierte Ausschreibungen freizugeben. Sowohl Paris als auch Moskau haben das bereits getan und fünf Prozent ihrer Budgets reserviert. Haselmayer hat zuletzt mit Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD) gesprochen. Vorerst ohne Erfolg.
Kommentare 3
Danke fuer den Beitrag.
Neue Wege zur Entscheidungsfindung bietet auch Holacracy.
https://de.wikipedia.org/wiki/Holacracy
http://www.holacracy.org/holacracyone
Das Geld ist schon ausgegeben
ausgezeichnete Initiative, nein, business!
Auf der Kommunalen Ebene scheint es noch am ehesten möglich, daß die Entscheidungsträger tatsächlich das Geld der Bürger für die Bürger investieren. Warum scheitert es oft?
Um an Macht & Pfründe zu kommen und auf dem Karrierepfad voranzukommen, braucht man Freunde und eine Hand wäscht die andere.
Man will mit den Geschäftspartnern gute Geschäfte machen, der Bürger sitzt nicht am Tisch, meist wird er viel zu billig verkauft!
Und dann ist das Geld von Gemeinde und Bürgern schon längst von höheren Ebenen verteilt.
Vom Zugang ärmerer Bürger zu schnellem Internet lese ich da? Ja, wir leben in Deutschland und da wird jeder 'Haushalt' von dem staatlichen Medium des Landes abkassiert, basiert auf abenteuerlicher Lügenakrobatik um Grundversorgung, staatsfreier Finanzierung und Ausgewogenheit. Den größten Gewinn haben die kontrollierenden NWO- Lügenbarone, die dem Ziel erstaunlich nahe gekommen sind, Deutschland und Russland, ohne die eine friedliche Entwicklung des Kontinentes nicht möglich ist, ein drittes mal in einem Krieg gegeneinander zu verschleißen. So dumm sind die Deutschen ja garnicht, aber die tägliche Gehirnwäsche zeigt Wirkung.
Wollte man Jedem Zugang zu unzensierten Informationen ermöglichen, wäre der 'Rundfunkbeitrag' für Internetzugang richtig angelegt und da ja die westalliierte Informationskontrolle nicht mehr aufrechtzuerhalten ist, würde auch das Angebot auf marktwirtschaftlichem Wege besser.
Aber hier hat die Deutsche Kommune wenig zu entscheiden, der Bund hat das Geld des Bürgers bereits den 'Landesrundfunkanstalten' in die Tasche gesteckt.
In Barcelona hält die Kommune die Kinderspielplätze mit einer Truppe effizient in Schuß, in Deutschland hat's eine Handwerksordnung, es braucht viele Ausschreibungen für viele Meisterbetriebe oder es müssen viele Meister eingestellt werden.
Kindergärten, Schulen, Altenbetreuung, Medizinische Versorgung, Regeln über Regeln von denen viele eben nicht der Daseinsvorsorge dienen.