Von Amt und Person

Leerformeln Außenminister Fischer und der Nahostkonflikt

Es gehört zum Handwerk der Diplomatie, das Gesetz von Ort und Zeit zu beachten und danach zu entscheiden, was man wann, wo und in welcher Form sagt oder eben nicht sagt, wo man allgemein bleibt oder konkret wird. Wenn man, wie Joschka Fischer vergangene Woche, mit dem Galinski-Preis eine Auszeichnung annimmt, die nicht nur auf das Wohl der Juden in Deutschland, sondern auch auf den Staat Israel verpflichtet ist, ist die Dankesrede sicher nicht der geeignete Zeitpunkt für eine ernsthafte Erörterung, woran der Friedensprozess im Nahen Osten gescheitert ist und wie er wieder in Gang gebracht werden kann.

In solcher Lage tut man gut daran, sich auf jene Themen zu konzentrieren, die unter Demokraten unstrittig sind: die niemals endende Trauer über die Ausmordung von zwei Dritteln der europäischen Judenheit durch eine verbrecherische deutsche Regierung und die Zerstörung eines kulturell fruchtbaren Zusammenlebens; die aufrichtige, nicht nur pflichtgemäße Verbundenheit mit den Juden in Deutschland heute; schließlich die entschiedene Abwehr von Antisemitismus, Rassismus, Ethnophobie jeder Art.

All das hat Fischer gesagt, wenn auch ohne die besonders im letzten Punkt unerlässliche deutsche Selbstkritik, die Diskrepanz zwischen offizieller Rhetorik und alltäglicher Praxis betreffend. Leider hat er es nicht dabei belassen. Seine mit bekennerhafter Emphase vorgetragenen Äußerungen zum Nahostkonflikt blieben zwar inhaltlich vage, waren aber ausnahmslos von der Art, dass sie nur in einem ganz bestimmten Sinne (miss)verstanden werden konnten und wurden.

Man werde dem Terror entgegentreten. Das Recht Israels sei Grundlage deutscher Außenpolitik. Israel werde in seinem Kampf nicht allein sein. Der Kampf für Frieden, Menschenrechte und Menschenwürde müsse manchmal mit Gewalt geführt werden und so fort.

All dies ließ sich leicht als eine Rechtfertigung der Kriegsführung Sharons in den palästinensischen Gebieten verstehen, der sie als Beitrag zum "Kampf gegen den Terrorismus" akzeptiert wissen will - wie Putin sein Vorgehen in Tschetschenien. Auch die Anerkennung der militärischen Suprematie Israels, vor allem aber die bekannte Leerformel von der besonderen Verpflichtung der Europäer zum Schutz seines Existenzrechts in sicheren und anerkannten Grenzen ging in dieselbe Richtung, weil sie jede beliebige Interpretation und Schlussfolgerung erlaubt. Selbst die Bemerkung, dass sich der Konflikt nicht militärisch, sondern nur politisch lösen lasse und das Ziel zwei Staaten in Palästina sein müsse, blieb von begrenztem Wert, da Fischer das entscheidende Wort "souverän" sorgfältig vermied und sich ausgerechnet auf das Oslo-Abkommen sowie auf die Rede des Präsidenten der USA bezog, deren Politik seit Jahrzehnten der Wille fehlt, eine friedliche Lösung in Palästina durchzusetzen.

Es macht eine der besonderen Qualitäten des Politikers Fischer aus, dass er, heute eine Seltenheit, der freien Rede mächtig ist und als Person nicht völlig hinter seinem Amt verschwindet. Aber der Außenminister eines großen europäischen Landes kann sich nicht als Privatperson äußern und einfach reden, was sein Herz ihm eingibt. In seiner Funktion ist es unerlässlich, öffentliche Äußerungen zu politisch heiklen Fragen, in denen es auf jede Nuance ankommt, schriftlich zu formulieren und mit kompetenten Beratern, so es denn im Amte solche noch gibt, abzustimmen. Das ist in diesem Falle offenbar nicht geschehen. Nach dieser Rede dürfte es schwer sein, Israel noch irgendeine Bitte abzuschlagen.

Wenn nun der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland sich in die aktuelle außenpolitische Debatte einmischt und erklärt, die Bundesrepublik sei verpflichtet, Tel Aviv die umstrittenen Fuchs-Panzer zu liefern, stellt sich allerdings die Frage, ob Außenminister Fischer gut beraten war, den ihm zugesprochenen Preis vor Ablauf seiner Amtszeit anzunehmen.

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