Von Dauermüttern und Aushilfsvätern

Familie Sigmar Gabriel wird für seine „offensive Vaterschaft“ gefeiert. Unser Autor hält diese für ein fragwürdiges Konzept
Ausgabe 48/2016
Lebt in einer Welt offensiver Spitzenväter: Sigmar Gabriel
Lebt in einer Welt offensiver Spitzenväter: Sigmar Gabriel

Foto: Sascha Schuermann/Getty Images

Er sei ein offensiver Vater. Schreibt zumindest der Spiegel über Sigmar Gabriel, und dort ist man so begeistert von der Phrase „offensive Vaterschaft“, dass die Kollegen sie nun schon zum zweiten Mal herausgekramt haben. Im Februar hatte Gabriel angekündigt, sich ein paar Tage freizunehmen, um für seine scharlachkranke Tochter sorgen zu können. Nun ließ er anlässlich der Meldungen, dass er im Frühjahr noch einmal Vater wird, verlauten, dass er keine Babypause einlegen werde. In Wahlkampfzeiten sei dies einfach nicht möglich.

Da scheinbar beide dieser doch sehr unterschiedlichen Verhaltensweisen den Tatbestand der offensiven Vaterschaft erfüllen, frage ich mich, was das bedeuten soll. Worin genau besteht die Offensivität der Vaterschaft? Darin, sich trotz des Berufs um sein Kind zu kümmern, oder darin, sich wegen des Berufs nicht um sein Kind zu kümmern? Wurzelt sie in einer Art Ehrfurcht vor der Bedeutung des Berufs? Oder auf der anerkennenden Feststellung, dass hier ein berufstätiger Mann überhaupt seine Vaterschaft thematisiert? Und was wäre das Gegenteil? Defensive Mutterschaft?

Auch und gerade als Vater von vier Kindern kann ich mich mit diesem fragwürdigen Konzept nicht anfreunden. „Offensive Vaterschaft“, das klingt nach einer Sportmetapher. Nach einem Gegner, der mit offensiver Vaterschaft angegriffen und niedergerungen werden kann, um einen Sieg zu erringen. Als ob man einen Preis gewinnen könnte. Einen Preis gibt es tatsächlich. Er nennt sich „Spitzenvater des Jahres“, ist mit 5.000 Euro dotiert und genau wie die Vorstellung von der offensiven Vaterschaft ein Problem. Beides versucht einem gesellschaftlichen Wandel auf die Sprünge zu helfen und zementiert dabei nur den Status quo.

In einer Welt offensiver Spitzenväter ist Mutterschaft nach wie vor Verpflichtung, Vaterschaft dagegen Bonus. Mütter haben sich gefälligst immer zu kümmern, Väter hingegen helfen aus. Diese Vorstellung von Dauermüttern und Aushilfsvätern fordert von der einen Seite das zu viel, was sie von der anderen zu wenig erwartet. Anstatt Menschen zu befragen, wie sie Elternschaft für sich definieren, erschöpft sie sich zu sehr in der banalen Frage nach dem Geschlecht und den damit verbundenen Zuschreibungen. Wir sollten weniger darüber befinden, wie Mütter und Väter sein müssen, und mehr darüber sprechen, wie wir als Eltern sein wollen: liebevoll, verlässlich, lustig, verletzlich, konsequent, ehrlich. Und offen statt offensiv. Preise lassen sich damit nicht gewinnen. Aber alles andere.

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