Manchmal werden Telefongespräche zur Stolperfalle für die eigene Karriere. Es war an einem kühlen, klaren Wintertag im Januar, als Volker Limburg ins Plaudern geriet. Der Mann mit den gescheitelten grauweißen Haaren und der schwarzumrandeten Brille hatte einen neugierigen Zeitungsjournalisten am Hörer, der im Internet auf die Firma ALBACON gestoßen war, die im Kosovo "Dienste rund um die Jagd, Telekommunikation, Transport und Tourismus" anbietet. Limburg, Chef des Verfassungsschutzes in Sachsen-Anhalt, bestätigte dem Journalisten, was der ohnehin schon wusste - dass die Firma ALBACON von zwei ostdeutschen Neonazis mit besten Verbindungen zur NPD und einem Albaner geführt wird.
Drei Wochen nach dem Anruf konnte es Volker Limburg schwarz auf weiß
weiß im Spiegel lesen: Er hat durch seine an und für sich harmlose Auskunft eine neue V-Mann-Affäre angeschoben. Denn einer der beiden Unternehmer, die Osteuropa als lukratives Geschäftsfeld entdeckt haben, versorgte Limburgs Mitarbeiter jahrelang mit Informationen aus der rechten Szene. Der Informant soll erst während des NPD-Verbotsverfahrens abgeschaltet worden sein. Und so wird nun eifrig darüber diskutiert, ob auch die Behörden in Sachsen-Anhalt zum Scheitern dieses Verfahrens beigetragen haben. Das hatten Ex-Innenminister Manfred Püchel (SPD) und auch sein CDU-Nachfolger Klaus Jeziorsky bislang immer bestritten.Bei all dem Hick Hack scheinen die Politiker den Blick für die Firma ALBACON und ihrer Protagonisten verloren zu haben. Dabei lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Auf der Internetseite der Firma, die mittlerweile gelöscht ist, hieß es: "Was immer ihr Problem auf dem Balkan ist, ALBACON ist die Lösung." Einen Mausklick weiter priesen sich die Geschäftsführer als Allround-Talente an. Shpejtim Hoda, der pausbäckige "President Chief Executive Officer" schrieb über sich: "Herr Hoda besitzt umfangreiche Kontakte und kann mit Hilfe eines Netzwerkes so manche Probleme lösen, vor denen gerade Außenstehende schnell kapitulieren." Er spreche fünf Sprachen fließend und sei an mehreren Gerichten der Bundesrepublik Deutschland als vereidigter Dolmetscher zugelassen. Auf der gleichen Seite schaut einem ein verschmitzt lächelnder Harald Bornschein an. Er soll sich im Kosovo besonders gut mit Hotels und Freizeiteinrichtungen auskennen. Außerdem helfe er Regierungen bei der Einführung von Jagdgesetzen. In seiner Heimatstadt Merseburg in Sachsen-Anhalt steht Harald Bornschein jedoch in einem zweifelhaften Ruf. Die linke Szene der Stadt nennt ihn in einem Atemzug mit der Skinheadszene. Außerdem sei er ein ausgesprochener Waffennarr. Tatsächlich ist Bornscheins Familie im Besitz eines Waffenladens, allerdings ganz legal. Das Antifa-Blatt Rabenschwarz schreibt über ihn bereits im Jahr 1999: "Harald Bornschein ist im Schützenverein aktiv, wird dort aber wegen seiner Nazi-Ideologie und seiner Liebe zu scharfen Waffen zunehmend gemieden." Er arbeite eng mit Steffen Hupka von der NPD zusammen und versorge die Skinheads vom "Jungsturm Merseburg" mit Baseballschlägern. Doch stimmt das, was die Antifa-Leute da schreiben? Fragt man den ehemaligen Vorsitzenden der Schützengilde, Andreas Kaluza, sagt der nur: "Der Bornschein würde einen strammen CDU-Mann abgeben, aber ein Neonazi ist der nicht. Jedenfalls ist unseren Organen in Merseburg davon nichts bekannt." Ist Harald Bornschein aber vielleicht der V-Mann des Verfassungsschutzes? Der 52-Jährige bestreitet dies vehement. Zu seiner Firma im Kosovo will er sich nicht äußern. Der Dritte im Bunde ist Frank Kerkhoff, der sich selbst als engen Vertrauten des NPD-Anwalts Horst Mahler bezeichnet. Der Elektrotechniker will "viele Jahre in leitenden Positionen für internationale Großunternehmensberatungen vornehmlich im Ausland tätig" gewesen sein. "Ob eine U-Bahngesellschaft in New York oder eine Bahnstrecke in Syrien modernisiert werden musste", Frank Kerkhoff habe in vielen derartigen Projekten erfolgreich gearbeitet, heißt es auf der ALBACON-Internetseite. In Sachsen-Anhalt ist das Multitalent Kerkhoff als ehemaliger NPD-Landesvorsitzender bekannt, von dem man sich nur schwer vorstellen kann, dass er je für eine U-Bahngesellschaft in New York oder anderswo im Ausland gearbeitet hat. Im Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt für das Jahr 2002 heißt es: "Kerkhoff behauptete, die US-Ostküste wolle den harten Kern Europas vernichten, in dem sie das Deutsche Volk mit Orientalen und Afrikanern durchmischt". Vom so genannten "Deutschen Kolleg" ließ Kerkhoff ein Flugblatt im Internet veröffentlichen. Der Wortlaut ist ebenfalls im Verfassungsschutzbericht nachzulesen: "Entausländert Eurer Denken! Macht Eure Schulen, Fabriken und Gemeinden wieder deutsch! Entmachtet die deutschfeindlichen Medien! Unterbindet alle Deutschenhetze und jeden Antigermanismus! Darum für Volk, Kaiser und Reich: Jetzt den Aufstand wagen!" Ist Frank Kerkhoff der V-Mann des Verfassungsschutzes? Am Telefon ignoriert er zunächst die Frage. Er erklärt stattdessen, dass seine Firma ALBACON keinesfalls etwas mit Menschen- oder illegalem Waffenhandel zu tun habe. Erneut auf den Verfassungsschutz angesprochen, winkt Kerkhoff nur ab. Er will sich zu der V-Mann-Geschichte nicht äußern. Damit ist das Telefongespräch beendet. Gjakova heißt die Stadt im Kosovo, in der die Firma ALBACON ihren Sitz hat. Sie liegt an der Grenze zu Albanien und hat etwa 70.000 Einwohner. Im Krieg war Gjakova Schauplatz von Morden an der albanischstämmigen Bevölkerung. Es gab hier die meisten Toten und Vermissten im Kosovo. Die Altstadt war komplett zerstört und abgebrannt. Die Moschee, das ehemalige Polizeiquartier und eine Basilika sind noch heute Ruinen. In der Azem Hajdari 5 befinden sich die Büroräume von ALBACON. Redakteure der kosovarischen Tageszeitung Zeri i Dites (Stimme des Tages) fragen sich inzwischen, was diese Firma so treibt. Am 8. Januar veröffentlichten sie einen Artikel, in dem sie die Vermutung äußern, dass ALBACON von der NPD als Geldwaschanlage genutzt wird. Sie verweisen auf ein angeblich illegales NPD-Konto, das im Februar 2000 in der Schweiz entdeckt wurde. An diesem Konto sei Frank Kerkhoff beteiligt gewesen. Eindringlich warnt die Zeitung vor den beiden Neonazis aus Deutschland, Kerkhoff und Bornschein, "mit denen im Kosovo niemand etwas zu tun haben will". Einen Tag später, am 9. Januar, erklärt der Albaner Shpetim Hoda in der selben Zeitung: "Bei der Firma ALBACON handelt es sich um ein normales Unternehmen, das mit deutschen Neonazis nichts zu tun hat." Sowohl Kerkhoff als auch Bornschein seien nicht mehr Mitglieder der NPD. Ihre politische Einstellung habe sich gewandelt, schrieb Hoda. Das müsse man seinen Geschäftspartnern zugestehen. Denn schließlich habe ja auch Otto Schily Bundesinnenminister werden können, trotz seiner Karriere als RAF-Anwalt. Obwohl die Firma ALBACON erst seit 2003 existiert, verweisen Hoda, Kerkhoff und Bornschein auf Referenzprojekte in halb Osteuropa. Sie beraten angeblich eine US-Firma, die einen Flugplatz auf dem Balkan kaufen will. Einem russischen Unternehmen habe man bei der Übernahme eines Zementwerkes geholfen. Ebenfalls im Angebot: Trainingskurse für "Beschäftigte im Tourismussektor" und leitende Mitarbeiter der Wirtschaftsministerien auf dem Balkan. Nach all dem, was nun über die Firma bekannt wurde, zeigt sich Volker Limburg, der oberste Verfassungsschützer in Sachsen-Anhalt, empört. Er warnte öffentlich vor ALBACON und dessen Geschäftsführern, insbesondere weil Frank Kerkhoff eine Zweigstelle in Magdeburg betreibt. Die Verbindungen dieser "Zweigstelle" ins Ausland, so wird Limburg zitiert, werden vom Verfassungsschutz "äußerst aufmerksam" beobachtet. Mit einem V-Mann in der Firma dürfte das auch nicht weiter schwierig sein. Nur die Frage, weshalb offenbar nichts getan wird, um die zweifelhaften Aktivitäten von ALBACON zu unterbinden, bleibt unbeantwortet.