Von Menschen und Nikoläusen

Erwachsensein hat eine Menge Vorteile. Man kann sich im Kino Horrorfilme ansehen, darf soviel Softeis essen wie man will, und wenn man keine Lust ...

Erwachsensein hat eine Menge Vorteile. Man kann sich im Kino Horrorfilme ansehen, darf soviel Softeis essen wie man will, und wenn man keine Lust hat, ins Bett zu gehen, versucht man es eben in der Badewanne. Bis hierher wirklich prima. Aber wie es einem als Erwachsenen geht, wenn der Advent ausbricht, steht auf einem ganz anderen Blatt. Plötzlich wird alles so besinnlich, durch die Innenstädte hallt echte Musik, und das Aroma gebratener Krapfen mischt sich stilvoll mit dem Duft abgebrannter Spekulanten. Doch was tut man als vermeintlich vernünftiger Erwachsener? Statt die Vorstellung zu genießen und sich irgendwo mit Hilfe eines Liter Glühweins in eine fröhlich glucksende Standheizung zu verwandeln, wird man plötzlich hektisch. Wie aufgezogen rennt man von einem Geschäft ins nächste, wobei sich die individuelle Geschwindigkeit mit der Formel Tag X mal Kinderfaktor durch 24 ziemlich genau berechnen lässt. Eine Laune der Natur hat es obendrein so gefügt, dass wir glauben, aus freien Stücken zu handeln, wenn wir, von sehnsuchtsvollen Kinderaugen hypnotisiert, in die Spielzeugabteilungen der Warenhäuser stiefeln.

Ist das nicht verrückt? Da tischen wir den kleinen Rackern ein Märchen vom Allerfeinsten auf, sie schlucken es sogar, aber dann lassen wir unseren Vorteil einfach so versanden. Ich meine, theoretisch könnten wir ihnen in aller Ruhe den ganzen Adventskalender leer futtern und es dann auf den Osterhasen schieben ("Aber ja doch, der Osterhase muss schließlich fressen, damit er im Frühjahr noch lebt."). Kein noch so kluger Dreikäsehoch würde je Verdacht schöpfen. Oder nehmen wir, aus gerade verstrichenem Anlass, Nikolaus. Wieso ist eigentlich noch niemand auf die Idee gekommen, sich rechtzeitig den Wecker zu stellen, um morgens in den Schuhen seiner Stadt nach Brauchbarem zu suchen?

Dabei hätten gerade die älteren Menschen sozusagen das Vorklaurecht. Seien Sie doch mal ehrlich, falls Sie sich zufällig für einen älteren Menschen halten! Wenn Ihnen jemand in letzter Zeit etwas in die Schuhe geschoben hat, dann doch höchstens die Schuld dafür, dass Sie ein älterer Mensch sind. Doch statt gebührend zurückzuschlagen, indem sie zum Beispiel heimlich ihre Rente vergraben und somit die Wirtschaft zum Erliegen bringen, stecken Sie alles ihren verwöhnten Enkeln zu. Und warum das alles? Weil Sie hypnotisiert sind. Hypnotisiert von großen glänzenden Kulleraugen. Ich meine, was spricht dagegen, das Geld beim Pokern einzusetzen oder sich eine Harley Davidson zu kaufen? Sehen Sie, was ich meine? Ich könnte Ihnen noch viel mehr darüber erzählen, aber aus einem mir schleierhaften Grund verspüre ich plötzlich den unwiderstehlichen Drang, aufzuspringen, in die Innenstadt zu rasen und für meine kleine Nichte zu Weihnachten ein Spielzeug zu kaufen. Irgendwas Buntes, Quietschendes. Hauptsache sie freut sich.


der Freitag digital zum Vorteilspreis

6 Monate mit 25% Rabatt lesen

Der Freitag im Oster-Abo Schenken Sie mutigen Qualitätsjournalismus!

Print

Entdecken Sie unsere Osterangebote für die Printzeitung mit Wunschprämie.

Jetzt sichern

Digital

Schenken Sie einen unserer Geschenkgutscheine für ein Digital-Abo.

Jetzt sichern

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden