Von nichts kommt nichts

Bewegung Ein echt feuchter Traum: Im voll automatisierten Luxuskommunismus wird alles von selber gut
Ausgabe 30/2019
Immer schön in Bewegung bleiben. Oder eben auch nicht
Immer schön in Bewegung bleiben. Oder eben auch nicht

Foto: Frederic J. Brown/AFP/Getty Images

Fridays for Future, Ende Gelände, Unteilbar-, Seawatch- und Mietenwahnsinn-Demos. Man muss schon beide Augen fest zumachen, um nicht zu merken: Es bewegt sich was. Menschen bewegen sich, suchen nach Alternativen, bilden solidarische Beziehungen, kämpfen gegen schlechte Arbeitsbedingungen, Verdrängung und gegen den Klimawandel. Doch kämpfen alleine reicht nicht, was wir alle dringend benötigen, sind konkrete Perspektiven, Modelle für eine neue Welt, Utopien, ja, aber auch Wege dahin. Genau da setzt das Buch beziehungsweise „Das Manifest“ von Aaron Bastani an.

Es trägt den catchy Titel Fully Automated Luxury Communism (Komplett automatisierter Luxus-Kommunismus), der in gewissen linken Kreisen in den letzten Jahren schon zum geflügelten Wort geworden ist, zur Zukunftsperspektive auf einen Kommunismus, der sich die allmächtige Technologie zunutze macht und statt Mangel für die meisten Luxus für alle bieten soll. Eine Welt ohne Mangel und Knappheit, eine Post-Scarcity Society, das ist die Vision von Bastani. Sie ist aber nicht in einer fernen Zukunft angesiedelt, sondern beginnt ganz konkret im Hier und Jetzt.

Seine These: Wir befinden uns in der dritten gesellschaftlichen Entwicklungsstufe, in der sich die Welt komplett neu sortiert. Die erste begann vor 12.000 Jahren: Als Menschen das Nomadentum für Ansiedlungen und Landwirtschaft hinter sich ließen, begann eine neue Welt, in der Menschen für morgen planen konnten. Die zweite kam mit der Industriellen Revolution, mit Dampfmaschine und Elektrizität. Diese zweite Phase brachte auch den Kapitalismus, welcher nach Bastani vor allem darauf gründet, dass es einen Mangel gibt, durch den Wert entsteht. Diese Zeit der Knappheit ist nun vorbei, oder wenigstens ihr Ende in Sicht.

Menschliche Arbeit wird durch automatisierte Verfahren ersetzt: ein Schreckensszenario, wenn Monopolisten noch mächtiger werden, aber eine traumhafte Vorstellung, wenn Unternehmen demokratisiert sind und Menschen ihre Zeit endlich sinnvoller nutzen können. Der Klimawandel könnte durch den Einsatz von Solarenergie nicht nur abgewendet werden, Länder des globalen Südens könnten sogar zu Gewinnern dieses Prozesses werden. Ressourcen, die auf der Erde knapp werden, könnten im All gewonnen werden – wenn das demokratisch verwaltet und nicht Menschen wie Jeff Bezos oder Elon Musk überlassen wird. Die Entwicklungen in der Gentechnik würden zur Heilung von Krankheiten wie Alzheimer beitragen – wenn sie nicht in den Händen privatwirtschaftlicher Pharmaunternehmen ist.

Bastani wendet die Science-Fiction-Träume der Silicon-Valley-Gründer auf links. Das liest sich spannend, doch im Gegensatz zu ihnen hat er keinen konkreten Plan, wie die Zukunft verwirklicht werden kann, wie Eigentums-, Macht- und Besitzverhältnisse tatsächlich verändert werden können, wie die Reichen entmachtet und die Entrechteten ermächtigt werden können. So fällt der Teil mit den konkreten Lösungsvorschlägen dann auch ziemlich knapp und vage aus.

Während es den Kämpfen von heute oft an wirklich radikalen Ideen mangelt, blendet Bastanis Manifest die Menschen fast komplett aus, ohne die aber so eine Gesellschaft nicht entstehen kann, und alle Schritte auf dem Weg dahin. Damit hält sich Bastani leider gar nicht erst auf – weshalb sein Fully Automated Luxury Communism ein feuchter Jungstraum über eine technologisch programmierbare Zukunft bleibt.

Info

Fully Automated Luxury Communism A Manifesto Aaron Bastani Verso Books 2019, 288 S., 13,99 £

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