Von oben durchleuchten

Russland Arsenij Roginskij, Präsident der Menschenrechtsorganisation "Internationaler Memorial", über die eigene Geschichte als Maß der Wahrheit
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FREITAG: Wollen die Russen wissen, wer sie zu Sowjetzeiten bespitzelt hat?

ARSENIJ ROGINSKIJ: Das System der Repression hat am wenigsten mit den Agenten oder Spitzeln zu tun. Ich kann mit voller Verantwortung sagen: Ich bin gegen die Lustration im Sinne von Durchleuchtung und Verfolgung und zwar aus politischen und technisch-archivalischen Gründen. In Russland gab es eine große Zahl von Leuten, die mit der Sowjetmacht zusammengearbeitet haben, obwohl es im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung weniger waren als in Deutschland. In den fünfziger Jahren beispielsweise gab es etwa 350.000 Agenten. Anfang der neunziger Jahre haben wir bei Memorial natürlich auch über die Lustration gesprochen und uns gefragt, wie können wir sie durchführen, wenn die F