Von wegen Griechenland

Das eine Prozent Dass Privatbanken heute kein Problem mehr mit griechischen Staatsschulden haben, beschäftigt einen Wallstreet-Berater
Ausgabe 09/2015
Schöner Ausblick: Die neue Zentrale der Europäischen Zentralbank in Frankfurt
Schöner Ausblick: Die neue Zentrale der Europäischen Zentralbank in Frankfurt

Foto: Thomas Lohnes/Getty Images

Selten sind so viele Nebelkerzen geworfen worden wie im Streit um die griechischen Schulden. Wolfgang Schäuble und seine Anhänger betonen, dass sich die Griechen nicht einfach aus der Verantwortung stehlen könnten. Jemand anders hat das längst geschafft: die europäischen Banken, nicht zuletzt die deutschen.

Mike Shedlock, ein Investmentberater beim kalifornischen Vermögensverwalter Sitka Pacific, hat jüngst Zahlen der ÉSEG School of Management in Lille zu den griechischen Außenständen analysiert und mit früheren Angaben verglichen. Er stellte fest: Nahezu alle Verbindlichkeiten sind von den Banken auf die öffentliche Hand übergegangen. Deutschen Banken schuldet der griechische Staat noch rund 181 Millionen Dollar. Griechische Banken haben bei den deutschen Instituten weitere fünf Milliarden Verbindlichkeiten, dazu kommen noch knapp drei Milliarden über Derivate, Garantien und Kreditverpflichtungen.

Dem deutschen Steuerzahler dagegen schuldet Griechenland 41 Milliarden Dollar. Über die griechische Zentralbank kommen noch elf Milliarden Dollar dazu. Gelungen ist die Verschiebung zuungunsten der Allgemeinheit zum Teil, weil die Banken ihre Forderungen abgestoßen haben. Ein großer Teil landete via die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität EFSF beim Steuerzahler. Die EFSF wurde 2010 als privat organisierte europäische Institution gegründet, um Kreditmittel an Mitgliedsländer auszureichen. Die luxemburgische AG wurde schließlich 2013 vom intransparenteren Europäischen Stabilitätsmechanismus abgelöst.

Für die Banken waren die Griechen dank der europäischen Zentralbank bis zur Krise ein sicheres Geschäft: Sie konnten bei ihr Wertpapiere hinterlegen und erhielten dafür Kredit. Die EZB machte nach der Euro-Einführung zunächst keinen Unterschied zwischen den Anleihen Griechenlands, Spaniens oder Deutschlands: Die Banken erhielten ihre Kredite, egal welche Staatspapiere sie als Pfand anboten. Die Folge: Der Markt für Anleihen boomte, denn es gab immer einen sicheren Abnehmer – die EZB. So erhielten vor allem kleine Mitgliedsländer die Möglichkeit, nahezu grenzenlos neue Staatsanleihen ausgeben zu können. Ohne diesen Mechanismus hätte Griechenland kaum derartig hohe Schulden anhäufen können. Wie gut oder miserabel die Kreditwürdigkeit einzelner Länder war, spielte dank der Abnahmegarantie der EZB keine Rolle. Die Banken rissen sich darum, neue Bonds zu zeichnen. Und nutzten die billigen Mittel, um kräftig zu expandieren und selbst wiederum großzügig Kredite auszugeben, was in Südeuropa zu Immobilienblasen und überschuldeten Privathaushalten wie Unternehmen führte. Erst der Zusammenbruch Griechenlands beendete das EZB-Kreditfest.

Heute können Schäuble & Co. Härte zeigen. Denn, so sagt es Wall-Street-Mann Shedlock: „Wenn die Kanzlerin erklärt, Griechenland sei nicht länger eine Bedrohung für den Euro, dann meint sie tatsächlich, Griechenland ist keine Bedrohung mehr für die deutschen Banken.“ Nur noch für deutsche Steuerzahler.

Jens Korte lebt in New York und berichtet vor allem aus dem Epizentrum der Finanzwelt

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