Vor der Entscheidung

THE NEW WAR Steffi Lemke, parlamentarische Geschäftführerin der grünen Bundestagsfraktion, auf dem Weg zur Aussprache mit Bundeskanzler Schröder über den Krieg in Afghanistan und die Lebensdauer der rot-grünen Koalition

FREITAG: In Afghanistan zeichnet sich eine Kriegswende ab. Kabul ist von den Taleban geräumt, die Nordallianz marschiert ein. Hat das Auswirkungen auf Ihre Entscheidung, einem Kriegseinsatz deutscher Soldaten nicht zuzustimmen?
Ich kann die Situation in Afghanistan im Moment überhaupt nicht beurteilen. Ob es dort eine Entspannung gibt, weiß ich nicht. Ich befürchte, dass dies auch in einen Guerillakrieg führen könnte, der keine Verbesserung bringen würde.

Das heißt, sie bleiben bei Ihrem Nein?
Ich halte den Krieg in Afghanistan für falsch. Ich kann darin keine gezielte Bekämpfung der Terroristen vom 11. September und ihrer Hintermänner erkennen. Statt dessen sehe ich, dass der Krieg zu einer Destabilisierung in Pakistan führt, die humanitäre Situation in Afghanistan verschärft, zivile Opfer in großem Ausmaß fordert und eine Solidarisierung mit den Terroristen des 11. September und ihren Hintermännern erzeugt hat.

Der Bundeskanzler will die Vertrauensfrage stellen. Riskieren Sie ein Platzen der rot-grünen Koalition im Bund?
Ich halte es nicht für sinnvoll, die Sachentscheidung über eine Kriegsbeteiligung in Afghanistan mit der Vertauensfrage zu verbinden. Ich halte eine Beteiligung am Krieg für falsch, spreche aber der Bundesregierung das Vertrauen aus.

Sie wollen das trennen?
Der Kanzler könnte zwei Abstimmungen herbeiführen. Er scheint aber beide Sachverhalte verbinden zu wollen. Das halte ich für keine gute Idee.

Und was machen Sie, wenn er es dennoch tut?
Dazu will ich mich jetzt nicht öffentlich äußern.

Angenommen, die rot-grüne Koalition würde scheitern. Woran wäre sie dann gescheitert?
Ich sehe im Moment nicht, dass Rotgrün scheitert. Wir diskutieren, ob eine Beteiligung der Bundeswehr an dem Kriegseinsatz in Afghanistan falsch ist. Und das haben wir im Bundestag in dieser Woche zu entscheiden. Aufgabe von Rotgrün und damit der Bundesregierung ist es, einen zielführenden und angemessenen Beitrag bei der Bekämpfung des Terrorismus zu leisten. Der Krieg in Afghanistan ist das nicht.

Nach Kosovo und Mazedonien ist Afghanistan jetzt die dritte große außenpolitische Hürde für die Grünen. War Ihre Partei schlecht vorbereitet auf das raue internationale Parket?
Auf den 11. September war wohl niemand vorbereitet. Darauf konnte man sich nicht einstellen. Ansonsten sehe ich nicht, dass wir schlecht vorbereitet waren. Ich denke aber auch, dass die Frage der Solidarität mit den Amerikanern auch andere Optionen zulässt, als sich an dem Krieg in Afghanistan zu beteiligen.

Würden die Grünen mehrheitlich so wie Sie argumentieren und abstimmen, wenn Ihre Partei noch in der Opposition wäre?
Ich glaube, das hat nichts mit Opposition zu tun, da ja sehr deutlich ist, dass die Partei und große Teile der Gesellschaft, aber auch große Teile der Fraktion eine Beteiligung an diesem Krieg in Afghanistan nicht für richtig halten.

Große Teile der Fraktion?
Ja. Auch Kollegen, die erklärt haben, sie werden dem Antrag der Bundesregierung zustimmen, begründen das nicht unbedingt damit, dass sie die Beteiligung am Krieg in Afghanistan sinnvoll finden. Das heißt, die Beurteilung dieses Kriegseinsatzes wird in weiten Teilen viel kritischer beurteilt, als acht Bundestagsabgeordnete der Fraktion dies mit ihrer Ablehnung nach außen deutlich machen.

Das Gespräch führte Torsten Wöhlert

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