Gern hätte ich diesen Text auf Klopapier geschrieben, aber es gab keins. Okay, zugegeben, ein bisschen platt der Einstieg. Außerdem sind tatsächlich alle Klopapierwitze schon gemacht. Dabei will ich ja auch auf etwas anderes hinaus. Letztens stand sinngemäß in einer Zeitung, Klopapier habe es sogar in der DDR immer gegeben. Mein zartes Hinterteil verfügt über ein ausgesprochen gutes Langzeitgedächtnis und widersprach umgehend. Nur zu gut konnte es sich an die Zeitungsabschnitte erinnern, die in unserem Gartenklo hingen, aufgespießt auf einen Nagel und nicht als Lektüre gedacht. Es hatte tatsächlich etwas Entwürdigendes, ohne ins Detail gehen zu wollen. Obwohl, rein inhaltlich gesehen hatten viele Seiten der DDR-Zeitungen tatsächlich nichts Besseres verdient.
Nachdem die einschlägige Quelle einmal angebohrt war, kamen noch mehr fäkale Erinnerungen ins Bewusstsein. Wenn mich nicht alles täuscht, gab es sogar in der DDR verschiedene Qualitäten Klopapier, grau waren sie natürlich alle, das versteht sich. Es gab eine etwas weichere, sehr dünne Version, eine leicht rötliche und eine brettharte, die nicht viel besser war als das ND. Weil Erinnerungen ja prinzipiell täuschen und Recherche zu meinem Job gehört, wollte ich es dann doch noch mal genauer wissen. Gibt es nicht letztlich alles auf Ebay, vielleicht auch noch einschlägige Altbestände?
Ich wurde nicht enttäuscht. Vier graue Rollen „der harten Art“ wurden für 15 Euro angeboten. Eine andere Offerte stammte ursprünglich aus dem VEB Papierfabrik Heiligenstadt im Kombinat Zellstoff und Papier Heidenau, so viel Zeit muss sein. Eingestellt für sechs! Euro das Stück. Als Kultartikel, gern auch bunt umhäkelt für die Hutablage des Trabi, wurde das DDR-Klopapier angepriesen. Auf der Banderole, die die Rolle umhüllte, stand in blassblauer Schrift: farbig geprägt. Da war sie also, die grau-rosa Varietät aus meinem Klopapiergedächtnis. Wie in der DDR üblich, war auch der Preis abgedruckt, EVP -,50 M. Das war keine unverbindliche Preisempfehlung, sondern der allgemeingültige Einzelhandelsverkaufspreis. Ein Wertartikel war Klopapier also schon damals, bedenkt man den Stundenlohn von drei Mark, den ich als Erntehelferin im Studentensommer verdient habe. Zehn Brötchen oder eine Rolle Klopapier, das kam preislich aufs Gleiche hinaus. Aber wie heute, keine Nudeln ohne Klopapier, ging eben eins nicht ohne das andere.
Hinabgetaucht in meine untrügliche Klopapiererinnerung, sah ich plötzlich noch ein anderes Detail bildlich vor mir: Buchstaben, manchmal halbe Wortfetzen. Die DDR war vorbildlich im Recycling, nur manchmal gingen ihr die Kräfte aus und sie blieb auf halber Strecke stehen. Zurück blieben die Buchstaben, aus dem Zusammenhang gerissen und einsam. Heute wäre das konkrete Poesie oder ein Readymade oder beides.
Als Kind jedenfalls fand ich es aufregend, wenn ich dergestalt wieder etwas gefunden hatte. Ich spürte natürlich sofort, das gehörte da nicht hin, und gerade das machte seinen Reiz aus. Manchmal tanzten die Buchstaben nachgerade auf der Klorolle, etwas schräg und subversiv.
Liebe Klopapierhersteller, wenn ihr mit der Produktion nicht nachkommt, macht es doch genauso und nehmt das Recycling nicht zu genau. Die Kinder hätten in schulfreier Zeit jedenfalls auf alle Fälle Spaß und etwas zum Lesenüben. Ich stelle mir vor, was die Corona-Zeitung wohl für Wortreste hinterlassen würde: viel Co auf alle Fälle, und das lässt sich gut ergänzen. Da fällt mir als Erstes ein: Courage. Und die DDR hätte am Ende doch noch mehr eingebracht in die deutsche Einheit als das Ampelmännchen. Auch die Gewissheit: Vor dem Klopapier sind wir alle gleich.
Kommentare 11
Köstlicher Artikel! Man sollte vielleicht noch erwähnen, dass die abgebildete Rolle der absolute Luxus war und nur in Interhotels und noblen Gaststätten zum Einsatz kam. Für das Volk gab es auch die preisgünstigere "harte" Variante ohne Papprollenkern, die an Krepppapier erinnerte, für - nach meiner Erinnerung - 10 Pfennig EVP pro Stück. Und genau bei dem konnte man dann auch oft noch Buchstaben entdecken. Bei der Betrachtung solcher konnte man dann über die Rolle der Bedeutung und die Bedeutung der Rolle nachsinnen...
Unsere Verwandten in Thüringen hatten natürlich auch dieses grobe Toilettenpapier. Das tat meinem Po nicht so gut. Aber der Recyclinggedanke gefiel mir gut in der DDR.
Ich schlage vor auf diese Art die "Studien" der Bertelsmann-Stiftung zum Abbau der Kliniken zu recyclen. Außerdem hätte die BILD-Zeitung damit auch mal eine Daseinsberechtigung...
Wir haben alle nur noch verzärtelte Wohlstands-Hintern..
>>Außerdem hätte die BILD-Zeitung damit auch mal eine Daseinsberechtigung...<<
Ja, das stimmt: Die BLÖD-"Zeitung ist eh für den Arsch.
Ich musste gerade daran denken, wie ich 1975 über manche Onkels und Tanten dachte, die nicht aufhören konnten, von fümmunfürrzich (1945) zu reden.
Dann kam neun-zisch die Kohlpapierrolle rückwärts: Wir sind ein kloV! Einig Scheißerland!
Ich weiß ja nicht, was Frau Schröder zu diesem merkwürdigen Artikel bewegt hat - außer, dass es auf Grund von Hamsterkäufen flächendeckend kein Toilettenpapier gibt. Mit der DDR hat dieer Zustand so gar nichts zu tun.
Der heutige Vergleich zur DDR hinkt gewaltig und, wenn die Autorin lange genug in der DDR gelebt hat, müsste ihr das auch bewusst sein. Dass es in der DDR bestimmte Waren nicht und/oder nicht genügend gab, so lag das vor allem an Material- und Produktionsengpässen, und diese waren nicht nur durch das Unvermögen damaliger Partei- und Staatsfunktionäre bedingt. So mancher geschichtsbewusste Mensch wird sich erinnern, dass die damals beiden deutschen Staaten nach ihrer Gründung sehr unterschiedliche Startbedingungen hatten. Während die DDR den Großteil an Reparationen an die damalige Sowjetunion stemmte, wurde die damalige BRD von den westlichen Siegermächten gehätschelt und getätschelt. Bereits zu Beginn der 1950er Jahre war Schluss mit den mageren Reparationsleistungen.
Für so ein stinkreiches und vollgefressenes Land wie Deutschland ist es doch blamabel, dass man tage- und wochenlang leere Regale vorfindet - im Übrigen nicht nur bei Toilettenpapier und Nudeln. Vielleicht kann sich die Autorin das nächste Mal intensiv mit diesem Thema und mit dem Kaufverhalten der Menschen hierzulande beschäftigen.
Ein weiterer Vorschlag für die journalistische Auseinandersetzung wäre das Versagen der Regierungen auf Bundes- und Landesebene auf gesundheitspolitischem Gebiet seit der SARS-Epedemie 2004. Wie kann es sein, dass aus dieser Epedemie keine Lehren gezogen wurden, geschweige denn entsprechende Vorsorge bei Schutzkleidung, Atemmasken usw. getroffen wurde? Und das, obwohl seit der Pandemie-Simulation des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe im Jahr 2012 bestens bekannt ist, was an einer an SARS angelehnten Pandemie zu tun ist. Es war alles nur eine Frage der Zeit, wann die nächste Epedemie / Pandemie zum Tragen kommt.
:-)
Frank-Uwe Albrecht,
selten wird selbst beim Klopapier Geschichte wachgerufen. Es ist sehr wichtig auf die Zeit um 1945 hinzuweisen.
Die Hinweise aber, was heute gemacht werden müsste, schmerzen. Politisch ist das nicht zu lösen und noch mehr Vorsorge; es schmerzt.
1945 wurde eine grundlegende Bodenreform versäumt. Da wog der Stalin dann doch schwerer als der Ruf „nie wieder Faschismus“
endederrevolutionen.de
"Zehn Brötchen oder eine Rolle Klopapier, das kam preislich aufs Gleiche hinaus."
Das lag wohl daran, dass Brot, und wohl auch Brötchen, massiv subventioniert wurden. Wie notwendig oder sinnvoll das war, mögen andere beurteilen, es hatte jedenfalls eigentümliche Nebenwirkungen. Ich habe in den 80ern bei einem Ausflug an die Oder einen Bauern getroffen, der (wohl frische) Brote massenweise an die Schweine verfüttert hat, weil die Brote billiger waren als das ihm zur Verfügung stehende Schweinefutter.
In einer Post-DDR-Folge des "Polizeiruf" gibt ein Handwerker seinem Kollegen das Rätsel auf, warum das DDR-Klopapier so rau gewesen sei. Antwort: "damit auch der letzte Arsch rot wird".