Vorne ohne

Medien Schafft „Bild“-Reichelt den Sexismus im Blatt ab?
Ausgabe 11/2018
Spoiler: Zuviel sollte man von „Bild“ nicht erwarten
Spoiler: Zuviel sollte man von „Bild“ nicht erwarten

Foto: Imago

Anfang der Woche gab Bild bekannt, dass es ab sofort keine nackten Bild-Girls mehr geben wird. Seit fast vier Jahren kämpfen wir mit der Kampagne StopBildSexism gegen den Sexismus in der Zeitung an. Wir scannen täglich die Berichterstattung und haben zwei Studien zu ihrer Text- und Bildsprache veröffentlicht. Haben wir also gewonnen und den Sexismus aus Bild verdrängt?

Allein die Überschrift „Männer, ihr müsst jetzt ganz stark sein!“ lässt kaum darauf schließen. Nur weil die Frauen jetzt Unterwäsche tragen, ändert sich nichts an der sexistischen Darstellung der Geschlechter. Seit Tanit Koch Bild verlassen hat und Julian Reichelt alleiniger Chefredakteur für Print und Digitales ist, ist der Wind eher noch schärfer geworden: Neben der Einschleusung eines Hundes in die SPD und #miomio-gate fiel zuletzt auch die sexistische Berichterstattung über Olympia auf.

Sexismus, kombiniert mit einer Prise rechtskonservativer Polemik: So fährt Julian Reichelt auch seinen Kampagnenjournalismus, wie zuletzt etwa die klare Falschbehauptung gegen eine Broschüre über sexuelle Vielfalt für frühkindliche Inklusionspädagogik. Ein Aufklärungsheft, das Pädagoginnen und Pädagogen für trans*- und homosexuelle Menschen sensibilisieren soll, wird zu einer „Sexbroschüre“, die „unsere Kinder“ verdirbt. „Frühsexualisierung von Kindern“ hört man sonst eher aus der AfD-Ecke, und sie beginnt für Bild offensichtlich, wenn Kinder lernen, dass es nicht nur heterosexuelle Beziehungen gibt. Reichelt wird es aber kaum um die Kinder gehen, hat die Sexualisierung von Minderjährigen bei Bild doch Tradition. So stand über einem Foto der damals 16-jährigen Anna Ermakova: „Boris’ Kleine auf der Überholspur. Bum-Bum-Baby, wie groß du geworden bist!“

Sexismus hat immer mit Macht zu tun. Und bei Springer zählen nach wie vor Macht, Kontrolle und Hierarchien. Der Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner fand zu Kochs Abgang klare Worte: „Die Verantwortungskonstellation in der Chefredaktion war zwar gut gemeint, hat aber in der Praxis nicht funktioniert, diese Aufstellung passt nicht zu Bild.“ Die Zeitung brauchte einen Anführer, der mit Reichelt gefunden wurde. Der Ex-Kriegsreporter soll im Büro ein Feldbett und eine alte US-Flagge haben, sein Team, heißt es, begrüße ihren „Commander“ mit „Good Morning, Sir“. Alles sehr befremdlich, doch passt die Aufstellung, wie Döpfner es nennt, ziemlich gut zu Bild.

Dazu gehört auch, dass Reichelt sich als unfehlbaren Journalisten sieht, kaum Fehler zugibt. Die Scheinheiligkeit vom #miomiogate erinnert an den erfundenen „Sex-Mob“ in Frankfurt. Bild hatte die Geschichte auch damals dankbar übernommen, sie ebenso ohne Überprüfung verbreitet und somit rechte Hetze legitimiert.

Und so ist kaum zu erwarten, dass es einen internen Wandel geben wird. Die Abschaffung der nackten Bild-Girls basiert sicherlich nicht auf einem neu gewonnenen Verständnis für Feminismus. Bild wird davon abgesehen weiterhin nackte Frauen drucken und sie objektifizieren, sei es das Paparazzifoto einer Schauspielerin oder die Bewertung des Äußeren von Olympionikinnen. Jedoch zeigt das angezogene Bild-Girl, dass öffentlicher Druck etwas bewegen kann. Durch die Diskussionen rund um #metoo wird es schwieriger, Frauen offen ohne Konsequenzen in den Medien zu degradieren und den gesellschaftlichen Wandlungsprozess zu ignorieren. Auch wenn Bild und ihr Chef Julian Reichelt erst einmal weiter ihren Kurs verfolgen werden: Männer die Macher, Frauen die Objekte.

Britta Häfemeier ist Redaktionsleiterin von Gender Equality Media e.V.

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