Der globale wirtschaftliche Stillstand, den der Corona-Virus ausgelöst hat, droht zu einer ökonomischen Krise zu werden, die das Wirtschaftswachstum längerfristig unterbricht. Um dies zu verhindern, sind inzwischen viele Staaten mit historisch beispiellosen Hilfsprogrammen eingesprungen. Diese werden allgemein begrüßt, weil sonst unmittelbar Firmenzusammenbrüche und Massenarbeitslosigkeit drohen. Denn letztlich scheint allen klar: Die Wirtschaft muss so schnell wie möglich wieder wachsen.
Diskussionen um Postwachstum und Degrowth sind Schönwetterdiskussionen, die bei einem aufziehenden Sturm in ihre Nische verdrängt werden. Das dominierende Thema ist die Frage: Wie kann die Wirtschaft wieder in Schwung gebracht werden? Mehr als ein oder zwei Jahre Schrumpfung bekommt den heute existierenden Wirtschaften nämlich nicht gut. Es drohen ernsthafte Probleme wie zur Zeit der großen Depression zu Beginn der 1930er Jahre. Und weil die Wirtschaft inzwischen stark globalisiert ist, kommt es schnell auch zu Engpässen bei der Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern, da die weltumspannenden Wertschöpfungsketten unterbrochen werden.
Post-Wachstum: Eine Schönwetterdiskussion?
Woher kommt diese Wachstumsabhängigkeit der kapitalistischen Wirtschaft, in der wir seit der industriellen Revolution zu Beginn des 19. Jahrhunderts leben? In der momentanen Situation ist das leicht zu erkennen. Unternehmen müssen genügend Einnahmen haben, um ihre Arbeitskosten, sowie die Kosten für Vorleistungen und Investitionen zu decken. Sie müssen längerfristig mehr Geld verdienen als ihnen auf der anderen Seite Kosten anfallen. Die Betonung liegt hier auf „müssen“, denn übersteigen die Kosten längerfristig die Einnahmen, dann geht ein Unternehmen bankrott. Zwar gehen auch in einer gut funktionierenden Wirtschaft Unternehmen bankrott, aber das darf keine Mehrheit sein. Damit die Mehrheit der Unternehmen auf Dauer erfolgreich wirtschaften kann, d.h. für den gesamten Unternehmenssektor die Einnahmen die Kosten übersteigen, braucht es Wirtschaftswachstum.
Unter normalen Bedingungen ist in einer kapitalistischen Wirtschaft stets ein Anreiz zum Wachstum gegeben. Unternehmen wollen aus eigenem Interesse möglichst hohe Gewinne erzielen und wirtschaftlich erfolgreich sein. Denn tun sie das nicht, dann werden sie bald durch Konkurrenten vom Markt verdrängt. Diesen nie ruhenden Konkurrenzdruck hat schon Marx als „Zwangsgesetz der Konkurrenz“ beschrieben. Also versuchen Unternehmen permanent innovativ zu sein und mit Investitionen ihre Produkte und Produktionsvorgänge zu verbessern, um so gegenüber ihren Konkurrenten einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Die stetige Realisierung von weiteren Investitionsprojekten ist wiederum möglich, weil Banken über Kredite zusätzliches Geld schaffen können, um diese Projekte zu finanzieren.
Durch den permanenten Drang zu weiteren Investitionen ergibt sich gleichzeitig das Wirtschaftswachstum. Das zufließende Geld erhöht einerseits die Einkommen in der Wirtschaft, und führt andererseits zu einer Mehrproduktion von Gütern und Dienstleistungen. Das höhere Einkommen trifft dann auf ein größeres Angebot an Gütern und Dienstleistungen. Geldschöpfung, reales Wachstum und Gewinne sind in einer Geldwirtschaft eng aneinandergekoppelt. Es braucht längerfristig sowohl ein Wachstum der Geldmenge als auch des realen Outputs, damit die Unternehmen insgesamt reale Gewinne erzielen können. Und solange dies der Fall ist, funktioniert die kapitalistische Wirtschaft.
Staatshilfen? Her damit!
Gerät dieser Prozess hingegen ins Stocken, dann werden aus Gewinnen schnell Verluste. Machen Unternehmen aber längere Zeit Verluste, dann müssen sie ihre Tore schließen und Konkurs anmelden. Dadurch steigt die Arbeitslosigkeit und es kommt zu einem Nachfragerückgang bei anderen Unternehmen, die bisher Investitionsgüter oder Zwischenprodukte an die jetzt in Konkurs gegangenen Unternehmen geliefert haben. Diese Unternehmen geraten dann ebenfalls in Schwierigkeiten, genauso wie Hersteller von Konsumgütern, weil aufgrund der steigenden Arbeitslosigkeit und der geringeren Einkommen auch der Konsum zurückgeht. Der Anteil der Unternehmen, welche Verluste machen, erhöht sich so immer weiter, und die Zahl der Konkurse steigt an. Die Krise spitzt sich zu, da die ganze Wirtschaft in eine Abwärtsspirale gerät.
Es gibt in einer kapitalistischen Wirtschaft nur die Alternativen „wachsen“ oder „schrumpfen“. Anders formuliert: Es gibt nur Growth oder Degrowth. Was sich hingegen nicht aufrechterhalten lässt, ist eine stationäre Wirtschaft, die auf einem bestimmten Niveau stagniert. Wird die Wirtschaft von einem exogenen Schock wie dem Coronavirus getroffen, dann geht es de facto darum, dass die Wachstumsunterbrechung so kurz wie möglich bleibt. Man möchte unter keinen Umständen in die Abwärtsspirale geraten, die als drohende Wolke über jeder Unterbrechung des Wachstums schwebt.
Welche Lehren können wir aus der gegenwärtigen Situation ziehen? Es zeigt sich einmal mehr, wie schnell und flexibel heutige Wirtschaften reagieren, wenn es darum geht, eine Wachstumsunterbrechung zu beseitigen. Plötzlich ist auch der Staat hochwillkommen und die sonst gegenüber Staatsinterventionen gepflegten Ressentiments lösen sich in Luft auf. Auch das kennen wir bereits aus früheren Wirtschaftskrisen. Die gegenwärtig anlaufenden Hilfsprogramme dürften allerdings neue Rekordwerte erreichen. Der Staat ist definitiv zum „Spender of Last Resort“ geworden, der im Notfall einspringen muss.
In Krisensituationen wird der von liberalen Ideen getragene Kapitalismus schnell durch einen temporären Staatskapitalismus ersetzt. Die dabei ergriffenen Maßnahmen können weit über das hinausgehen, was traditionell unter Keynesianischer Wirtschaftspolitik verstanden wurde. Der Staat gibt nicht einfach nur mehr Geld aus, sondern er garantiert mit Hilfskrediten und Bürgschaften die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit vieler Unternehmen: Koste es, was es wolle.
Wachstum ist systemrelevant
Eine kapitalistische Wirtschaft braucht das Vertrauen, dass das Wachstum langfristig weitergeht. Dieses Vertrauen kann nur aufrechterhalten werden, wenn auch eine implizite Wachstumsgarantie des Staates existiert: Man muss sicher sein, dass dieser notfalls einspringt und das Wachstum rettet. Denn Wachstum ist systemrelevant.
Wenige sind deshalb begeistert über die derzeitige unfreiwillige Degrowth-Phase, welche uns das Coronavirus beschert hat. Das sehen selbst Wachstumskritiker so, etwa Verfechter eines Post-Wachstums-Ansatzes. Man möchte zwar vom Wachstumszwang wegkommen, aber nicht durch eine Krise. Gewünscht ist vielmehr ein geordneter Rückzug, der auch mit einer gesellschaftlichen Transformation einhergehen soll. Entscheidend für eine Veränderung des Wirtschaftssystems in Richtung Siuffizienz sei, so steht es in einem gerade publizierten Beitrag von Maike Gossen und Florence Ziesemer, das freiwillige und selbstbestimmte Maßhalten. Und gerade diese Selbstbestimmtheit fehle in der gegenwärtigen Krise. Das stimmt natürlich. Nur fehlt sie leider auch in normalen wirtschaftlichen Zeiten. Denn wenn sich selbstbestimmtes Maßhalten immer mehr ausbreiten würde, wäre das bald systemgefährdend. Also wird alles dafür getan, dass selbstbestimmtes Maßhalten nicht zu einem Massenphänomen wird.
Wird nach der Corona-Krise somit alles weiterlaufen wie bisher? Der ausgesetzte Konsum und das suspendierte Wachstums einfach nachgeholt werden? Die Antwort ist zum größten Teil: Ja! Wir werden nachher etwas digitalisierter unterwegs sein, und Home Office wird sich weiter verbreiten. Aber wir werden nachher nicht in einer grundlegend anderen Wirtschaft leben. Und ob die Krise auch einen Schub in Richtung der längerfristig angestrebten CO2-Neutralität auslösen wird, muss sich erst noch weisen.
Ein Dämpfer für die Globalisierungseuphorie
Etwas lässt sich aber doch feststellen: die Globalisierungseuphorie hat einen Dämpfer erhalten. Begriffe wie Versorgungssicherheit gewinnen wieder an Bedeutung. Denn in Krisensituationen merkt man, dass eine gewisse Robustheit der Wirtschaft überlebenswichtig sein kann. Dabei geht es um die Versorgung mit Lebensmitteln und den Erhalt einer Landwirtschaft, die ein lokales Angebot an Grundnahrungsmitteln aufrechterhalten kann. Doch es braucht auch medizinische Grundstoffe, die plötzlich knapp zu werden drohen. Es ist wichtig, dass grundlegende Dinge wie Nahrungsmittelversorgung, Gesundheitsversorgung oder Energieversorgung auch in Krisensituationen weiterhin funktionieren. Je globalisierter aber Wertschöpfungsketten organisiert sind, umso größer wird das Risiko eines Ausfalls. Nur wenn wir neben der globalisierten Wirtschaft auch funktionierende lokale Wirtschaftsbereiche erhalten, können wir Krisen längere Zeit aushalten. Das dient letztlich auch der Nachhaltigkeit.
Kommentare 14
die imperialisten benötigen weder peitsche noch drohungen:
die medial-dargebotene sicht auf die welt
reicht aus für massen-haftes bibbern und zähne-klappern,
steigert die bereitschaft zur kollaboration
unter risiko-erhöhten bedingungen.
odr?
"Denn in Krisensituationen merkt man, dass eine gewisse Robustheit der Wirtschaft überlebenswichtig sein kann. Dabei geht es um die Versorgung mit Lebensmitteln und den Erhalt einer Landwirtschaft, die ein lokales Angebot an Grundnahrungsmitteln aufrechterhalten kann."
Ich denke da stimmt dem Autor jeder zu.
Aber sehen wir uns die Sache mal genauer an.
In der Landwirtschaft fehlen laut Pressemeldungen rund 300.000 Niedriglöhner aus Osteuropa.
Man braucht diese Arbeitskräfte nicht für die Grundversorgung mit Kohlenhydraten. Weizen, Mais, Kartoffeln werden nahezu komplett maschinell geerntet und verarbeitet. Das gleiche gilt für Milch.
Die fehlenden Arbeitskräfte benötigt man zum Anbau und zur Ernte von Spargel, Gurken oder Beeren. Außerdem natürlich in Fleisch produzierenden und verarbeitenden Betrieben. Dank vieler Jahrzehnte Gewinnorientiertem Wirtschaftens, produzieren wenige Bauern gewaltige Überschüsse. Wie üblich, sehe ich auch heute bei meinem Bäcker einen Bauern, der das Gebäck vom Vortag für seine Schweine abholt.
Engpässe wird es wahrscheinlich eher in unseren Nachbarländern geben, wo gerade in Osteuropa Deutsche Einzelhandelskonzerne dominieren und auch deutsche Produkte verkaufen. Dort Leben eben auch die Arbeiter*innen, die nun in Deutschland auf dem Acker stehen würden.
Das sind z.B. Roma aus Rumänien oder Bulgarien, die sich bei uns im wahrsten Sinne des Wortes ausbeuten lassen, dies aber nicht einmal so empfinden, da sie im eigenen Land unter noch schlimmeren Umständen leben. Diese Gruppen werden - wie zuvor - die großen Verlierer der aktuellen Situtation sein.
Das vom Autor am Ende beschrieben Problem, das Aufrechterhalten einer Grundversorgung, wird uns wahrscheinlich nicht betreffen. Sehr wohl aber den ärmeren Teil Europas.
Nun gibt es noch eine weitere Frage die ich mir beim Thema "Postwachstum" stelle:
Passiert dies in Deutschland auf lokaler Ebene nicht schon?
Ich kenne viele ländliche Gegenden in Bayern, genauso wie in Thüringen, wo innerhalb eines größeren Radius kaum Industrie vorhanden ist und sich zu einem erheblichen Teil kleinständige Familienbetriebe durch die Jahre schleppen.
Nun sind das genau die Regionen, die man in der öffentlichen Meinung zu den Verlierern zählt, wo die jungen Menschen versuchen wegzukommen, um in der Stadt zu studieren und dort dann meist auch bleiben.
z.B. in Städten wie Stuttgart, Ingolstadt, Erlangen oder Neckarsulm.
Da wo die Konzerne sind.
Wo der größte Teil unseres BIP produziert wird. Wo auch die größten Beiträge in unser an den Arbeitslohn gekoppeltes Sozialsystem einbezahlt werden.
Die Konzerne dort stocken aktuell sogar das Kurzarbeitergeld auf den Netto-Lohn auf. Einfach weil sies können. Die brauchen auch keine Angst haben Pleite zu gehen. Der Staat wird sie auf jeden Fall retten.
VW produziert Beatmungsgeräte. Besser hätte es keine Planwirtschaft des letzten Jahrhunderts hinbekommen.
Und die Menschen dort haben teilweise auch echt interessante Berufe, arbeiten an Technologien für die Zukunft. Natürlich gehts auch um Profit. Es gibt auch um Absatz. In hoher Frequenz. Aber eben nicht nur.
Diese Menschen sehen auch den Sinn in lokalen Wirtschaftskreisläufen. Kaufen in Bioläden ein und geben für lokale Lebensmittel soviel Geld aus, wie ein Rumänischer Spargelstecher in 2 Monaten hier in Deutschland verdient.
Und Ende dieses langen Ergusses frag ich mich, wie man den Ingeneur*in bei Bosch dazu bringen kann auf dem Acker mitzuhelfen.
PS: Den Spagat, seinen üppgen Arbeitslohn bei einem global Mensch und Natur ausbeutenden Unternehmen zu verdienen, und zur gleichen Zeit Werte wie Ökologie und Gemeinwohl für sich auf die Stirn zu schreiben, ja, sogar seine ganze Existenz um diesen Widerspruch zu stricken, bekommen Teile unserer Gesellschaft seit langer Zeit ganz gut hin.
Nee, die Bauern sind nicht "Böse". Die haben nur lange gemacht was man ihnen sagte. Haben ja auch Subventionen dafür bekommen.
Eher noch die Lebensmittelkonzerne, die eine entsprechende Produktion verlangen.
Wenn man in der Schule lernt Monokulturen anzubauen und in der Folge Gift zu spritzen, dann macht man das halt.
Und selbst wenn man sie enteignet bleibt die Frage, wer die Arbeit macht.
vom bolschewistischen, kriegswirtschaftlichen enteignungs-denken,
der zwangs-einziehung von getreide, scheinen Sie ja besessen zu sein.
na dann: hungersnot voraus!
Ja, man muss sich vom manipulierten Denken befreien. Man muss sich aber auch vom Denken in Schubladen befreien.
Ich kenn Bauern die haben 20 Kühe und ein paar Hühner im Nebenerwerb. Stehen Morgens um 5 im Stall und gehen dann noch 8 Stunden in die Arbeit.
Die willst du enteignen? What?
Dann gibts Bauern mit 1000 Kühen, da würde ich auch die Eigentumsfrage stellen. Natürlich müsste man das auf demokratischem Wege tun und sich dann eben schon überlegen, wer die vergesselschafteten Flächen bewirtschaftet.
Dann müssten wir uns als Gesellschaft überlegen ob wir nicht besser weniger Fleisch essen und auf den ganzen Quatsch und Schnick Schnack verzichten. Dafür selbstbestimmter arbeiten. Ich bin dafür, suche auch ständig nach Verbündeten. Schwierig in einer kapitalistischen Metropole. Da geht man zu Manufactum und trainiert seine Achtsamkeit beim Yoga in der Mittagspause.
Dazu kommt: Es gibt zwar Bauern, die boden- und gewässerschonend produzieren, aber den Hauptanteil der Agrarsubventionen greifen industriell produzierende Grossagrarbetriebe per Lobbyismus ab. „Bio“-Bauern, zum Beispiel nach Bioland-zertifizierter Bodenentgiftung können deswegen nur für eine gutbetuchte Minderheit produzieren.
>>Und selbst wenn man sie enteignet bleibt die Frage, wer die Arbeit macht.<<
Und wie wir die Arbeit bezahlen sollen, wenn uns doch schon lange die Armut aus allen Knopflöchern grinst. Das Gleiche in der Altenpflege.
>>Man braucht diese Arbeitskräfte nicht für die Grundversorgung mit Kohlenhydraten.<<
Ohne den wieder mal vielerwähnten Spargel geht es natürlich. Aber ein Verzicht auf alle Gemüse- Salat- & Obstsorten wäre problematisch.
Eine rein kohlenhydratbasiert sättigende Mangelernährung ist zwar möglich. Allerdings ist dann auch mit entsprechenden Mangelerscheinungen zu rechnen, zum Beispiel einem schwachen Immunsystem. Menschen sind sogenannte „Allesfresser“ und sollten sich per entsprechend vielseitiger Kost mit allen für die Gesunderhaltung nötigen Nährstoffen versorgen können. Das sind neben Kohlenhydraten, Proteinen und Fett auch diverse Vitamine und Mineralien. Und für eine gesunde Darmfunktion sind auch die sogenannten „Ballaststoffe“ nötig.
Die Frage ist doch eher warum Gemüse- und Salatpflanzungen und -Ernten nicht ohne Armutsarbeit möglich sein sollen.
Gut gebrüllt, als perpetuierter Blick in irgendeine ferne Zukunft. Bloss niemals fragen wie wir Wege dorthin finden können.
"Im normalzustand werden unwirtschaftliche Unternehmen bald durch Konkurrenten vom Markt verdrängt".
-> Klar, in der Theorie. In der Praxis bilden sich langfristig auch gern Oligopole, ohne echte Konkurrenz und mit Wucherpreisen. Zeige mir einen "gesunden" Markt und ich zeige dir Zehn kaputte.
"Man möchte zwar vom Wachstumszwang wegkommen, aber nicht durch eine Krise. Gewünscht ist vielmehr ein geordneter Rückzug".
-> Und wie bitte soll das gehen? Bei uns werden die Bürger doch in den Universitäten auf das ewige Wachstum eingeschworen. So etwas wie Postwachstum rangiert dort unter Science Fiction.
In der Krise dagegen ist der Michel mal kurz wach und merkt in was für einem System er eigentlich lebt. Jetzt bietet sich eine Chance was am Wachstums-Wahn zu verändern.
"Je globalisierter aber Wertschöpfungsketten organisiert sind, umso größer wird das Risiko eines Ausfalls."
-> Klar, Globalisierung macht in erster Linie ja auch nur durch Ausbeutung von Regionen Sinn, wo es niedrigere "Lohnkosten" oder kaum Steuern gibt. Keiner produziert in Asien weil dadurch die Produkte besser werden. Vom Resourcenverbrauch und Umweltschäden durch den globalen Transport will ich gar nicht anfangen.
>>In der Krise dagegen ist der Michel mal kurz wach und merkt in was für einem System er eigentlich lebt...<<
...und hofft, dass irgend jemand schon für das Gemeinwohl günstige Schlüsse daraus ziehen und umsetzen werde.
Wie sagte schon der "dumme" Albert Einstein: Man kann Probleme niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.
Mehr sage und schreibe auch ich nicht dazu.
System weiterentwickeln -> Wertemarktwirtschaft -> Problem behoben
https://www.freitag.de/autoren/aherteux/zeit-fuer-den-wertekapitalismus
Ehemaliger Nutzer und Gsyme haben sehr treffend auf Indizien im Raum stehenden und doch stets umschifften Elefanten verwiesen.
Der Autor hingegen beantwortete nicht nur seine eigene rhetorische Frage, ob die Krise eine Chance bietet anscheinend nicht, sondern auch in grammatikalisch ins Leere gehender Weise.
Denn unter gegebenen Umständen eingleisiger Autokratie kann es nicht heißen, ob sich Chance „biete“, sondern, ob sie sich „böte“, … eben … „wenn“.
Schade; denn ein Umreißen des „Wenn“ und somit Analysieren soziokönomischer Dissozialität / Kontraproduktivität und Insuffizienz: Das wäre der Irrationalität auf den Zahn gefühlt.
Doch Aneignung von Wert aus Arbeit -> pekuniärer Akkumulation / Preistreiberei -> Kartellwesen / Monopolismus, und von dort zu Finanz-Wirtschaftsmacht -> Korruption -> Spezi-Zuschneiderei und Exklusion von Kohärenz wird an wirtschafts“wissenschaftlichen“ Fakultäten ebenso wenig einbezogen wie Sozialität, Ethik und ökonomische Stringenz.
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Daher gut gemeint und ambitioniert, Herr Binswanger, doch zu lückenhaft, inselperspektivisch / partial, um als ganzheitliche Reflektion Übersicht oder gar potentielle Perspektive aufzubieten.
Und das eben braucht es.
Alles darunter ist leidig sinnbefreites Ping-Pong-Spiel auf dem Flug ins Nirvana. (Ähnlich blödsinniger Erwägungen zu ‚einem anderen‘ Kapitalismus, wie sie nur auf einer Ebene erfolgen kann, die darauf dressiert ist, nicht zu verstehen, was Kapitalismus ist / wie artgerecht und nachhaltig Dissozialität vertikaler Ausbeutung einer sozialen Spezies wohl zuzukommen vermag.
Quasi, als ob sich in Gleichung der Relativitätstherie übend, während man Algebra für einen Korbblütler aus Madagaskar hielte.
Der Standard gelehrter WW ist hermetisch isoliertes Konstrukt. Ökonomische Alchemie.
Praktikabilität, also unter Einbezug realistischer Funktionalität und nicht zuletzt des Lebensraums, Ressourcen und des Menschen, bleibt unberührt solange man sich aus selektiv-entkoppelndem, gelehrtem Konstrukt gemeinhin dissozialer Akademie nicht befreit.)
… Es sei denn, man ist bei systemischen Talenten wie Prof. Senf eingeschrieben gewesen, was sich jedoch bei medial zu vernehmenden Stimmen leider kaum jemals ereignet zu haben scheint.