Waffen auf dem Couchtisch

Ausstellung Die Frankfurter Schirn erinnert mit der Ausstellung "Ende schön, alles schön" an einen vergessenen Radikalen: den 1970 verstorbenen Maler Uwe Lausen

Selbst Kunstinteressierten ist Uwe Lausen kein Begriff mehr. Das ist angesichts des Werks, das der Autodidakt binnen weniger Jahren geschaffen hat, ebenso schade wie ärgerlich. Die Frankfurter Schirn nimmt nun den 40. Todestag Uwe Lausens zum Anlass für eine Retrospektive.

Mit 19 floh der 1941 geborene Lausen aus dem ungeliebten Elternhaus. Er ging nach München, studierte kurz und schloss sich bald der nonkonformistischen Malergruppe SPUR an. Aus der gingen im Laufe der sechziger Jahre durch die oft etwas platte Politisierung existentialistischer Attitüden die „Subversive Aktion“ hervor, der deutsche Ableger der „Situationistischen Internationale“, sowie die Kommune 1 mit schillernden Figuren wie Dieter Kunzelmann. Lausens Anteil an diesen Gruppen ist nur teilweise bezeugt; belegt ist, dass der Künstler schwankte zwischen Literatur, Comics, Malerei und Musik.

In der 1961 zusammen mit Frank Böckelmann gegründeten Literaturzeitschrift ludus veröffentlichte Lausen Aphorismen und Sentenzen, die den Einfluss des großen Lyrikers Gottfried Benn erkennen ließen. Hieß es bei Benn: „Dumm sein und Arbeit haben, das ist das Glück“, so kommentierte Lausen 1967 in seiner Aphorismensammlung: „Gute Sklaven haben Freude an ihrer Arbeit“.

Ab 1963 wandte sich Lausen stärker dem Malen zu, zunächst orientiert an der ornamentalen Kunst von Friedensreich Hundertwasser. Prägender war jedoch seine Beschäftigung mit den expressiven Körper- und Körperverstümmelungsbildern von Francis Bacon. Fleisch, Körper, Blut und Gewalt bilden die zentralen Motive, um die das schmale Werk Lausens kreist; gut 50 Arbeiten präsentiert die Frankfurter Ausstellung.

Lausen formulierte seine radikale Gesellschaftskritik malerisch mit der Verfremdung der verlogenen Gemütlichkeit von Wohnzimmern. In seinen Wohnzimmerbildern herrscht Gewalt: Körperteile und Leichen in Räumen mit Blümchentapete, Waffen an Couchtischen und Polstermöbeln, maskuline Kerle, die mit Gewehren auf Menschen zielen. Lausen: „Begreift man die Wohnungen als Widerspiegelung ihrer Bewohner, so muss man sagen, dass etwas in ihren Persönlichkeiten überhaupt nicht in Ordnung ist.“ Die Bilder Lausens verbreiten mit groben Strichen und plakativen Farben eine Atmosphäre von dumpfer Gewalttätigkeit.

Nach dem Mord an Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 und unter dem Eindruck der Brutalisierung des Krieges in Vietnam radikalisierte Lausen seine Kritik und malte nun Soldaten- und Polizisten als „deutsche Killer“ und „uniformierte Söldner“. Die Faszination der Gewalt ging so weit, dass sich der fotogene Lausen selbst unter ­Verwendung von Fotos seiner Frau, der ­Fotografin Heide Stolz, als Killer mit Maschinengewehr inszenierte: Grandiose Aussichten (1967). Verblendung und Selbstverblendung, wie sie Andreas Baader von der RAF prototypisch feilbot, werden in solchen Bildern noch verstärkt durch die oberflächliche physiognomische Ähnlichkeit Lausens mit dem dumpfen Macho Baader. In seinen stärkeren Bildern dominiert jedoch nicht die plumpe Identifizierung mit Gewalt, sondern deren Kritik, die das versteckte Hakenkreuz im gutbürgerlichen Wohnzimmerteppich andeutet (Teppich und Tapete, 1966). – Am 14. September 1970 brachte sich Lausen im Haus seiner Eltern um.

Uwe Lausen Ende schön, alles schön. Bis 13. Juni. Schirn, Frankfurt/M., Katalog 24,80

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