Walle, Walle...

Die Ratgeberin Unsere Kolumnistin legt sich mit ihrer Spülmaschine an – und zieht den Kürzeren
Ausgabe 04/2019
... dass zum Zwecke Wasser fließe
... dass zum Zwecke Wasser fließe

Foto: imago/Paul von Stroheim

Aus gegebenem Anlass blättere ich in Flauberts Bouvard und Pécuchet. Denn genau wie meine literarischen Lieblingsdilettanten habe ich erneut Großes vor: Mit meinem auf Youtube erworbenen Wissen werde ich – eine Frau des Wortes – den Ablaufschlauch unserer Spülmaschine reparieren. Mental unterstützt mich dabei das hippe „Upcycling Future Lab Berlin Pankow“, das ein Repair-Café bei mir um die Ecke betreibt. Es heißt auf deren Webseite: „Wir werfen Unmengen weg, auch Gegenstände, an denen nicht viel kaputt ist und die nach einer einfachen Reparatur problemlos wieder verwendet werden könnten.“ Eben!

Unser Ablaufschlauch ist noch sehr gut, nur ganz am Ende leicht eingerissen. „Einfach absäbeln mit einer Eisensäge oder einem sehr scharfen Cutter und dann neu anschließen“, raten Internetforisten. Monate des Von-Hand-Spülens ziehen ins Land, Monate, in denen ich immer wieder über das Ausleihen einer Eisensäge oder eines sehr scharfen Cutters nachdenke. Bis ich herausfinde, der Schlauch lässt sich mit einem Fingernagel (ersatzweise einem Brotmesser) durchtrennen. Es kann losgehen. „Hallo, i ben’s wied’r, d’r Rainer“, Youtube-Thorsten, Dr. Gully oder wie sie alle heißen, raunen mir zu: „Trau dich, sei dein eigener Handwerker“, „Auch du kannst es“, und falls ich es doch nicht kann, kann ich den Schlauch upcyceln – zum Balkonteppich oder zu einer Hundedusche. Aber dazu wird es nicht kommen, denn: Schon rumpelt das Geschirr friedlich in der Maschine. Ich sitze direkt vor dem Ablaufschlauch! Der ist dicht! Aber so was von dicht! 20 Minuten später: immer noch! Nach 40 Minuten: Dieser Anschluss ist ein Meisterwerk! Jetzt kommt der Sohn in die Küche, ohne große Aufregung fragt er: „Mama, warum ist hier überall Wasser?“ – „Was?! Wieso das denn?!“, kreische ich vorwurfsvoll. „Der Schlauch ist dicht, da guck!“ Allein, Wasser gluckert jetzt aus der Spülmaschine. Schock! Was tun? In einer wilden Eingebung schraube ich den Ablaufschlauch vom Siphon ab und halte ihn ins Spülbecken. Ha! Aus dem toll dichten Schlauch schießt das Wasser raus, dass es eine Freude ist. Aus der Spülmaschine keines mehr!

Triumphierend grinse ich den Sohn an. „Ähm, Mama“, sagt der, „da kommt noch mehr Wasser!“ – „Was? Woher? Oh nein!“ Die Wassermassen, die ich oben ins Spülbecken schütte, pladdern direkt unten wieder raus. Panisch schaue ich mich nach Alternativen zum Spülbecken um: DIY – do it yourself – my ass. Gleich stecke ich mir den Ablaufschlauch in den Mund und schlucke. Zum Glück versiegt in diesem Moment des Wahnsinns das Wasser. „Sohn, Sohn, hol Handtücher, Bademäntel, Matratzen, alles, was wir haben, wirf dich zum Schluss selbst in die Wellen, dein Hoodie saugt vielleicht auch noch was auf.“ Stunden später: Die Küche war nie sauberer, unter der Spüle steht ein großes Auffanggefäß, in der Spüle eine Schale und vor der Spüle ein großer Eimer. In den schütten wir das Wasser aus den beiden anderen Gefäßen, damit wir nicht so oft ins Bad rennen müssen, wo der Siphon erst kürzlich von einem Wegwerfmentalisten (echter Handwerker) ausgetauscht wurde. Pff.

Auf dem Küchentisch liegen noch Bouvard und Pécuchet. Über die beiden DIY-Dauerscheiternden spottet die Literaturkritik ja gerne. Sie agierten mechanisch, heißt es, entwickelten sich das ganze Buch über nie weiter, stattdessen machten sie immer wieder denselben Scheiß. Eben! Das ist ja das Tolle und das zutiefst Menschliche an ihnen. Ich google „Siphon undicht“.

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