Wir sahen uns im Warmluftvorhang des Warenhauses. Er schwitzte Honig, ich Kaffee. Es war neun Uhr morgens. Der Springbrunnenfigur im Shoppingcenterfoyer blieb die Spucke weg, die voll verglasten Panoramaliftkabinen hielten inne und das Kaufhausmusikgedudel blieb auf einem gehauchten Refrainansatz hängen. Um uns erstarrte, gehetzt wirkende Morgenmenschen, stoische Schaufensterpuppen und platte Werbeplakate. Allein der Warmluftvorhang blieb unbeeindruckt und verhielt sich bestimmungsgemäß. Er wirbelte ihm sein Fransenhaar umher, hob seine Mantelausläufer und Mundwinkel und blies mir das Hirn durch. Männerphantasien durchzuckten mich, ich sah mich ihn niederreißen, ließ meine Zunge seinen Afterdamm entlang wandern und dachte an Lebkuchen, was wohl mit den Außentemperaturen zu tun haben musste und schon befanden wir uns gemeinsam in einer riesigen Teigschüssel, wurden von einem mächtigen Holzlöffel unter gehoben und schließlich von Fingergiganten ordentlich durchgeknetet und unzertrennlich vermengt. Seine Augen waren weit geöffnete Fenster in der gut renovierten Fassade, die Nase ein verwinkelter Prunkerker, die Stirn eine weitläufige Terrasse mit Geheimratsecken und der Mund ein Hausdurchsuchungsbefehl. Gewaltphantasien überkamen mich, ich krallte mir seine Zunge und zerrte daran bis er mich ankotzte, drückte ihm meinen Daumen in den Augapfel und riss an seinen Ohrläppchen, dann platzte die Brutalophantasieblase und ich kroch mit meinem Kopf in seine Achselhöhle, ließ meine Nasenspitze über seine Rippen holpern und kraulte zärtlich sein Brusthaar.
Markus Köhle wurde 1975 in Nassereith geboren. Er lebt und arbeitet in Innsbruck und Wien.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.