Warten lernst du hier

Alltag Seit nunmehr 60 Jahren besteht das Grenzdurchgangslager Friedland. Die Tage des großen Booms sind vorbei
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"Wir luhren hier", sagt Valeria, 78, und grinst so breit, dass ihr einziger Zahnstoppel wie der Hauer eines Nagetieres hervorsticht. Valeria und ihr Mann warten aufs Mittagessen in der Kantine. Über dem modernen Speisesaal hängt die Luft wie eine Saugglocke aus Schweiß und deftiger Erbsensuppe mit Einlage. "Weißt du, Kindchen, Deutschland ist scheen". Die Worte der Wolgadeutschen rollen in einem eigenartigen Singsang auf und ab, "Deutschland und Russland, das ist wie Tag und Nacht. Hier ist alles so sauber. Ich habe immer gehabt Kihe und die Ziegen. Wenn draußen ist Frühling, wir missen Brot säen. Hoffentlich gibt man uns ein scheenes Stück Land." Über 40 Jahre sind Valeria und ihr Mann in den Schacht gefahren, Kohle schaufeln in Brigadearbeit.

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