Warum die FIFA den Friedensnobelpreis verdient hat

Meinung Sepp Blatter scheiterte, Gianni Infantino hat noch nicht aufgegeben: Wann kapieren diese Schweden endlich, dass das Werk des Weltfußballverbands FIFA eines Nobelpreis würdig ist?
Ausgabe 46/2022
Fifa-Präsident Gianni Infantino bei der Vorrundenauslosung für die Fußball-Weltmeisterschaft (2020)
Fifa-Präsident Gianni Infantino bei der Vorrundenauslosung für die Fußball-Weltmeisterschaft (2020)

Foto: Imago/Ulmer Pressebildagentur

Die Verleihung des Friedensnobelpreises ist auch dieses Jahr an der FIFA vorbeigegangen. Ja, der Fußball-Weltverband sieht sich durchaus als Instanz, die da mal ausgezeichnet werden sollte. Als der Schweizer Joseph Blatter Präsident der FIFA war, hat er die Legitimation erklärt: Wer bringt in einer Welt der Konflikte und Kriege die Menschen zusammen? Der Fußball. Wer auf Erden ist noch größer und umspannender als die UN? Der Fußball. Gut, er ist großzügig in der Gleichsetzung von Landesverbänden mit Staaten, deshalb gewinnt er mit 211 zu 193. Aber es stimmt natürlich: Der Fußball ist eine Weltmacht. Blatters salbungsvollste Reden waren die, in denen er auftrat wie mindestens der UN-Generalsekretär. Und sein noch halunkigerer Nachfolger Gianni Infantino ist kein bisschen anders. Genüsslich lebt er seine Rolle als der Mensch, der die Welt befriedet.

Die FIFA schwimmt im Geld, und man möchte meinen, ihr Reichtum genügt ihr. Doch nein, sie will mehr: Anerkennung, die über das Stadion hinausgeht. Dass man sie ihr bislang verweigerte, kränkt sie wie den Blockbuster-Regisseur, den die Akademie in Hollywood einfach nicht für den Oscar nominieren will. Vielleicht hat der Fußball-Weltverband auch mal an diesen Preis gedacht, als er einen Kinofilm über seine Geschichte in Auftrag gab. Er hieß United Passions, Gerard Depardieu spielte Jules Rimet, den Urvater der FIFA, Tim Roth war Sepp Blatter, die Schlussszene ist die Verkündung, dass Südafrika die WM 2010 ausrichten wird, kein Witz!

In den USA spielte der Streifen am ersten Wochenende 918 Dollar ein, und ein zweites Wochenende gab es für ihn nicht mehr. Und keinen Preis.

Ein wenig versöhnt mit der undankbaren Welt wäre die FIFA ja schon, würde endlich ihre segensreiche Rolle in der Gesundheitspolitik anerkannt werden. 2005 veröffentlichte sie DVDs, die Amateurvereine anfordern konnten. Inhalt: geniale Stabilisations- und Aufwärmübungen, die Verletzungen im Fußball minimieren und die Kassen entlasten würden. Hat irgendwie nicht geklappt, die Beiträge steigen, weil die Kickerei zu vielen Menschen zusetzt. 2010 sagte die FIFA den Seuchen den Kampf an, bei der WM in Südafrika beflaggte sie die Townships mit Hinweisen zum Händewaschen. Die Leute dort hatten andere Sorgen: überhaupt an fließendes Wasser zu kommen und über Elektrizität zu verfügen.

2022 versucht sich die FIFA noch einmal in Gesundheit. Zur WM bekommen alle Beteiligten Zugriff auf eine Meditations-App. Seelenruhig sollen Spieler, Berichterstatter und freiwillige Helfer durch die vier Turnierwochen gleiten. Womöglich schaltet Gianni Infantino am Ende den Zugang zur App für die Arbeitsmigranten frei, damit die künftig ein entspannteres Leben in ihren Massenunterkünften haben. Die WHO könnte das ruhig mal würdigen.

Parallel wird Infantino die Friedensnobelpreis-Kampagne des alten Blatter wieder aufnehmen. Die FIFA hat voriges Jahr zu jedem Rettungsflug aus Afghanistan nach Katar eine Pressemeldung herausgegeben, wenn ein Mitglied der Fußballfamilie an Bord war. Zwischen den Zeilen konnte man lesen: Schaut, wie die Deutschen dilettieren – und wie erfolgreich dagegen die FIFA agiert. Nun, kurz vor der WM, verkündete der Fußballverband, eine Art Luftbrücke für Fans aus Israel geschaffen zu haben, die die Spiele in Katar sehen wollen. Botschaft: Die FIFA löst den Nahostkonflikt. Wenn Infantino dann auch nächstes Jahr von diesen Schweden wieder übersehen wird, muss er doch glatt mal fragen, welchen Preis dieser verdammte Preis hat.

Günter Klein, Chefreporter Sport beim Münchner Merkur, berichtete schon 2011 von der ersten Katar-Reise des FC Bayern, vier Wochen nach der WM-Vergabe

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