Warum ich das erste Mal in meinem Leben mit Ja gestimmt habe

Volksentscheid Der bekannte Schauspieler und Wirtssohn Bierbichler erklärt, warum er das Volksbegehren zum Nichtraucherschutz unbedingt gut findet

Bis ich 14 war und Unterricht in englischer Sprache bekam, war ich der Meinung, dass Bulldog ein urbayerisches Wort sei. Die Bauern unterhielten sich untereinander über ihre Bulldogs, (gesprochen: Buidog), manchmal sagten sie Schlepper, aber nie sagten sie Traktor. Dieses Wort war ihnen fremd. Sie lehnten es aggressiv ab, denn es galt als preußisch. Genauso verhielt es sich mit dem Kanapee und dem Trottoir.

Wie mit diesen Worten erging es mir auch mit dem Rauchen. Die kleine, holzgetäfelte Gaststube im Wirtshaus der Eltern war am Sonntagabend regelmäßig voll mit Bauern, die im Rauch ihrer Pfeifen und billigen Zigarren (nicht: Zigaretten, da preußisch!) Karten spielten und debattierten. Es war völlig normal. Mit sechs Jahren erlaubte mir der Großvater einen ersten Zug aus seiner Zigarre. Was folgte, muss hier nicht mehr beredet werden, das haben andere schon getan, bis zum Erbrechen. Mit 16 wurde ich Gewohnheitsraucher. Zigaretten. Mit 25 hörte ich zum ersten Mal zu rauchen auf. Bis ich 55 war, habe ich das etwa zwölf Mal wiederholt. Genauso oft hab ich versucht, das Hochdeutsch zu erringen. Nun bin ich seit 7 Jahren schon erfolgreich. Ich bekam damals nicht mehr richtig Luft. In der letzten Nacht vor Beendigung meiner Hochsprech- und Raucherlaufbahn bin ich sogar beinahe kurz erstickt. Die Entwöhnung verlief deshalb nahezu problemlos. Rapide zu aber nahm die Abneigung gegen den Rauchgenuss der Anderen. Bis dieser zum Politikum wurde, hatte sich der Umgang damit bei mir schon lang zur angewandten Intoleranz ausgewachsen. Raucher begann ich zu hassen wie vorher nur Hochsprachsprecher und Hundehalter. Schönsprecher, Hundebesitzer und Raucher wurden sich in meinen Augen immer ähnlicher. Deren Gesichtszüge glichen den Objekten ihrer Zuwendung immer mehr: Die der Sprecher ihren falschen Tönen, die Hundebesitzer ihren Hunden, die Raucher den vollen Aschenbechern. Mir kam jedes Mal das Kotzen, wenn ich unvorsichtigerweise in eines dieser Gesichter schaute – nicht anders als damals, als der Opa mir das einmal Ziehen an seinem billigen Villigerstumpen erlaubte.

Dann kamen die führenden Repräsentanten aller Aschenbechergesichter mit einem Rauchverbot. Strauß hatte es noch abgelehnt mit einem Satz, für den allein er schon vor dem Menschrechtsgerichthof in Den Haag hätte landen müssen: DAS RAUCHEN IST DIE FREUDE DES KLEINEN MANNES. Sozialrassistischer geht’s wirklich nimmer! Und dann das: Ausgerechnet seine Nachfolger erließen das härteste Rauchverbot im Neuen Deutschen Land. Zum ersten Mal in meinem Leben hätte ich beinahe CSU gewählt! Dann merkte ich gerade noch zur rechten Zeit, dass deren Zeit zur Neige und deren Mehrheit flöten ging – und wählte lieber gar nicht. Denn mit über 60 wollte ich, so nah am Tod schon, noch endlich einmal zu den Mehreren gehören. Einmal noch! Und setzte mich hin und wartete. – Saß es aus. – Bis es kam. – Das Volksbegehren.

Und als es da war, ging ich noch einmal zum Wählen. Um 4 Uhr 14 am Sonntagnachmittag machte ich mein Kreuz – zum ersten Mal in meinem Leben unter ein JA. – Ja! Ich bin sonst eher so ein eingefleischter NEIN-Sager. Manchmal sogar ein NEIN/NEIN-Sager. Diesmal jedoch: JA! Und seitdem gehöre ich zur Mehrheit. Auch wenn ich jetzt schon tot bin. Die Toten sind sowieso immer die Mehran. Neben mir auf seiner Wolke hockt der Strauß. Fetter denn je. Und raucht. Denn zu den MERHAN wollte er nie gehören. Die hat er immer nur vertreten. Und ich hab schon wieder einen Mitraucherhusten.

Josef Bierbichler ist Schauspieler und wurde in Ambach am Starnberger See geboren

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