Der Kampf gegen den Antisemitismus verfehlt sein Ziel, wenn man im Bemühen, Juden und Jüdinnen zu schützen, selbst Vorurteile fördert, Feindbilder schafft und Menschen ausgrenzt. So geschehen durch die BDS-Resolution des Deutschen Bundestags von 2019. Seitdem gelten oft sogar schon jene als Antisemiten, die mit der von Palästinensern 2005 gegründeten Boykottbewegung BDS („Boycott, Divestment and Sanctions“) gegen Israel nur sympathisieren.
Die Vorlage dazu war die Arbeitsdefinition von Antisemitismus der Internationalen Allianz zum Holocaustgedenken (IHRA). Wegen ihrer Interpretationsspielräume kritisierten jetzt 122 palästinensische und arabische Intellektuelle im Guardian die IHRA-Definition als Kunstgriff, der „den Kampf gegen die Unterdrückung der Palästinenser, die Verweigerung ihrer Rechte und die fortgesetzte Besetzung ihres Landes“ diskreditiere. Über die umstrittenen Ziele und oft auch spaltenden Aktivitäten der BDS-Kampagne sollte man streiten – doch ohne Vorverurteilung oder Auftrittsverbote. Die Bundestagsresolution trägt in ihrer Pauschalität zur Polarisierung bei. Anstatt Diskussionsräume für verschiedene Perspektiven zu öffnen und zu vermitteln, halten im Kultur- und Wissenschaftsbetrieb Misstrauen und Diskurseinschränkungen Einzug. Paradoxerweise werden dabei oft jene sanktioniert, die im Nahostkonflikt den Dialog mit der Gegenseite suchen, darunter viele Juden und jüdische Israelis. Weltweit gibt es Juden, auch in Israel, die die Boykottbewegung als legitimes politisches Druckmittel tolerieren oder gar unterstützen.
Mittlerweile bewirkt die bloße Angst, auch nur in die Nähe des BDS gerückt zu werden, bereits Selbstzensur. Die israelische Besatzung und das palästinensische Recht auf Selbstbestimmung finden in diesem emotional aufgeladenen Diskurs kaum noch Platz. Die Administration des US-Präsidenten Trump strich das Wort „Besatzung“ gar aus ihrem Vokabular. Antisemitismus zu konfrontieren, auf Israels Existenzrecht zu beharren und sich für die Freiheit der Palästinenser zu engagieren, sind Anliegen, die sich ergänzen sollten.
In Zeiten des erstarkten Rechtsradikalismus gilt es, zu differenzieren. Oder, wie der Generalsekretär des Goethe-Instituts, Johannes Ebert, sagt: sich zuzuhören und „die Fähigkeit und Kraft zu Einzelfallentscheidungen jenseits von pauschalen Vorgaben“ zu haben. Das Goethe-Institutgehört zum breiten Bündnis von 33 öffentlichen Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen in Deutschland, die sich auf Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes berufen und sich in einer gemeinsamen Erklärung gegen die Logik des Boykotts verwahren: Es ist die „Initiative GG 5.3 Weltoffenheit“, eine inspirierende Aktion deutscher Intellektueller. Sie engagieren sich für kulturelle Vielfalt und Multiperspektivität, weshalb sie zu Recht BDS und Bundestagsresolution zugleich kritisieren. Das Aushandeln von Gegensätzen sei für künstlerische Prozesse unerlässlich, so die Intendantin der Hamburger Kampnagel, Amelie Deuflhard. Die Direktorin des Einstein Forums Potsdam, Susan Neiman, betonte: „Die deutsche Vergangenheit darf nicht den Blick auf die israelische Gegenwart verklären“ – deutsche Israel-Diskussionen sollten endlich die Vielfalt jüdischer Diskussionen reflektieren.
Leider ist wahr: Geht es um Juden, fixieren sich Deutsche meist auf das ferne Israel, dessen viele Facetten viele nicht kennen, anstatt sich auch mit deutschen Juden und deren Alltag zu befassen. Israel vertritt nicht das Judentum schlechthin, ferner sind weder alle Juden noch alle Israelis Zionisten. Ähnlich verhält es sich mit Muslimen, die oft automatisch mit Verschleierung und Terrorismus assoziiert und stigmatisiert werden.
Derlei Klischees offenbaren eine nachlässige Unkenntnis der Traditionen, Denkschulen, Religionen und Biografien der anderen. Es ist bequemer, Juden und Muslime in Schubladen zu befördern, sie zu idealisieren oder zu dämonisieren, anstatt sich mit ihnen direkt zu befassen. Dabei muss die Devise lauten: Raus aus dieser Sackgasse! Um dem monolithischen Diskurs der Rechten Widerstand zu leisten, brauchen wir Weltoffenheit.
Kommentare 9
Da in diesem Aufsatz der Islam herangezogen wird, habe ich für meinen Teil das Übergehen dessen „Tradition, Denkschule und Religion“ zu kritisieren, von der Muslime sich kohärenter Weise abzuwenden hätten, um an humanistischer Debatte teilzunehmen.
Wer wiederum einmal versucht hat, Zionisten rationales Denken näher zu bringen, wird festgestellt haben, daß sie gleiche Willkür, Ignoranz und Inkongruenz an den Tag legen, wie sie dem Islam zu Eigen sind.
Ganz anders Juden in Israel, die bei Demonstrationen für Rechte der Palästinenser niedergeknüppelt werden, und in unseren Medien kaum einmal Aufmerksamkeit dazu erhalten.
Wie die Autorin schon anführt, ist zwischen Juden und Zionisten zu unterscheiden.
Und bereits abseits von Grundsatzdebatten dazu, was sich in Argumentation gezieme oder nicht, ist ein Sachverhalt (so auch wie in Sachen Faschismus des Islam) zu Israel vollständig zur Kenntnis zu nehmen.
Darin enthalten, Darstellung, daß mit Besetzung Palästinas eine Rückkehr in Gelobtes Land verwirklicht worden sei, aus dem Juden einst vertrieben wurden.
Davon abgesehen, daß heute keine ursprünglichen Besitzverhältnisse mehr zur Legitimation herangezogen werden (da sonst bspw. nicht Indigene den amerikanischen Kontinent zu verlassen hätten / insofern auch Fragwürdigkeit jüngster Landrücknahme durch Aserbaidschan in Armenien auf der Hand liegt), ist Arbeit eines couragierten, jüdischen Professors der Archäologie zu verdanken, daß man längst wissen kann, wie sich biblisch Gelobtes Land in Syrien befand, aus dem zudem nicht etwa „die Juden“ vertrieben wurden, sondern Bevölkerung einiger jüdischer Dörfer.
Es sind strategische Interessen in Vorderasien und Machtverhältnisse, welche diese ‚Kleinigkeit‘ zur Legitimation Israels nicht in den Diskurs eingehen lassen.
Die biblische Legitimation zur Besetzung Palästinas jedenfalls existiert nicht.
Wenn sie denn rechtens zu sein vermochte, dann in Syrien.
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Die zionistische Okkupation hat sich allein zunächst mit Finanzierung durch Baron Edmond de Rothschild, dann durch lückenlose Finanzierung und Bewaffnung durch Deutschland und die USA verwirklichen und halten lassen.
Zu deutschem Beitrag so triftig wie überfällig dieser Ausschnitt: ||Die Direktorin des Einstein Forums Potsdam, Susan Neiman, betonte: „Die deutsche Vergangenheit darf nicht den Blick auf die israelische Gegenwart verklären“ –||
Doch ist abzusehen, daß sich obsoletes Protektorat israelischer Gegenwart auflösen wird. Allein schon, da die Verarmung eigener Bevölkerung unter eskalierendem Kapitalismus immer weniger Tribut aus geschröpften Staatskassen erlauben wird, zum anderen allmählich in Gemeingeist durchbrechender Pragmatismus Akzeptanz des Protektorats von Regimen abgehen sollte.
Rückzug also, wo Drangsal und Provokation eigener, übervorteilter Bevölkerung und dann gewaltsame Einhegung nicht unnötig weiter angefacht sein will.
Wenn die zionistische Staatsführung Israels nicht dazu übergeht, gütliche Übereinkunft mit Palästinensern zu suchen, bahnt sie voraussichtlich Feuer und Schwert über ihrer Bevölkerung an.
Schließlich wird sie einmal auf sich gestellt weder gesamten Staatshaushalt in Arsenal investieren, noch Atombomben vor eigener Haustür abwerfen können. – Sollte Israel die Palästinenser nicht an zivilisiertem Dasein teilhaben lassen, die Vertreibung aus Israel womöglich noch zu elender Realität.
Authentisches Verfahren vorausgesetzt, wären die Israelis gut beraten, ihre Falken abzuwählen. Und in der Tat hat Netanjahu derzeit überhaupt keinen guten Stand bei den Menschen in Israel.
Ich weiß nicht, was so schwer daran ist, zu verstehen, dass es das eine ist, Israel oder konkrete israelische Regierungen zu kritisieren und etwas völlig anderes, Israel zu boykottieren und damit in seiner Existenz zu bedrohen.
Boykott und Delegitimierung des mehrheitlich jüdischen Staates Israel ist eine Form des Antisemitismus, da er sich nun einmal gegen Jüdinnen und Juden richtet. Nebenbei, ungewollt, natürlich auch gegen arabische Bewohner Israels und der Gebiete: Nämlich die nicht wenigen Menschen, die bei einer Umsetzung des Boykotts ihre Arbeit (und ihr Einkommen einschließlich des Versicherungsschutzes nach hohem israelischem Standard) verlieren würden.
Es ist gut, dass der Bundestag hier klare Kante gezeigt hat.
"(...) Israel zu boykottieren und damit in seiner Existenz zu bedrohen."
"Schubladen helfen beim Kampf gegen Antisemitismus nicht weiter.", denn BDS ist nicht einfach mit Antisemitismus gleich zu setzen, wie auch nicht die Israelis/Juden in der Sache mit einer Stimme sprechen, dafür sind jene viel zu pluralistisch aufgestellt und darunter auch jene, die es für legitim/berechtigt halten.
Die eine Seite kann sich mit militärischer Gewalt jederzeit durchsetzen (was auch so geschieht), der anderen bleiben nur defensive Aktionen, wie es sich mit BDS zeigt.
Argumentieren Sie doch mal über die Israel betreffenden UNO-Resolutionen (besetzte Gebiete), die für Israel im Gegensatz zu vielen anderen Ländern folgenlos bleiben. Da ist die Vergangenheit immer ein Pfund, mit dem Kritiker schnell stillgelegt werden können. Zumal man es mit Differenzierung dann überhaupt nicht mehr hat, da das den Vorwurf/Einwurf des Antisemitismus behindert.
Klar ist aber auch für Deutsche, dass man schon genauer hinschauen muss, wenn es also nur die speziellen Firmen in den besetzten Gebieten betreffen sollte. Denn darüber hinaus würde ich mich auch nicht beteiligen wollen. Mehr dazu noch mal hier.
Und ist es nicht seltsam, wer die Perspektive der Palästinenser einnimmt, dass dann die vereinzelten Stimmen derer Extremisten vorgelegt werden, die immer noch das "Existenzrecht Israels" bestreiten. Man kann förmlich den Eindruck gewinnen, dass die bezahlt werden, um weiter als Alibi dienen zu können. Nicht das ich das annehme, aber es gibt hier ein völlig einseitiges Diskussionsfeld, da die Palästinenser zum ständigen Spielball der Mächte geworden sind, seitdem ihr Land zerlegt/aufgeteilt wurde. Und das geht nun mal bis auf das Sykes-Picot-Abkommen zurück.
Es gibt quasi ein 'erlaubtes' Argumentationsmuster, in dessen Rahmen man sich bewegen muss. Und dieses Muster kann überwiegend von Israel bestimmt/gesetzt werden, zumal die arabischen Staaten als überwiegend korrupte, autoritäre Clans ihr eigenes Spiel spielen und die Interessen der Palästinenser eher sekundär vertreten. Folge: über die Köpfe der Palästinenser hinweg wird entschieden! Verbale, entrüstet erscheinende Äußerungen vereinzelter politischer Vertreter Europas sind Camouflage, denn immer folgenlos.
Boykott und Delegitimierung des mehrheitlich jüdischen Staates Israel ist eine Form des Antisemitismus, da er sich nun einmal gegen Jüdinnen und Juden richtet.
Jeder, der Boycotte gegen Israel unterstützt, ist ein Antisemit? Auch, wenn er ein jüdischer oder arabischer israelischer Staatsbürger ist?
»Geht es um Juden, fixieren sich Deutsche meist auf das ferne Israel, dessen viele Facetten viele nicht kennen, (…)«
In der Tat; in den Hintergrund des ideologischen Nahkampfs treten oft ganz basale Aspekte – etwa, dass Israel die einzig halbwegs intakte Demokratie in der Region ist, oder dass Frauen dort – Militärdienst inklusive – auf ähnliche Weise partizipieren wie etwa in Westeuropa und den USA.
Sicher gibt es einige bedeutsame Einschränkungen. Man muß sich bei allem stetig vergegenwärtigen, dass Israel als Heimstatt, als Zufluchtspunkt für die von Pogromen sowie sonstiger Diskriminierung betroffenen Juden und Jüdinnen in aller Welt konzipiert wurde. Das hat – sicher nachteilige, sicher zu kritisierende – Auswirkungen auf die konkrete Ausgestaltung des Zusammenlebens zwischen (vollwertigen) israelischen Staatsbürger(innen) und im Land lebenden Arabisch-stämmigen. Das nicht gewährleistete Rückkehrrecht ist eins dieser Dinge; der Umstand, das die Karte der Westbank mittlerweile aussieht wie ein Schweizer Käse (mit immer größer werdenden, für Falken und Siedler-Lobby realisierten Löchern) eine weitere.
Umgekehrt führt der von Hamas und Hisbollah ausgeübte Terror nicht unbedingt dazu, dass die Tauben in Israel die Oberhand gewinnen. Die Lage war schonmal besser; seit Beginn des neuen Jahrtausends verschlechtert sie sich jedoch kontinuierlich. All diese Aspekte sollte man im Blick haben, wenn man über die Situation dort redet. Und – ja: Neben der Einseitigkeit notorischer Israel-Kritiker(innen) gibt es auch die Einseitigkeit einer philosemitischen, oftmals transatlantisch orientierten Fraktion. Über die wir aktuell reden.
Der BDS ist eine Bewegung der Palästinenser. Diese sind seit 70 Jahren in einem Konflikt mit Israel.
Das bedeutet, dass die Palästinenser sich wehren dürfen. Gegen wen? Gegen den israelischen Staat.
Das ist vollkommen legitim und hat mit Antisemitismus zunächst nichts zu tun.
Wahr ist, dass es auch Antisemiten gibt, die den BDS - so wie jede beliebige weitere Bewegung gegen die Besatzung - für ihre Zwecke missbrauchen. Allerdings ändert dies nichts daran, dass der Vorwurf, ein Boykott Israel sei a priori antisemitisch, purer Unsinn ist.
"Leider ist wahr: Geht es um Juden, fixieren sich Deutsche meist auf das ferne Israel, dessen viele Facetten viele nicht kennen, anstatt sich auch mit deutschen Juden und deren Alltag zu befassen. Israel vertritt nicht das Judentum schlechthin, ferner sind weder alle Juden noch alle Israelis Zionisten."
Ja, diese Feststellung ist wohl nur allzu wahr. Auch Israel ist heute nicht mehr das Israel von 1948. Über die Diversität und kritische Geister im Iran oder, sagen wir, Weißrussland zu reden, ist mehr als erwünscht. Die Muslime gebe es nicht; zur Vermeidung pauschaler Muslimfeindlichkeit solle differenziert werden. Der Staat Israel hingegen, und noch vielmehr seine Gesellschaft, so scheint es doch stark, soll auf einen Zustand und ein Verständnis eingefroren bleiben. Das gleiche trifft offenbar Juden und zwar, egal, wo sie leben. Das geht dann so weit, dass nicht einmal jüdischstämmige Menschen etwa in Deutschland kritisch über Israel oder über Zionismus oder auch das Judentum an sich diskutieren sollen.
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