Trügerisch ist jenes Glück, das allein auf dem Kontostand basiert. Stets muss Nachschub her und so läuft sich der Mensch im kapitalistischen Hamsterrad die Fersen wund. Warum? Weil die Wirtschaftstheorie uns lange eintrichterte: Maximierung macht glücklich. Dafür dürften wir gegen uns und unsere Umwelt vorgehen.
Mittlerweile gesteht die Forschung dem Menschen zu, von Natur aus ein soziales und mitfühlendes Wesen zu sein. Wir sind gar nicht so egoistisch. Für diese Botschaft allein hätte es kein weiteres Buch gebraucht. Was Mitgefühl in der Wirtschaft. Ein bahnbrechender Forschungsbericht dennoch lesenswert macht, ist die Idee, den Fehlern unseres Wirtschaftssystems mit den Lehren des Buddhismus beizukommen.
Zwar ist im Silicon Valley und an der Wall Street die Vereinnahmung des Buddhismus für den Kapitalismus in vollem Gange: Beim Weltwirtschaftsforum in Davos meditierten die Manager und für Google sind spirituelle Praktiken Bestandteil einer Arbeitskultur, die Freiheit suggeriert und im Gegenteil Zeit, Raum und nun eben den Geist seiner Mitarbeiter vollständig usurpiert.
Doch der Neurowissenschaftlerin Tania Singer und dem Molekularbiologen und buddhistischen Mönch Matthieu Ricard geht es um etwas vollkommen anderes. Sie haben verschiedene Wissenschaftler und das Oberhaupt der tibetischen Buddhisten, den 14. Dalai Lama, an den Diskussionstisch geholt. Entstanden sind Gespräche über die Frage, wie Mitgefühl im westlichen Wirtschaftsmodell eine stärkere Rolle spielen kann. Denn in einem Punkt sind sich die Neurowissenschaftler, Ökonomen und Mönche einig: Derzeit kommt es viel zu kurz. Der Buddhismus könnte hier helfen, lehrt er doch, dass jeder Mensch mitfühlen kann. Wer das anerkennt, könnte auch die Wirtschaft besser machen, lautet die These.
Es ist Tania Singers zentrales Thema, die Bedeutung von Empathie, Mitgefühl oder Fairness im wirtschaftlichen Miteinander zu erforschen. Damit will die studierte Psychologin, seit 2010 Direktorin des Max-Planck-Instituts für Neurowissenschaft in Leipzig, das gängige Bild des Marktteilnehmers als Homo oeconomicus entkräften.
Kooperation aktiviere das Belohnungszentrum im Gehirn und sei allein dadurch erstrebenswert, heißt es im ersten Teil des Buches. Hier berichtet außerdem Richard Davidson, US-amerikanischer Professor für Psychologie, dass Mitgefühl erlernbar sei. Zumindest waren nach Meditationssitzungen entsprechende Hirnareale bei seinen Patienten, die sich selbst als nicht kooperativ wahrgenommen hatten, viel aktiver als zuvor. Das Buch ist gespickt mit solchen Forschungsergebnissen: Ein Experiment zeigte, dass sich einander vollkommen fremde Menschen Geld leihen. Wenn eine Belohnung in Aussicht gestellt werde, dann sei die Bereitschaft zum Geben aber größer, schreibt der Direktor des Instituts für Volkswirtschaftslehre an der Universität Zürich, Ernst Fehr. Die Kooperationsbereitschaft bricht hingegen ein, wenn Hilfsbereitschaft ausgenutzt wird. Gibt es also reinen Altruismus? Auf alle Fragen gibt auch dieses Buch keine Antworten. Dafür bereichert der Dalai Lama die Lektüre in der von ihm bekannten, durch und durch empathischen Weise: Er stellt Fragen wie ein Kind und drückt sein Erstaunen über alles aus, was er neu lernt. Eine ichbezogene Sicht auf die Welt gilt ihm nicht als verwerflich, sondern im Buddhismus gewissermaßen sogar erstrebenswert: Wer mit sich selbst im Reinen sei, gebe nicht so viel auf Geld und Besitz.
Mitgefühl in der Wirtschaft. Ein bahnbrechender Forschungsbericht Tania Singer, Matthieu Ricard, Michael Wallossek (Übersetzung). Knaus 2015, 256 S., 16,99 €
Kommentare 4
Willst du glücklich sein im Leben,
Trage bei zu andrer Glück,
Denn die Freude, die wir geben,
Kehrt ins eigne Herz zurück.
(Marie Calm, 1832-1887)
Also nichts wirklich Neues, weltveränderndes.
Derartige Erkenntnisse gibt es seit Jahrhunderten - nicht nur im Buddhismus. Und weil sie schon so alt sind, passen sie laut vieler "moderner" Menschen nicht mehr in unsere Zeit.
Moralapostel, Weltverbesserer, Gutmenschen - sie alle werden belächelt und als von vorgestern hingestellt.
Nun, ob Mitgefühl gut für die Wirtschaft ist - so wie sie heute agiert - wage ich zu bezweifeln. Ich wehre mich da gegen die Vereinnahmung von Meditation, und jetzt auch des Mitgefühls, durch den Wellness-Sektor und die Wirtschaft.
Der Buddhismus ist eine Erkenntnistheorie, besser, eine uralte erkenntnistheoretische Untersuchung über das Wesen der Wirklichkeit und die Stellung des Menschen in dieser. Und ja, es gibt darin das sogenannte "Geistestraining", einfache Übungen, die die Basis der Lehre darstellen. Ein schönes Beispiel dafür ist die Vorstellung vom Nachbarn, der mit einem riesigen Blumenstrauß vor der Tür steht.
Man wird diesen Nachbarn sehr sympathisch finden und das Beste von ihm denken. Steht nun derselbe Nachbar vor der Tür und haut einem brüllend eine in die Fresse, ändert sich das Bild dramatisch. Dabei handelt es sich um denselben Nachbarn.
Wenn wir darüber nachdenken, wird klar, dass unsere Meinung über den Nachbarn nicht von uns selbst gesteuert ist, sondern von den verschiedenen Situationen, in die wir seitens des Nachbarn verstrickt werden.
Daraus resultiert, dass wir in unseren Gefühlen und Gedanken NICHT FREI sind, sondern allem, was uns geschieht, hilflos ausgeliefert. Mit der Folge, dass wir uns vielleicht tagelang ungewollt über die Untat des Nachbarn ärgern, völlig aus dem Ruder sind usw. usw.
Nun ist das Problem bei der sogenannten Achtsamkeitsmeditation, die heute als "Mindfullness based Stress Reduction" im Wellness-Bereich so eine große Rolle spielt, dass es eben nicht um Erkenntnis geht, sondern um Entspannung. Da der Unterricht desselben sich auf die Technik allein konzentriert, die ja relativ einfach (?) zu erlernen ist, kommt es immer häufiger vor, dass die Dozenten der auf Achtsamkeit basierten Stressreduktion die Gegenmittel bei den eventuellen psychischen Schwierigkeiten ihrer "Kunden", so wie sie im traditionellen Buddhismus gelehrt werden, einfach nicht kennen.
Mit der Folge, dass die Teilnehmer eines solchen Kurses immer öfter durchknallen, das "Licht" sehen und meinen, sie seien erleuchtet. Das nennt man hierzulande, wenns ganz schief läuft, dann Psychose.
Nun ist das Erlernen von Mitgefühl da sicher von Vorteil und hilfreich, das egozentrische Spektrum von Entspannung (und Erleuchtung) hinter sich zu lassen. Aber auch hier ist die Technik die eine Seite der Medaille, wobei die Lehre einer uralten Psychologie und der damit einhergehender Erkenntnis, wie sie im Buddhismus, und u. A. auch im Hinduismus, gelehrt werden, die andere Seite ist.
Der Dalai Lama, der in meiner Erfahrung als großer Gelehrter in tage - und manchmal wochenlangen Lehrveranstaltungen die Dialektik der buddhistischen Lehre vermittelt, beschränkt sich in der westlichen Öffentlichkeit zunehmend darauf, auf die Rolle des Mitgefühls hinzuweisen.
Sicher hat er recht. Aber was tun wir damit? Manchmal befürchte ich, er denke, wir seien einfach ein bißchen doof und er spiele hier nur die Rolle des Lächel-Opas - wie ein Kind - weil mehr zu vermitteln einfach nicht drin ist. Sicher hat er recht.
"Eine ichbezogene Sicht auf die Welt gilt ihm nicht als verwerflich, sondern im Buddhismus gewissermaßen sogar erstrebenswert: Wer mit sich selbst im Reinen sei, gebe nicht so viel auf Geld und Besitz."
Mmmhhh, die eher egozentrischen Charaktere, die ich bisher so kennengelernt habe, trieb tatsächlich weniger die Gier nach Geld und Besitz, sondern eher der Drang zur Macht und zur Arterhaltung. Und aus seiner eingeschränkten Sichtweise, dürfte sich ein Egozentriker in diesem Verhalten und Bestreben auch mit sich selbst im Reinen fühlen.
Vor allem mehr Rationalität und Transparenz - insbesondere bezüglich der vielfältigen staatlichen Manipulationen und Pfuschereien an Märkten, wäre zu begrüßen, denn daran fehlt es offensichtlich.
Aber ich wette, das hier jene "Solidarität" gemeint sein soll, die keine ist, weil sie nur freiwillig auf der Seite des Gebenden erfolgen könnte, Sozialisten aber selbstverständlich den Zwang meinen, den sie auf andere ausüben, um sich damit moralisch zu erhöhen - statt selbst eigenverantwortlich für das einzustehen, was sie für "richtig" halten. "Solidarität" und "Mitgefühl" nehmen heute ja vor allem die in den Mund, die sich für Besser Menschen halten und deshalb zu jedem Rechts eingriff gegenüber Dritten befugt seien.
Das hatten wir ja schon mal an der Regierung - vor 89 und vor 45...