Warum so wütend, Kind?

Die Ratgeberin Unsere Autorin weiß, wie man seine Kritiker zähmen kann: Konferieren Sie mit dem ICH!
Ausgabe 02/2016
Einfach mal das wütende Kind in sich zähmen
Einfach mal das wütende Kind in sich zähmen

Foto: Westend61/Imago

Neulich wollte ich mal meine Inneren Kritiker zähmen. Wie von der Psychologin Angelika Rohwetter empfohlen, bat ich dazu Innere Instanzen meines ICHs zur Konferenz: das Starke Kind, das Ängstliche Kind, das Wütende Kind, den Ungeschickten Verteidiger, das Gute Objekt sowie natürlich die Hauptperson, den Inneren Kritiker. Wobei, Letztgenannter hatte keine Zeit. Beziehungsweise der Clou war: Nachdem ich Rohwetters Ratgeber fast schon durchhatte, stieß ich am Ende auf einen Selbsttest. Bei dem kam heraus: ICH habe gar keinen Inneren Kritiker. Diese Instanz ist in meiner Persönlichkeit zu null Prozent ausgeprägt. Das war überraschend! Und in dem Kritikerzähmungsratgeber auch gar nicht vorgesehen. Was bedeutete das jetzt?

Um die Frage angemessen zu repräsentieren, ergänzte ich meinen imaginären Konferenztisch um einen maroden, leeren Stuhl. „Liebe Leute“, begrüßte ICH dann die versammelten Instanzen, „willkommen zur ...“ – „Gib doch zu, dass du niemals deinen Inneren, sonderen immer nur deine Äußeren Kritiker zähmen wolltest!“, proletet es da von links. „Äh, wer war das jetzt?“, will ICH wissen. „Wer hat das gesagt?“ Betretenes Schweigen. Schließlich flüstert der Ungeschickte Verteidiger: „Was soll sie denn machen, wenn sie gar keinen Inneren Kritiker hat, die Arme.“ – „Und wenn schon“, raunze ICH. „Wichtig ist, dass ich jede Bemerkung einem von euch zuordnen kann. Wer also war das mit dem Äußeren Kritiker?“ – „Natürlich ich ...“, lacht das Starke Kind, „... nicht!“

Hilfesuchend wende ich mich an das Gute Objekt. Dieses schaut auf sein Smartphone und sagt: „Moment, muss da mal kurz ran.“ – „Leute, Leute“, hebe ICH entnervt an, „jetzt aber mal Konzentration. Ängstliches, dreijähriges Kind, hast du mitgekriegt, wer das mit dem Äußeren Kritiker gesagt hat?“ – „Ich kann noch gar nicht sprechen“, behauptet es. „Wie bitte? Mit drei Jahren?“ Da fällt mir ein: Das Rohwetter’sche ICH ist sanftmütiger. Schnell verbessere ich mich: „Klar kannst du sprechen. Nur Mut.“ Kind druckst rum, dann platzt es aus ihm heraus: „Ich bin verdammt noch mal das Wütende Kind. Um zu antworten, müsste ich erst mal MEINE Inneren Instanzen befragen.“

ICH schnaube und zeige drohend auf den leeren Stuhl des Inneren Kritikers. „Ich kann auch Leute entlassen. Gerade in der derzeitigen Situation! Ratzfatz geht das.“ Ein unterdrücktes Raunen durchdringt den Raum. Der Ungeschickte Verteidiger sagt: „Sie meint es nicht so.“ ICH schicke ihn Kaffee holen. Das Ängstliche Kind fängt an zu heulen. „Geh zum Ungeschickten Verteidiger. Der tröstet dich“, befehle ICH. Das Gute Objekt nickt mir verständnisvoll lächelnd zu. Es hört gar nicht mehr auf zu lächeln. Wie der Dalai Lama. Wütendes und Starkes Kind fallen deshalb vor Lachen vom Stuhl. ICH schicke sie vor die Tür. Zurück bleiben: ICH und das Gute Objekt. Es nickt mir wieder zu: „Ja, sie haben es gar zu arg getrieben.“ ICH darauf, heuchlerisch: „Ja, aber jetzt mache ich mir doch etwas Sorgen, könntest du mal kurz nach ihnen schauen?“ – „Aber natürlich“, sagt das Gute Objekt und entschwindet. Wow! Was für eine Ruhe.

Spontan beschließe ich, für alle, die ihren Inneren Kritiker nach Rohwetter gezähmt haben oder dies noch vorhaben, einen Instanzenbefreiungsratgeber zu schreiben. Gerade will ich loslegen, da geht die Tür auf: „Gestatten, ich bin dein Innerer Dampfplauderer.“ – „Na gut“, sage ICH, „du darfst! Sag mal, was ich in die Kolumne schreiben soll.“

Susanne Berkenheger verteilt als Die Ratgeberin regelmäßig gute Ratschläge für den Freitag

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