Was bringt die Groko männerpolitisch voran?

Fortschritt Gleichstellung ist längst kein Frauenthema mehr – was die Regierung dazu beiträgt, alte Rollenmuster abzubauen
Ausgabe 06/2014
Was bringt die Groko männerpolitisch voran?

Illustration: Otto

Die frühere Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – Kristina Schröder – fühlte sich auch für mittelalte Männer zuständig, wie sie einmal spöttelte. Sie proklamierte aber eine eigenständige Männerpolitik. Als Pendant zum Deutschen Frauenrat förderte Schröder das neugegründete Bundesforum Männer, einen Zusammenschluss gleichstellungsorientierter männer-, jungen- und väterpolitischer Organisationen. In ihrem Hause installierte sie das Referat „Gleichstellungspolitik für Jungen und Männer“ mit dem Schwerpunkt Jungenpolitik. Sie führte den Boys’ Day ein, um Jungen untypische Männerberufe schmackhaft zu machen. Und das Programm „Mehr Männer in Kitas“ brachte einige Kerle mehr in die frühkindliche Pädagogik.

Wird diese Politik unter Manuela Schwesig fortgeführt oder zeichnen sich neue Schwerpunkte einer gleichstellungsorientierten Männerpolitik in einem SPD-geführten Hause ab? Dieser Frage widmete sich vergangene Woche eine Diskussionsveranstaltung des „Bundesforums Männer“. Erster Befund: Das Thema Väter bleibt natürlich der Klassiker. Männer für mehr Zeit in ihren Familien zu animieren, um „Partnerschaftlichkeit zu stärken“ wird proklamiert, ob unter Rot-Grün, Schwarz-Gelb oder Schwarz-Rot. Jetzt soll die Elternzeit über 36 Monate flexibler gestaltet werden. Auch ohne die Zustimmung des Arbeitgebers sollen nach angemessener vorheriger Anmeldung zukünftig 24 statt 12 Monate zwischen dem 3. bis 8. Lebensjahr des Kindes von Müttern und Vätern in Anspruch genommen werden können.

Das Ehegattensplitting bleibt bei den Plänen zu mehr Aufgabenteilung aber unangetastet und wird wie auch das Betreuungsgeld im Koalitionsvertrag nicht einmal genannt. Beide Regelungen animieren Mütter zur Hausfrauen- oder Zuverdienerrolle und demotivieren Väter, sich alltäglich in die Erziehung und Familienarbeit einzubringen. Auch Schwesig wird wissen: Eine Politik zur Förderung von aktiver Vaterschaft, eine Männerpolitik aus einem Guss für „Deutschlands Zukunft“, müsste anders aussehen.

Frischer Wind in Sachen Gleichstellung

„Eine zeitgemäße Gleichstellungspolitik bezieht Jungen und Männer mit ein“, heißt es im Koalitionsvertrag. Der Subtext der traditionellen Gleichstellungspolitik – Gender means women – bedeutete bisher, dass Männer in der Rolle abwartender Beobachter blieben, während der Nutzen einer geschlechtergerechten Gesellschaft nur auf Seiten der Frauen gesehen wurde. Die Europäische Union nahm daher in den Gleichstellungspolitiken und Förderprogrammen der vergangenen zehn Jahre einen Paradigmenwechsel vor und sprach Männer als aktive Akteure im Gleichstellungsprozess an.

Die große Koalition greift dies aber nicht auf. Auf der Diskussionsveranstaltung wurde die Zuweisung einer randständigen Rolle der Männer daher als eine gönnerhafte Haltung kritisiert. Gleichstellungspolitische Interessen von Männern, die nicht oben auf der feministischen Agenda stünden, würden nachrangig behandelt – etwa die Männergesundheit oder auch Männer als Opfer von Gewalt.

Die schwarz-rote Politik bringt durchaus Fortschritte: Die Väterpolitik wird ausgebaut, die gleichstellungs-orientierte Jungenarbeit wird vermutlich weitergeführt. Doch an zentralen Stellen wie der Steuerpolitik und dem Betreuungsgeld sollen völlig konträre Zielsetzungen vereint werden. So erinnert es an die Echternacher Springpro-zession, zwei Schritte vor, einer zurück. Die UNESCO hat diese Prozession 2010 auf die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit gesetzt. Dort wird der Koalitionsvertrag trotz einiger Parallelen wohl nicht landen.

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