Die Strompreisbremse wäre wohl die einfachste Erklärung. Vielleicht haben die Beamten im Umweltministerium schlicht keine Zeit, um sich mit dem Gesetz über mögliche Atommüllexporte zu beschäftigen. Schließlich soll das Gesetz zur Begrenzung der Ökostrom-Umlage noch rechtzeitig zum Bundestagswahlkampf beschlossen werden.
Auch das Gesetz zur Atommüllentsorgung muss laut EU-Vorgabe bis August beschlossen sein, doch für den Wahlkampf ist es ungeeignet. Der Aufschrei war groß, als im Januar bekannt wurde, dass deutscher Atommüll künftig einfacher ins Ausland exportiert werden dürfte. Umweltminister Peter Altmaier (CDU) versuchte, zu beschwichtigen. Die Regierung stehe zum parteiübergreifenden Konsens, dass hochradioaktive Abfälle in Deutschland gelagert werden sollen. „Alles andere ist blühender Unsinn“, sagte Altmaier. Inzwischen deutet allerdings vieles darauf hin, dass seine Worte vielleicht keine Lüge sind, aber doch die Tatsachen verschleiern.
Seltsame Zufälle
Die Indizien sind jedenfalls zahlreich: In der Bundespressekonferenz verwies ein Sprecher Altmaiers auf einen Gesetzesparagrafen, der einen Export angeblich verbietet – den es aber gar nicht gibt. Später hieß es, das letzte Wort sei noch nicht gesprochen, am Ende werde „definitiv Klarheit“ herrschen über einen Vorrang für die Entsorgung im Inland. Gleichwohl hat die Deutsche Umwelthilfe herausgefunden, dass die Ministeriumsabteilung für Reaktorsicherheit bis heute nicht beauftragt wurde, den Entwurf zu überarbeiten.
Inzwischen hat selbst der Bundesrat gefordert, dass ein Export „kategorisch ausgeschlossen wird“, und auch die Opposition im Bundestag erkundigte sich, warum im Gesetzentwurf ein explizites Verbot fehlt – wenn doch angeblich niemand die Absicht hat, dass Strahlenmüll exportiert wird. Die Antwort des Umweltministeriums: Ein Verbot sei rechtlich unmöglich, das Gesetz müsse eine EU-Richtlinie umsetzen.
Nun ist aber fraglich, ob die EU-Kommission tatsächlich ein Verfahren gegen Deutschland einleiten würde, wenn es Atommüllexporte ausschließt. Immerhin ist derzeit mit Günther Oettinger ein CDU-Politiker Energiekommissar. Zudem soll die Richtlinie vor allem dazu dienen, dass kleine EU-Staaten später auf ein Endlager verzichten können.
Das Misstrauen unter Atomgegnern ist entsprechend groß. „Wenn der Atommüllexport erst einmal im Gesetz steht, dann wird er früher oder später auch stattfinden“, sagt etwa Jochen Stay von der Initiative Ausgestrahlt. Er verweist auf Transporte aus der Vergangenheit.
Es gilt das geschriebene Wort
Mehr als 27.000 Tonnen abgereichertes Uran hat die Uran-Anlage im westfälischen Gronau bisher nach Sibirien geschickt – laut Anlagenbetreiber kamen davon nur 15 Prozent zurück. Der Rest lagert in Russland unter freiem Himmel, auf Militärgebiet, kein Zutritt für Umweltschützer. Nach deutschem Gesetz ist das heute schon alles legal, weil das abgereicherte Uran als Wertstoff gilt. Im Jahr 2009 ist der Vertrag mit dem russischen Staatsunternehmen Tenex ausgelaufen, aber eine Neuauflage wäre jederzeit möglich. Die Uran-Anreicherungsanlage Gronau ist vom Atomausstieg nicht betroffen und darf weiterhin Reaktoren in aller Welt mit Brennstoff beliefern.
Ein weiterer Fall: Im Jahr 2010 sollte Atommüll aus dem sächsischen Forschungsreaktor Rossendorf ins russische Majak gebracht werden. Der Atombrennstoff wurde noch von der Sowjetunion geliefert, er fiel somit offiziell unter ein Abkommen zur „Rücknahme“ von Atommüll zwischen Russland, USA und der Internationalen Atomenergiebehörde. Ziel des Vertrags ist die Nichtverbreitung von atomarem Material. Den Abrüstungsnutzen des geplanten Transports konnte jedoch selbst die Bundesregierung nicht benennen. Nach Protesten wurde der Transport letztlich nicht genehmigt – offiziell wegen Bedenken zur Sicherheit.
Langfristig müssen natürlich international hohe Sicherheitsstandards für Atommülllager durchgesetzt werden. Doch wenn es der Regierung ernst ist mit einem Verbot von Atommüllexporten, dann muss sie zunächst solche Transporte durch Gesetze ausschließen. Alles andere schürt das Misstrauen in die Integrität des Umweltministers. Mit der steht und fällt aber derzeit der erhoffte parteiübergreifende Konsens über die Suche nach einem Atomendlager. Und dieses Thema hätte im Wahlkampf sicher mehr Sprengkraft als die Strompreise.
Fritz Walders schreibt im Freitag vor allem zum Umweltschutz und zu Fragen der Atompolitik
AUSGABE
Dieser Artikel erschien in Ausgabe 8/13 vom 21.02.20013
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.