Er war eine Ausnahmegestalt, eher Intellektueller als Philologe, auf den auch das Label Komparatist nur näherungsweise zutrifft. Mattenklott praktizierte das Crossover zwischen Kulturen und Disziplinen; verkörperte vielleicht als letzter jenen alten Anspruch, dass die (Geistes)Wissenschaft kein Vaterland habe, sondern von Natur aus kosmopolitisch und universal sei.
In einer Zeit, da sich die Hochschulgermanistik zunehmend in die intellektuelle Bedeutungslosigkeit katapultiert, legte er anhaltend großen Wert auf die geschichtsphilosophischen Dimensionen der Literaturwissenschaft. Diese haben ihn von Anbeginn geprägt, schließlich war Peter Szondi nicht nur sein Doktorvater, sondern auch sein intellektuelles Vorbild.
Durch eben diesen Szondi und Jakob Taubes wurde dem
ubes wurde dem 1942 in Berlin geborenen Mattenklott die untergegangene Kultur des deutschen Judentums vertraut, deren Bewahrung und Erforschung ihm zum wissenschaftlichen Lebensthema wurde. Ein prägender Einfluss war auch das Denken Walter Benjamins, worauf bereits der Titel seiner 1968 veröffentlichten Dissertation Melancholie in der Dramatik des Sturm und Drangverweist.Von 1968 bis 1969 war er Research Fellow an der Universität Yale, hier entstand die Habilitationsschrift Bilderdienst. Ästhetische Opposition bei Beardsley und George, eine Hommage an die antibürgerlichen Bürger, die ihre Gegnerschaft zu den herrschenden Zuständen in ästhetizistischen Männerbünden auslebten.Zu Hause an der FU Berlin war derweil drastischere Rebellion gefragt. Den kurzen Karneval der universitären Anarchie, der den 1968er Protesten nachfolgte, beschreibt er 1984 ebenso ironisch wie präzise in dem Essay Wiederkehr und Verabschiedung des Körpers.Antibürgerliche BürgerMattenklott beließ es Anfang der siebziger Jahre keineswegs bei der Marxlektüre und den Versuchen, die eigenen Gegenstände materialistisch zu fundieren, sondern war auch Teil der Bewegung, die neue Themen und Theorien in der damals arg verschnarchten Hochschulgermanistik verankerte. Die zusammen mit Klaus Scherpe herausgegebene Reihe Literatur im historischen Prozess und die ebenfalls von Scherpe und Mattenklott herausgegebenen Bände Berliner Grundkurs 18. Jahrhundert. Die Funktion der Literatur bei der Formierung der bürgerlichen Klasse Deutschlands im 18. Jahrhundert (1974) und Demokratisch-revolutionäre Literatur in Deutschland (2 Bde.1974/75) sind hier die wichtigsten Resultate. Als er 1972 auf eine C-4 Professur nach Marburg berufen wurde, kam er direkt ins Zentrum des marxistisch inspirierten, neuen linken Denkens. Dies versteinerte allerdings bald, weshalb er sich, kaum älter als seine Doktoranden, mit einem Kreis von Gleichgesinnten umgab. Er mischte sich freilich weiterhin in die linken Debatten ein, beklagte in der Literaturzeitschrift Kürbiskern„Die Erbkrankheiten linker Germanistik“ und ein klassizistisch-biedermeierliches Menschenbild, sowie generelle Spießigkeit bei den „studentischen Arbeiterparteien“ in seinem Essay Was interessiert Marxisten am Frühling. Hier wie anderswo plädiert er für die Emanzipation der Sinne und der Sexualität. Dies schlug sich auch in seinen literaturwissenschaftlichen Veröffentlichungen nieder, in denen er sich wiederholt mit Werk und Vita schwuler Autoren wie Klaus Mann oder Hubert Fichte befassteIn den achtziger Jahren pendelte er zwischen Marburg, Berlin und Frankfurt, kooperierte mit Musik- und Kunstwissenschaftlern und unternahm so manchen Ausflug in die italienische, französische und amerikanische Germanistik, hatte Gastprofessuren in Israel oder Japan. Reisen und Schreiben wurden so zu seinen Lieblingsthemen, was sich auch in der Aufsatzsammlung Der übersinnliche Leib. Beiträge zur Metaphysik des Körpers (1982) niederschlägt.Meister der kleinen FormAls der leidenschaftliche Berliner Mattenklott 1994 an die Freie Universität zurückkehrte, folgten Jahre der verstärkten Sesshaftigkeit und des hochschulpolitischen Engagements, in denen er seinem reich mit Drittmitteln ausgestatteten Institut internationale Geltung verschaffte. Mit dem Wechsel von Marburg nach Berlin wandelte er sich vom enfant terrible und ästhetizistischen Linksgermanisten zum klassischen Ordinarius und international versierten Wissenschaftspolitiker. Vielen seiner Themen, wie der Ästhetik und den Studien zur deutschjüdischen Kultur, hielt er jedoch die Treue. Mit KollegInnen wie Eveline Goodman-Thau, Jost Hermand oder Julius Schoeps gab er Sammelbände zu diversen Themen heraus und war auch Miteditor von Gustav Landauers, Hanns Eislers und Georg Hermanns Werken. Bei aller Produktivität blieben dabei doch wichtige Monographien ungeschrieben, so die Buchfassung seiner legendären Romanvorlesung, die Dienstags im Hörsaal H der Philosophischen Fakultät der Universität Marburg als Hochamt zelebriert wurde, aber auch andere Projekte, wie auch als Buchprojekt angelegte Vorlesung über Stadt und Literatur, die niemals ein lesendes Publikum erreicht haben.Seine literarische Produktivität war fast bis zum Schluss ungebrochen, man kann ihn ohne zu übertreiben als Meister der kleinen Form und überzeugten Essayisten bezeichnen, der gerne auch für Zeitschriften und Zeitungen schrieb, wobei seine Themen von Mode über Weltliteratur bis zur Philosophie reichten. Seine elegante, geschliffene Prosa war eigentlich für die Wissenschaft zu schade und verlangte ein breiteres Publikum. Mit seinen Essays, die sich im Grenzgebiet zwischen Literatur und Wissenschaft bewegten, setzte er eine Tradition fort, die seit Benjamin, Bloch und Kracauer in Deutschland weitgehend heimatlos geworden war. Vergangenen Samstag ist er nach langer, schwerer Krankheit in Berlin gestorben.