Ein Buch des Kölner Journalisten Karl Rössel heißt Unsere Opfer zählen nicht. Darin erzählen Rössel und andere Autoren den Zweiten Weltkrieg neu – von Afrika und Südamerika aus gesehen, aus asiatischer und ozeanischer Perspektive. So betrachtet nimmt der Krieg sich anders aus. Er bricht früher aus und seine Fronten verlaufen anders. Die Kriegseinsätze der Soldaten aus der Dritten Welt, schreiben die Autoren und Autorinnen, kommen in den europäischen Geschichtsbüchern nicht vor, die Gefallenen sind nirgends aufgelistet. „An ihre Opfer erinnert kaum ein Monument und an den Bombenterror in ihren Städten keine Fernsehserie.“
Das Buch entspricht inhaltlich ziemlich genau der Ausstellung Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg. Am 1. September, am Jahrestags des europäischen Kriegsbeginns also, wurde sie in Berlin eröffnet. Bis 2011 wird sie in vielen deutschen Städten zu sehen sein. Ihre Premiere sollte eigentlich in der Neuköllner „Werkstatt der Kulturen“ stattfinden. Aber deren Leiterin Philippa Ebéné weigerte sich kurzfristig, die Räumlichkeiten wie geplant zur Verfügung zu stellen – angeblich, weil auf drei der insgesamt 96 Schautafeln die Kollaboration von Arabern mit den Nazis dargestellt wird. Ebéné sagt, ihre Weigerung habe nichts mit dieser Präsentation der Kollaboration im Nahen Osten zu tun. Sie wolle eine „Hommage“ und dazu passe der Hinweis auf Kollaboration und Kriegsverbrechen nicht: „Einmal in siebzig Jahren kann man doch Danke sagen!“
Der Verdacht, es sei in Neukölln nicht möglich, über die Zusammenarbeit arabischer Nationalisten mit den Nazis zu sprechen, sorgte für reichlich Aufmerksamkeit und reichlich schlechte Presse. Seitdem ist Ebéné auf der Flucht nach vorne. Sie und ihre Unterstützer versteigen sich in immer haltlosere Anwürfe. Zuletzt war zu lesen, es zeuge von einer „problematischen Einstellung“ der Ausstellungsmacher, dass sie von „Dritter Welt“ sprechen und damit den Erdteil erst an dritter Stelle nennen würden, nach allen anderen Weltregionen. (Bekanntlich ist der Ausdruck in Analogie zum „Dritten Stand“ im französischen ancien régime gebildet.)
Es geht um die richtige Form des Gedenkens, um Anerkennung, in manchen Fällen sicher auch um Entschädigung für oder wenigstens nachträgliche Entlohnung von Zwangsarbeitern und Kolonialsoldaten. Vielmehr: Es ginge darum, wenn nicht Ebénés Vorgehen zu einem erinnerungspolitischen Streit auf niedrigstem Niveau geführt hätte. Während Rössel und Kollegen nun von der einen Seite als „Kolonialrassisten“ beschimpft werden, mobilisiert ihre Ausstellung heftige Ressentiments bei solchen, die es für „Gutmenschentum“ halten, über Rassismus und Kolonialismus zu sprechen und deren Opfer zu würdigen.
Es ist, als führten die Beteiligten die Tragödie der europäischen Opfer des Nationalsozialismus auf globaler Ebene noch einmal auf, und sie gerät dabei vollends zur erinnerungspolitischen Farce. Da soll man sich nun zu Fragen verhalten, die nichts mit dem Thema zu tun haben und eine vernünftige Auseinandersetzung unmöglich machen: Unterstützt Du die arabischen Judenhasser? Oder bist Du für die Kolonialmächte und Sklavenhalter? Es ist wahr, mit dem Hinweis auf die Verstrickung von Opfern in die NS-Verbrechen wird die historische Verantwortung relativiert. Aber: „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ war zu komplex, um in ein simples Opfer-Täter-Schema gepresst zu werden.
Kommentare 2
@ Matthias
Das Thema ist vielleicht nicht unwichtig, aber die ganze Geschichte sowie deine Darstellung scheinen mir doch recht unausgegoren.
Was genau wollen die Ausstellungsmacher, was genau hat Philippa Ebéné dagegen, und worauf genau zielst du hier ab?
Unter dem Vorbehalt solchen Unverständnisses gebe ich folgendes zu bedenken: Dass unsere Geschichtsbücher ganz allgemein eurozentristisch sind, ist doch eine Binsenweisheit. Die Ming-Dynastie kommt darin auch nicht vor. Was mir also unklar ist: „An ihre Opfer erinnert kaum ein Monument und an den Bombenterror in ihren Städten keine Fernsehserie.“ - was haben wir damit zu tun? Wer hindert einstmals überfallene Staaten und bombadierte Städte daran, Monumente für die Opfer zu errichten? Vielleicht habe ich aber, wie gesagt, hier etwas missverstanden.
Gänzlich unklar ist mir aber die Aussage: "Es ist wahr, mit dem Hinweis auf die Verstrickung von Opfern in die NS-Verbrechen wird die historische Verantwortung relativiert." Wie das? Und von wessen Verantwortung ist hier überhaupt die Rede? Für die NS-Verbrechen tragen die NS-Verbrecher die Schuld, und sonst niemand, und für die Folgen des Krieges trägt die Bundesrepublik als völkerrechtlicher Nachfolgestaat des 3. Reiches die historische Verantwortung. Die gründet aber doch auf den Verbrechen, und die werden doch nicht relativiert die Verstrickungen von irgendjemandem darein. Überhaupt: von welchen Verstrickungen welcher Opfer ist hier eigentlich die Rede?
An wen oder was um alles in der dritten Welt sollte nach Ebéné die Ausstellung denn eine „Hommage“ sein? Es sind wohl arabische oder arabischstämmige Bewohner Neuköllns, auf deren Veranlassung oder um deretwillen die Ausstellung dort nicht gezeigt werden soll, oder wie? Den Reim muss ich mir aber selber darauf machen. Aus deiner Darlegung geht das nicht hervor. Ist das denn aber ein Grund für ein solches Hickhack und für solche Publizität, u.a. hier? Ich denke, dann sucht man sich vor Ort einen anderen Platz für die Ausstellung, womöglich mit Unterstützung des Bezirksamtes oder in deren Räumen, erweitert die Ausstellung um Wochenschauberichte über den Besuch des Großmufti von Jerusalem bei Hitler, und fertig ist die Laube.
Karl Rössel ist Journalist und hat dem Zentrum Moderner Orient bereits im letzten Herbst in einer Radiosendung vorgeworfen, die arabische Kollaboration mit dem Nationalsozialismus zu verharmlosen
www.wadinet.de/news/iraq/newsarticle.php?id=5195
Der Karl Rössel hat offensichtlich ein Lieblingsthema und die deutschen Presse inklusive Matthias Becker unterstützt ihn, dabei schafft er etwas was kein Nazi bislang hinbekommen hat und zwar die Deutschen von ihrer Schuld am 3. Reich zu befreien.
Die Ausstellung ist schlecht recherchiert und ist eine Verkaufsschau und eine Völkerschau die an alte Kolonialfilme erinnert.