Was nach der Apartheid kommt

Ausstellung Die Bremer "Spedition" wirft einen Blick auf die südafrikanische Comic-Szene: "We are not armed – don’t shoot". Der Umgang mit der Vergangenheit ist weiterhin nicht leicht

In der Ausstellung We are not armed – don’t shoot über hierzulande kaum bekannte Comics aus Südafrika hat man Bilder aus Anton Kannemeyers Alphabet of Democracy zu einem Triptychon arrangiert: Flankiert von Wörterbuch-Definitionen für „B is for Black“ und „W is for White“, die mit Porträts im Stil der Ligne claire unter Wiedergabe von dort häufig verwendeten rassistischen Stereotypen illustriert sind (beispielweise in Hergés Tim im Kongo), hängt das Bild eines Schwarzen in einer Sänfte. Vor dem Hintergrund eines Monumentalbaus, der an das Leipziger Völkerschlacht-Denkmal erinnert, wird dieser von vier weißen Männern getragen: „N is for Nightmare“.

Albträume weißer Afrikaner gibt es in der Schau in der Bremer Spedition reichlich zu betrachten. Die dort ausstellenden Künstler stammen überwiegend aus dem Umfeld des von Anton Kannemeyer und Conrad Botes 1992 gegründeten südafrikanischen Magazins Bitterkomix. Die Schreibweise sucht den Bezug zu den US-Underground-Comix der sechziger Jahre, und zu deren kompromissloser Darstellung von Sex, Gewalt und Politik etwa durch Robert Crumb.

Auch spätere Strömungen innerhalb der Independent-Comics sind in dieser Werkschau erkennbar: Das einflussreiche Werk eines Charles Burns zeigt sich etwa bei den Figuren Joe Dalys in der Anatomie und durch dick getuschte Striche. Wie in den Wimmelbildern Sebastian Borckenhagens stehen fantastische oder poetische Elemente im Vordergrund. Anton Kannemeyers Bruder Mark dagegen nutzt Inhalte der Trivialkultur, um das südafrikanische Unterbewusstsein in schraffierten Albtraumlandschaften festzuhalten.

Überwindung der Sterblichkeit

Das dekonstruktive Zitat aber ist die Domäne Anton Kannemeyers: Crystallization of Love 1 kombiniert pornografische Fotografie mit dem Titelbild eines Romance-Comics des Charlton-Verlages. Der Verlag verdankte seinen Aufstieg unter anderem der Einführung einer zensurähnlichen freiwilligen Selbstkontrolle durch den amerikanischen Senat in den 1950er Jahren. So entsteht ein Verweis auf den durch Verbote kulturell stagnierenden ehemaligen Apartheidstaat. In Black Angel, der Nacherzählung der biblischen Geschichte von der Opferung Isaaks durch Abraham, erfolgt beider Rettung durch den Superhelden Angel von den X-Men, der, anders als in der Originalvorlage, dunkle Haut hat. Es zeigen sich Parallelen zum immer noch von weißen Amerikanern geprägten Superheldengenre; durch christliche Mythologie wird der Wunsch nach Einheit von Gegensätzen und das Besiegen des Todes veranschaulicht.

Besonders schön ist die Überwindung der Sterblichkeit in den Originalzeichnungen von Karlien de Villiers’ Newborn-Geschichte über ihre Mutterschaft oder in Lithografien wie Objet Sacre konzeptualisiert. Villiers repräsentiert die weibliche Minderheit unter den Künstlern, während die Brüder Traantal die einzigen teilnehmenden Schwarzen sind. Deren Werke tragen Bildunterschriften wie Pixel on Canvas und stehen für eine junge Generation, die von Manga und Animes geprägt ist. Einer der Traantal-Comics heißt denn auch doppelsinnig Coloureds. Er entlarvt den wohlwollenden Einsatz weißer zugunsten schwarzer Afrikaner als verdecktes Herrenmenschentum – womit wir wieder bei Tim im Kongo wären.

We are not armed dont shoot. Südafrikanische Comix jenseits der Apartheid. Bis 16. Oktober. Spedition, Bremen

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