Was Nora Gomringer sehr gut in den Mund passt

Wortkunst Am 15. Oktober wird ihr der Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache verliehen – und es gibt neue Bücher der Autorin von "Klimaforschung"

Als einziges von acht Kindern der Wissenschaftsmutter Nortrud und des bekannten Dichtervaters Eugen Gomringer hat sich Tochter Nora der Arbeit und dem Vergnügen am Wort verschrieben – trotz des „seltsam vorbereitet scheinenden Weges“. Schreibt eben diese Nora Gomringer in dem Text SpiegelxelfeR, nun nachzulesen in dem Band Ich werde etwas mit der Sprache machen, der Essays, Reden, Glossen und Feuilletonbeiträge der 1980 geborenen Lyrikerin erstmals versammelt.

Nora Gomringer ist also Dichterin geworden, obwohl im Hause Gomringer keine Bilder an den Wänden hingen, „sondern Texte, in denen mit wenigen Worten die Idyllen heraufbeschworen wurden, die in den Familien meiner gleichaltrigen Freunde bildhaft dargestellt wurden: baum kind hund haus“. Ein Gedicht des Dichtervaters, der zugleich Vater der Konkreten Poesie ist.

Wer Nora Gomringer je bei einer Lesung erlebt hat, wird aber womöglich gar nicht nach ihrer Vita fragen wollen (über die man in dem Band ja doch Interessantes erfährt), sondern vor allem das Vergnügen vergegenwärtigt halten, das diese Sprachakrobatin mit dem virtuosen Vortrag ihrer hintersinnigen Texte bereitet. Wenn Gomringer ihre Stimme hebt und senkt, die Worte dehnt und drängt, kommt mit Leichtigkeit daher, was zugleich ganz und gar ernst gemeint, ernst gedacht, ernst gemacht ist. Der poetologische Essay Lyrik und Larynx vermittelt eindrücklich die Ernsthaftigkeit in der dichterischen Vorgehensweise der so begabten und begeisternden Autorin, die auch als Poetik­dozentin lehrt.

Es ist die gleiche leidenschaftlich-leichtfüßige Ernsthaftigkeit, mit der Nora Gomringer auch mehrere Jahre als Poetry Slammerin aufgetreten ist und wofür sie in diesem Jahr von der Jury des Jacob-Grimm-Preises ausgezeichnet wird. Sie bekommt den Preis „für ihre sprachliche Leistung als Lyrikerin, die einer neuen Form des Dichtens in Deutschland zur Popularität verhalf – der Slam Poetry“, wie es etwas altväterlich in der Begründung heißt.

Dabei ist sie, nachzulesen in dem Text Cut: Nora Gomringer. Was mir nicht in den Mund passt, nach der Veröffentlichung ihrer ersten beiden Lyrikbände von der Slambewegung eher „eingesteckt und mitgenommen“ worden.

Und auch wenn die Autorin in der Reflexion ihre Sprechtexte von den Gedichten trennt, kommt es ihr am Ende doch am dringendsten auf den Ton an, für den es den Vortrag eben nicht braucht, denn Ton, das ist „die Erinnerung an den Klang eines Gedichtes oder vielmehr die Klangstruktur, die seine Kenntnis in einem selbst aufzubauen vermochte“.

Der vorliegende Band zeigt aufs Lesbarste, was den Hintergrund einer Autorin geprägt hat und ausmacht, die in ihrem Eigensinn nicht nur eine Brücke zwischen der „Spoken Word-“ und der traditionellen Dichtung geschlagen hat. Sie erzählt in mehreren Texten auch von ihren Beobachtungen auf Reisen durch die reale Welt und die der Sprache, vom stetigen Vorantreiben des Suchens und Findens des eigenen Tons, von allem, was „menschlich und poetisierbar, weil mit Sehnsucht zu betrachten“ ist.

Dass das nicht ohne Anstrengung geht, macht der Band Mein Gedicht fragt nicht lange deutlich. Er versammelt Gedichte aus den Jahren von 2000 bis 2008, darunter die der beiden Bände Sag doch mal was zur Nacht (2006) und Klimaforschung (2008), mit denen Nora Gomringer ein größeres Publikum erreichte. Unter den allerfrühesten, im Abiturientinnenalter verfassten Gedichten sind freilich nicht nur Glanzstücke, sondern vor allem unter den Liebesgedichten von fern an die Verschenktexte der achtziger Jahre erinnernde, der Einfachheit auf den Leim gehende Verse zu finden, während andere mehr wie ein Experiment denn wie Gedichte wirken. Doch vor dem Hintergrund des in Lernziele formulierten Anspruchs „jedes Wort kennen, jeden Ton hören zu lernen“ vollzieht man gerne auch die frühen Schritte einer Autorin nach, die sehr aufregende Dinge mit der Sprache macht und bestimmt noch viel Aufregendes und Unerwartetes mit ihr machen wird.

Ich werde etwas mit der Sprache machenNora Gomringer Voland  Quist 2011, 128 S., 14,90 €

Mein Gedicht fragt nicht langeNora Gomringer Voland 2011, 336 S., mit Audio-CD, 24,90 €

Beate Tröger schrieb im Freitag zuletzt

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Geschrieben von

Beate Tröger

Freie Autorin, unter anderem für den Freitag

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