Winfried Kretschmann, der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, ist Ex-Lehrer, Ex-Kommunist, Katholik und Parteirealo, also kurz: Pragmatiker. Pragmatische Menschen haben gewöhnlich einen nüchternen Blick auf die Welt, was mitunter hilfreich sein kann in turbulenten Zeiten wie diesen. Und so hat der „Winnie“, wie ihn seine Parteifreundinnen und -freunde gern nennen, für 2018 einen ganz persönlichen, ganz pragmatischen Wunsch: mehr Zeit für „große Linien“. Mit solchen lässt es sich offenbar leichter leben und die Welt besser einordnen.
Es sei wichtig, findet zumindest Kretschmann, „dass man den Überblick behält, gelassen bleibt und sich nicht zu sehr von den kleinen Dingen bewegen lässt
ann, der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, ist Ex-Lehrer, Ex-Kommunist, Katholik und Parteirealo, also kurz: Pragmatiker. Pragmatische Menschen haben gewöhnlich einen nüchternen Blick auf die Welt, was mitunter hilfreich sein kann in turbulenten Zeiten wie diesen. Und so hat der „Winnie“, wie ihn seine Parteifreundinnen und -freunde gern nennen, für 2018 einen ganz persönlichen, ganz pragmatischen Wunsch: mehr Zeit für „große Linien“. Mit solchen lässt es sich offenbar leichter leben und die Welt besser einordnen.Es sei wichtig, findet zumindest Kretschmann, „dass man den Überblick behält, gelassen bleibt und sich nicht zu sehr von den kleinen Dingen bewegen lXX-replace-me-XXX228;sst“. Darauf käme es an in der globalisierten Welt: die „großen Linien rauszufinden, sich darauf zu konzentrieren und Kurs zu halten“.Aber was sind die „großen Linien“?Das sagt Kretschmann nicht. Nun könnten wir die „großen Linien“ festlegen, bestimmen, was wichtig wird in diesem Jahr. Wir könnten orakeln, dass die GroKo kommen wird, auf jeden Fall, egal, wie stark die SPD dabei noch schrumpft und wie ähnlich sich dabei die beiden „Volksparteien“ noch werden. Wir könnten die linke Sammlungsbewegung, die der frühere Linke-Chef Oskar Lafontaine gerade wieder beschwört, locker abmoderieren. Weil wir ahnen, dass ein Mix aus linken, sozialdemokratischen und grünen Ideen vielleicht wünschenswert wäre als „große Linie“, am Ende aber so unrealistisch wie die Bürgerversicherung. Die hatte die SPD als „große Leitlinie“ in die GroKo-Verhandlungstüte gepackt – versuchen kann man es ja mal.Ebenso könnten wir an dieser Stelle über „große Linien“ in der Flüchtlings- und Migrationspolitik spekulieren. Über Obergrenzen, atmende Deckel, atmende Rahmen oder was Politikerinnen und Politiker noch so für Euphemismen finden, um zu verschleiern, dass zu viele Flüchtlinge schlicht nicht willkommen sind in diesem Land. Wir könnten über Kohlekraftwerke reden, auf deren Abschaffung sich die Grünen konzentrieren werden in diesem Jahr. Ebenso über Elektroautos, die die Ökopartei hingegen fördern will. Oder über die FDP und ihren Guru Christian Lindner, über die liberale Vorstellung eines gerechten Steuersystems sowie eine liberal anmutende Europäische Wirtschafts- und Währungsunion.Wir könnten den Fachkräftemangel hierzulande beschreiben und ausrechnen, wie viele Facharbeiterinnen und Facharbeiter aus Indien, China, Syrien, Afghanistan, Polen und Griechenland es bräuchte, damit Bäcker, Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser und Metallbetriebe zwischen Rostock und Garmisch-Partenkirchen unbeschwert arbeiten können.Aber das machen wir nicht. Weil wir nicht schlauer sind als das Jahr, das gerade erst begonnen hat. Wir wissen nicht, ob US-Präsident Donald Trump nicht doch vorzeitig aus dem Amt gefegt wird. Auch nicht, wie die Brexit-Verhandlungen verlaufen werden und wie das mit Jerusalem weitergeht.Wir ahnen aber, welche Themen Ihnen und uns 2018 keine schlaflosen Nächte bereiten müssen. Wir haben sie auf dieser Doppelseite für Sie zusammengestellt.Was wir aber mit Gewissheit sagen können: Ab 2018 gilt eine längere Abgabefrist für Steuererklärungen. Diese müssen jetzt immer erst bis Ende Juli des Folgejahres abgegeben werden. Ihre Steuererklärung für 2018 müssen Sie also spätestens am 31. Juli 2019 einreichen. Und das ist dann doch mal eine richtig gute Nachricht.BERDie Rechenkünste des Berliner Tagesspiegels werden seit geraumer Zeit auf eine harte Probe gestellt: Er zählt nämlich täglich den Countdown für die Eröffnung des BER. Aber jedes Mal, wenn sich der Eröffnungstag nähert, darf man sicher sein, dass irgendeine Brandschutzanlage, zu kurze Rolltreppen oder auch nur ein korrupter Technikchef den Start verhindern. Der nächste Eröffnungstermin steht also komplett in den Sternen.Die ScheuneDer Baubeginn für das Museum der Moderne in Berlin wurde auf 2019 verschoben. Bis dahin soll Stiftungspräsident Hermann Parzinger ein sechsköpfiges Beratergremium in allen „diffizilen Fragestellungen“ rund um die sogenannte Scheune der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron zur Seite stehen. Die Berliner werden die Verzögerung verkraften, bieten doch das Humboldt Forum, die Potsdamer Garnisonkirche und der BER ausreichend Zündstoff.RedenZum Beispiel mit Rechten. Haben wir nämlich schon in den 1990ern gemacht. Damals hieß es allerdings noch „Glatzenstreicheln“. Die Zeit des Redens, zumindest mit dem politischen Gegner, ist ohnehin vorbei, wie man hört. Mit Rechten reden, das ist ja allenfalls etwas für Salondemokraten, Großstadtintellektuelle. Keinesfalls jedoch staatsbürgerliche Pflicht, wie mancher meinen könnte. Wir haben es also mit einer klassischen Win-win-Situation zu tun: Ab 2018 haben wir alle Zeit der Welt, darüber zu reden, mit wem wir nicht reden wollen. Und Rechte haben alle Zeit der Welt, darüber zu reden, dass niemand mit ihnen reden will.1968Weil aus den Hippies Spießer geworden sind.BestenlistenKochbücher kommen in Bestsellerlisten kaum vor, höchstens in der einschlägigen Fachpresse. Wie wiederum Jurys entscheiden, welche Bücher auf ihre Bestenlisten kommen, versteht eigentlich niemand so richtig. Vielleicht nicht einmal die Jurymitglieder selbst. Dass alle Beteiligten die Listen, an deren Zustandekommen sie also auf quasi magische Art und Weise beteiligt waren, vor deren Veröffentlichung zur Kenntnis nehmen, ist auch nicht unbedingt gesagt. Von der Lektüre der empfohlenen Bücher ganz zu schweigen.#MeTooDie nächste Sexismusdebatte wird sich mit Männern beschäftigen.KatzentweetsMittlerweile dürften alle, wirklich alle, Katzenbilder gepostet worden sein. Wer aber denkt an all die Affen und Tiger, beispielsweise in Jakarta? Die indonesische Millionenmetropole droht zu versinken, weil der Meeresspiegel ansteigt und der Grundwasserspiegel sinkt. Die Stadt überlegt, einen Wall zu bauen, sieben Meter hoch, 35 Kilometer lang. Auf einen Termin, zu dem die Betonmauer fertig sein soll, will sich die indonesische Regierung allerdings nicht festlegen. Möglicherweise haben sie Berater vom BER.MännerpilleEine hormonelle Verhütungsmethode für den Mann stand seit den 1970ern immer mal wieder „kurz vor dem Durchbruch“. Bis sich Nebenwirkungen zeigten: Gewichtszunahme, Depressionen. Das kommt Männern natürlich nicht in die Tüte. In diesem Jahr sollen klinische Studien für eine nichthormonelle Verhütungsmethode starten, das Vasalgel. Das wird in den Samenleiter gespritzt und hält Spermien von ihrer Durchreise ab. An Pavianen wurde das bereits erfolgreich getestet. Aber Hetero-Männer werden es abblitzen lassen – so wie sie noch jede Verhütungsmethode ausgesessen und auf die Frauen abgewälzt haben.VolksbühneDer Theaterstreit des Jahres wird nicht am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin ausgetragen, sondern in München-Garching. Umkämpft ist am dortigen Römerhof-Theater nicht die Neuintendanz eines Kurators, sondern ein Notausgang, dessen Tür sich nach innen öffnet. Die Stadt beruft sich auf eine Genehmigung von 1992, der Fraktionsvorsitzende der Grünen wirft dem Bürgermeister (SPD) indes vor, „mit seinen Aufgaben schlicht überfordert zu sein“. Wenn das kein Stoff für eine tragische Farce ist.Nachtrag 7. Januar, 14.48 Uhr: Mail des Fraktionvorsitzenden der Grünen im Garchinger Stadtrat, Hans-Peter Adolf: "Die Probleme sind mittlerweile gelöst!" Von Garching lernen,….LinksradikaleDer Zenit der Aufmerksamkeit für sie ist überschritten. Es folgt: das Jahr der Polizei. So fahren die Beamten in Sachsen in neuen Panzern auf, deren an düsterste Zeiten erinnernde Sitzbestickung erst spät und nachgerade zähneknirschend entfernt wurde. In Mecklenburg-Vorpommern flogen Polizisten als Mitglieder im „Kommando Heimatschutz“ auf. In NRW dürfen Polizisten erst einmal ohne individuelle Kennzeichnung agieren. Und die Videos der Polizeigewalt in Hamburg kann auch nur noch der dortige Erste Bürgermeister Olaf Scholz ignorieren. Das läuft den Linksradikalen doch jeden Rang ab.InsektensterbenVon der Idee bis zur Drucklegung eines Sachbuchs dauert es immer eine Weile. So erschien das Gros der Bücher zur Flüchtlingskrise nicht im Sommer 2015, sondern ein gutes Jahr später. Wer jetzt die Vorschauen der Buchverlage durchblättert, wird feststellen, dass sich für das Frühjahr kein Trend zeigt. Es ist ein Kudelmuddel von Müdigkeit bis Marx. Vollkommen fehlen die Bücher über das große Insektensterben, das uns seit letzten Herbst nahegeht. Die kommen dann noch. Jetzt gibt es erst einmal Bücher über Hunde, Pferde, Katzen ...Fußball-WMOhne Italien und Holland fehlen einfach mal die Klassiker.PisastudienVergleichen Sie Singapur mit Deutschland? Bayern mit Berlin? Na also.FrontmannWer wird 2018 für die EU man of the match? Im Vorjahr war Emmanuel Macron ohne Konkurrenz. Für 2018 bringt sich Martin Schulz mit der Idee, Vereinigte Staaten von Europa auszurufen, ins Gespräch und jemanden ins Geschäft: Ungarns Premier Viktor Orbán. Für die EU-Skeptiker in Osteuropa ist er als man of the match die Idealbesetzung, weil elegant und leichtfüßiger als das dogmatische Superschwergewicht Kaczyński. Ein Csárdásfürst, der für Schulz wie einst Emmerich Kálmán nur eine Antwort kennt: „Tanzen möcht’ ich, jauchzen möcht’ ich!“
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