Auf dem Bild sind Menschen und ein Flugzeug zu sehen. Im Hintergrund eine Rollbahn, eine schroffe Bergkulisse. All das kennt man: aus der Tourismusbranche, als Motto für Trips um den Globus, als stolzen Hinweis darauf, dass das Flugzeug dich überall hinbringt, in einer globalisierten Welt – wenn du möchtest, Zeit findest und dir das Ticket gönnst.
Doch über einem der Gipfel in der Ferne steht eine schwarze Rauchwolke. Die Menschen um das Flugzeug wirken nicht wie Tourist:innen: Viel zu dicht gedrängt stehen sie, sind nicht reisetauglich gekleidet, es fehlt Gepäck, es fehlen Frauen. Und was machen sie auf dem Flugzeugdach, auf den Flügeln, wieso umklammern sie die Räder?
Die Bilder aus Kabul wiederholen sich, denn die Krise am Flughafen dauert an. Seit über einer Woche drängen sich Afghan:innen aus Angst vor den Taliban um das Symbol, das ihnen Rettung verspricht, die Flugzeuge, die sie irgendwo hinbringen sollen, nicht aus Neugier auf andere Kulturen, die sie erkunden wollen, sondern aus Furcht um ihr Leben.
„Viele Menschen harren am Flughafen aus, die der Herrschaft der Taliban entfliehen wollen“, heißt es am Sonntag in einer heute-Sendung zu ähnlichen Bildern, und weiter: „Unklar ist, wer wirklich die Berechtigung dafür hat.“ Die Berechtigung, aus einer sich abzeichnenden Diktatur zu fliehen? Muss man diese Berechtigung tatsächlich erwerben – müsste sie nicht jeder, jede haben? Die Flughafenbilder aus Kabul, flankiert mit Aufnahmen von angeblich aus der hoch oben fliegenden Maschine fallenden Menschen, die sehr früh und ohne Bestätigung ihres Inhalts gezeigt wurden, evozieren nicht nur durch die Funktion der sichtbaren Elemente (Flugzeug, ausreisewillige Menschen) eine symbolische Bedeutungsumkehr: Sie stehen auch für das Problem, das bleibt, wenn alle Menschen auf den Bildern es tatsächlich in einen Flieger schaffen. Denn selbst wenn sämtliche Journalist:innen, Mitarbeiter:innen, Aktivist:innen ausgeflogen werden, wenn sie Visa, Asyl, Schutz irgendwo in einer sichereren Region bekommen, bleiben Menschen zurück. Und deren Schicksal wird nicht mehr von Reporter:innen beobachtet und (mit)geteilt: Je mehr aus dem Land gebracht werden, desto weniger weiß man über die Verbleibenden. Die Bilder, die soeben ikonisch geworden sind, verschwinden, weil die Fotograf:innen und Kameraleute verschwinden müssen, schon jetzt kommt im Bilder-Feed der Agenturen mehr und wackeligeres Smartphonematerial an. Es wird unter der Herrschaft der Taliban nicht leichter werden, Informationen aus dem Land zu bekommen, sondern eventuell Todesgefahr bedeuten, Informationen weiterzugeben.
Auf den Bildern sieht man wenige Frauen – die Video- und Fotoaufnahmen, die durch die Nachrichten flimmern, zeigen größtenteils junge Männer. Es sind die Frauen, die am meisten zu befürchten haben. Doch sie bleiben die Schwächsten – schaffen es eventuell nicht mehr allein auf die Straße, geschweige denn zum Flughafen. Ihr Schicksal, das am meisten gefährdet ist, bleibt am wenigsten sichtbar.
Das Bild mit Flugzeug und Menschen steht in Afghanistan nicht mehr für Neugier, Abenteuerlust und Globalisierung. Sondern für Flucht, und für Angst: Angst, die so groß ist, dass man Verletzungen, den Tod in Kauf nimmt. Dass man nächtelang am Flughafen campiert, drängelt, rennt, seine Kinder über Zäune hebt, auf Flugzeugräder klettert, obwohl man weiß, dass man das Instrument zur Rettung damit lahmlegt.
Das mit verzweifelten Menschen behängte Flugzeug in Kabul ist so weit weg vom Mallorca-Urlaubsbomber, wie es die beiden Welten sind: Hier macht man sich Sorgen darüber, welcher Balearenteil zum Risikogebiet erklärt wird, weil dann die Woche Urlaub verschoben werden muss oder Quarantäne droht. Dort sorgt man sich um sein Leben.
Kommentare 20
Der Artikel klingt von Anfang bis Ende wie eine nachträgliche Gutheißung der US-amerikanischen Besatzung, unterstützt von deren Hilfskräfte aus aller Welt. Und mit Verlaub, seit wann hat die hiesige Medienlandschaft Schwierigkeiten, aus Ländern zu berichten, über die der westliche Stab gebrochen wurde? Ich empfehle, damit zu warten, bis die neuen Machthaber ihre Herrschaft errichtet und Grund, verifizierbarer Grund, dafür vorhanden ist. Es ist jetzt Sache der dortigen Bevölkerung, und zwar ohne Einmischung von außen, das Schicksal des Landes in die eigenen Hände zu nehmen. Kriegt der Westen das hin? Zweifel sind angezeigt, denn die Einmischung in die inneren Angelegenheiten souveräner Staaten ist hierzulande Doktrin und sie hat, mit der unrechtmäßigen Sperrung der Staatsguthaben durch den Weltunterdrücker nie aufgehört.
Es gibt keine "Afghanen", es sei denn, man meint die Windhunde.
Ich finde, man sollte sich einfach auf Umsiedlungen im Land selbst und nachherige Aufteilung Afganistans unter seinen Nachbarn einigen. Da wären Taliban und IS bald Geschichte und jeder Teil hätte eine durchsetzungsfähige Regierung.
Die Frage, was passiert, wenn sämtliche Journalist:innen, Mitarbeiter:innen, Aktivist:innen ausgeflogen werden, wenn sie Visa, Asyl, Schutz irgendwo in einer sichereren Region bekommen, ist nicht allzuschwer zu beantworten. Sofern die Taliban nicht das Internet vollends kappen, werden Doku-Snippets in soziale Medien gelangen – von dort eventuell auch, es bleibt ja sonst wenig übrig, in die großen Medien. Da man ein Land nicht vollends von der Außenwelt abschließen kann, werden auch sonstige Berichte durchsickern. Ebenso wird es investigative Journalist:innen geben, die sich trotz der repressiven Verhältnisse nicht abschrecken lassen.
Summa summarum wird die Informationslage deutlich dünner und unzuverlässiger. Eine Nachrichtenblockade wie in Nordkorea werden die Taliban mit ihren beschränkten Mitteln jedoch nicht durchziehen können.
»Summa summarum wird die Informationslage deutlich dünner und unzuverlässiger.«
Wieso das denn?
Wissen Sie, 15 Minuten nach dem Anschlag mit toten US-Amerikanern und Afghanen wissen die Medien uns zu vermelden, dass die Täter der IS war, nur verhindern konnten sie den Anschlag nicht. – Verwundert Sie so etwas nicht?
Bis heute hat niemand valide Informationen zu dem Kennedy-Attentat, ebenso wenig zu 9/11. Was wir haben, sind die Erzählungen des politisch/medialen Komplexes.
Reicht das, oder soll ich weitermachen.
»Wissen Sie, 15 Minuten nach dem Anschlag mit toten US-Amerikanern und Afghanen wissen die Medien uns zu vermelden, dass die Täter der IS war (…)«
… was nicht allzusehr ein Kunststück gewesen sein dürfte; der IS-K hat das Massaker schließlich stolz für sich reklamiert.
Ja, aber erst später, als uns die USA mitteilten. Außerdem – Sie wissen ganz genau, was ich meine. Das, was ich Ihnen vorgetragen habe, ist Usus seit Jahrzehnten.
9/11 konnten sie nicht verhindern, wussten 15 Minuten später aber wo der Übeltäter zu suchen war und überfielen ihn auf den Tag genau sechs Wochen später.
Probieren Sie doch mal die Anzahl jener Toten zu ermitteln, die auf die Kappe des Bundeswehr-Oberst Klein gehen. Ich sage Ihnen, sie werden keine validen Angaben finden, weil man die eigenen Schweinereien kaschiert.
Ich bleibe dabei, das, was uns der politisch/mediale Komplex liefert, ist übelste Desinformation.
+++ Ja, aber erst später, als uns die USA mitteilten. +++
Deren Nachrichtendienste werden nun eben nicht vollends Mist bauen – auch wenn sie, wie ich gestern bei SPON oder anderswo las, in Sachen Infoweitergabe an Verbündete recht wortknapp sind (wobei hier korrespondierend mangelnde Infonachfrage hinzukam, aber das nur als Detail). Die IS-K-Urheberschaft allerdings kann sich auch so jeder ausrechnen, der nur halbwegs mit der dortigen Situation befasst ist.
Darüber hinaus: Was hätte es grundsätzlich geändert, wenn die Kaida, das Haqqani-Netzwerk, der pakistanische Taliban-Ableger oder eine andere der noch radikaleren Splittergruppen dahintergesteckt hätte?
+++ Ich bleibe dabei, das, was uns der politisch/mediale Komplex liefert, ist übelste Desinformation. +++
Das ist seltsam, denn auch die Informationen über die Ziviltoten-Desaster des Oberst Klein haben Sie letztlich aus den von Ihnen verteufelten Medien. Oder woher sonst?
Es geht an der Stelle auch nicht darum, dass etwa an 9/11 nach wie vor Unklarheiten kleben (auch solche der Art, dass die Bush-Regierung im Vorfeld mehr wußte, als sie zugab). Sondern – erst mal – schlicht darum, wie die Infolage sein wird, wenn keine unabhängigen Journalist:innen mehr im Land sind. Der Artikel – und ich – behaupten: weitaus bescheidener. Die Einschätzung kann fehl liegen, falls die Taliban eine »gemäßigte«, grosso modo mit Saudi-Arabien vergleichbare Herrschaftsform auf die Beine stellen. Eben das ist gegenwärtig jedoch nicht ausgemacht – und wurde durch die Ereignisse der letzten beiden Tage empfindlich konterkarriert.
"Sondern – erst mal – schlicht darum, wie die Infolage sein wird, wenn keine unabhängigen Journalist:innen mehr im Land sind. Der Artikel – und ich – behaupten: weitaus bescheidener. Die Einschätzung kann fehl liegen, falls die Taliban eine »gemäßigte«, grosso modo mit Saudi-Arabien vergleichbare Herrschaftsform auf die Beine stellen. Eben das ist gegenwärtig jedoch nicht ausgemacht – und wurde durch die Ereignisse der letzten beiden Tage empfindlich konterkarriert."
Meines Erachtens war es bewusstes Kalkül der Amerikaner Terror in Afghanistan wieder hoffähig zu machen. In Riad hat Trump (Säbeltanz) mit seinem Billionen schweren Waffendeal die geostrategische Wende der Amerikaner bezüglich Afghanistan angestossen. In Doha wurden die Taliban aufs internationale Tableau gehoben. Wozu das ganze?
Aus Sicht Riads und Dohas ist es Ziel den Wahhabismus in Afghanistan zu befördern und die Schiiten zu bekriegen. Ein Syrien reloaded droht! Hier wird sich zeigen wie der Interessenkonflikt zwischen Taliban und IS beigelegt wird. Neben "Ortskräften" Frauen und anderen werden also auch die Schiiten um ihr Leben fürchten.
Ob China unter solchen Verhältnissen in Aghanistan bereit ist - Investitionen zu tätigen, bezweifle ich. Eher denke ich, dass Washington und Riad darauf bauen in Afghanistan eine neue Front dem verhassten Iran gegenüber aufzubauen. Saddams Irak hat man ja auch gegen Iran gerüstet. Und Waffen gibts in Afghansitan jetzt genug. Den Golfstaaten mangelt es jedoch nur an boots on the ground. Die Amerikaner wollen nicht, aber in Pakistan und Afghanistan gibt es ein endloses Reservoir an jungen Leuten, welche als Kanonenfutter vom "Komplex" verplant wurde.
Der Krieg ernährt den Krieg
Meine bescheidene Einschätzung zum Fall Afghanistans
Wichtiges Feedback, da es zum Rest von meiner Seite wenig Disput gibt: das zweite Bild ist besser ;-).
„Das ist seltsam, denn auch die Informationen über die Ziviltoten-Desaster des Oberst Klein haben Sie letztlich aus den von Ihnen verteufelten Medien. Oder woher sonst?“
Ja – ich habe Nato-Angaben verwendet, mir dummerweise aber die Quelle nicht gemerkt. Das ist richtig. – Doch, warum kann sie heutzutage nicht mehr verifizieren, wo der politisch/mediale Komplex jede Menge Zahlen über gefallene Militärangehörige des Angriffsbündnisses transportiert und Todesopfer-Zahlen der zivilen Bevölkerung verschweigt.
Und warum meinen der Vorsitzende Richter am BGH, Ulrich Herrmann, und BGH-Richter Harald Reiter JETZT PLÖTZLICH, »muss der Fall Kundus neu bewertet werden?«
"Leider hat sich in der Öffentlichkeit das Bild festgesetzt, auf Anordnung des deutschen örtlichen Kommandeurs sei ohne Vorwarnung in eine Menschenmenge bombardiert worden, wobei über 100 Personen ums Leben gekommen seien, darunter viele Zivilisten und insbesondere Kinder." Diese Darstellung sei hinsichtlich der Opferzahl, der Betroffenen und "der angeblich unterbliebenen Warnung schlicht falsch."
…
Was meinen Sie eigentlich, warum ich Autoren von SPIEGEL, SZ, RND & Co, auch Politikern und Bischöfen laufende Meter wg. ihrer verdammten Kriegsagitation und Desinformationen Protest-Emails schicke?
Protest-Email
Email an:
Kardinal Marx
Kardinal Woelki
Bischof Overbeck
Als ob Journalisten neutral berichten könnten. Da stehen Menschen mit ihren Ansichten dahinter. Das ist noch der geringste Grund. Und dann muss der Artikel noch durch die Redaktionsstuben. Soviel Blauäugigkeit habe ich lange nicht gelesen.
Gerne gelesen..., nicht aus der Luft gegriffen und so perfide aber möglich.
Es ist der "embedded journalism" der mit den Truppen aus Afghanistan verschwinden wird. Ich bin mir gar nicht so sicher, ob das für unabhängigen Journalismus und die Berichterstattung aus Afghanistan so schlecht sein muss. Immerhin, die Bedingung für den westlichen Journalismus aus Afghanistan ändern sich.
Danke, und ich hoffe dass das perfide Spiel der Global Player nicht aufgeht. Die Amis gingen davon aus, dass die reguläre afghanische Armee sich den Taliban zum Kampf stellen und die Hauptstadt Kabul verteidigen. Entweder hat sich die Regierung verspekuliert, oder aber die US Geheimdienste (über 50 an der Zahl) haben hier Joe auflaufen lassen. Die Aussendarstellung kann nicht tiefer sinken. Die Republikaner scharren mit den Füssen.
Gott- Allahseidank, es hat keine Schlacht um Kabul stattgefunden. Dank des gesunden Menschenverstandes der Einheimischen und Armeeangehörigen, ist es nicht zu einem blutigen Bürgerkrieg gekommen. Diese manipulative Strategie des Wertewestens macht wütend, wenn ich daran denke wieviel unschuldiges Blut zusätzlich geflossen wäre. Der aus der Hüfte gefeuerte Vergeltungsschlag der Amerikaner zeigt deutlich mit welcher Selbstverständlichkeit Uncle Sam die globale Bühne diktiert.
Als Westler bleibt mir nur die Scham
okay
>>Deren Nachrichtendienste werden nun eben nicht vollends Mist bauen...<<
Wie kann ich wissen dass sie gar nicht so viel Mist bauen wie sie über sich erzählen lassen?
>>Als Westler bleibt mir nur die Scham...<<
Warum? Identifizierst Du Dich etwa mit der herrschenden Klasse? Bevor ich mich schäme wünsche ich ihnen doch eher einen Absturz in die Verarmung, mit richtig Kohldampf im Bauch & 50 Cent in der Tasche. Als erste Lektion.
Und: Wir schaffen das wenn wir nicht so etepetete sein wollen.
Ja erwischt, vielleicht schäme ich mich zu schnell. Aber ich kann halt nichts machen ...
goodn8
Deswegen ist ja auch eine Beteiligung "Der Linke" an der Bundesregierung , der Untergang des Abendlandes .
(Soll keine Aufforderung zur Wahl an Sie gewesen sein )
"Embedded journalism : War über 30 Jahre Abonnent der "ZEIT",als der "Berüchtigte " Bilderberger wieder das Zepter von Roger de Rock übernommen hatte. Er hat ganz stolz berichtet , gegen Ende des Irakkrieges im US Militärflugzeug,dass er jede stehengebliebene Strassenlaterne als Erfolg des" US-Demokratierungschangesismus" sieht. Hat noch fast 8 Jahre gedauert (kam noch ein gewisser Ulrich ) bis ich aufgab und das Abonnement kündigte.
In dieser Medienwelt verschwindet dieses "embeddism" nicht mehr.
(Und vor "Sturmgeschützen der Demokratie" braucht kein "Springermohn" angst zu haben).