Was wir uns zumuten

Obamas Folterverbot Barack Obamas Folterverbot ist ein hochsymbolischer Akt an der Schnittstelle von Politik und Moral. Obama erweist sich damit als Realpolitiker mit moralischer Basis

Obama schafft die Folter ab, so konnte man es in der letzten Woche überall lesen. Das wäre schön, aber recht eigentlich verbietet der neue Mr. President lediglich per "executive order" der CIA „verschärfte Verhörmethoden“, von denen es das sogenannte "water boarding" (das simulierte Ertränken eines Verhörten) zu einer gewissen traurigen Prominez gebracht hat. Diese präsidiale Order, die im Einzelfall genauso flugs wieder zurükgenommen oder eingeschränkt werden kann, ist ein hochgradig symbolischer Akt an der Schnittstelle von Politik und Moral. Die Diskussionen um die Legitimität von Folter, wenn es zum Beispiel um ein „höheres Gut“ wie die Rettung von Menschenleben geht, werden weiter geführt werden; die Praxis der Geheimdienste, sich Informationen zu beschaffen, egal wie, wird weiterhin im Dunkeln bleiben. Deswegen heißen sie Geheimdienste.

Die Forderung nach transparenter, demokratisch kontrollierter, aber dennoch effektiver Geheimdienstarbeit ist ihrerseits politisch (und manchmal blank ideologisch). Die Ansatzpunkte für Polit-Thrillerautoren mit leichter bis mittelschwerer Paranoia, die ja deswegen nicht die schlechtesten Demokraten sind, kann man sich ausmalen: Wie werden CIA, NSA et cetera weiterfoltern und morden, um nicht beim Foltern und Morden erwischt zu werden? John le Carré und andere aufgeklärte Geister werden aus solchen Verwicklungen wunderbare Bücher schreiben, die als hochseriöse Reflexionslaboratorien für solche Themen dienen können – und es, siehe le Carré, Eric Ambler, Ross Thomas, Robert Littel oder John Farrow auch sind.

Die Nachricht allerdings, die Barrack Obama an dieser Stelle aussendet, ist in der Tat extrem erfreulich und gut. Auch und gerade weil sie politische Folgen haben wird: vor allem für die anstehenden Prozesse, in denen dann erfoltertes „Beweismaterial“ nicht zulässig sein könnte und weil sich schlicht und einfach sogar ein paar Agenten zusammenreißen werden und unschuldigen Menschen Leid erspart bleibt.
Bemerkenswert aber ist auf jeden Fall, das man fast den Eindruck haben könnte, Obama hätte Jan Philipp Reemtsma gelesen. Der hatte nämlich in seiner kleinen Schrift „Folter im Rechtsstaat“ (2005) jede Art der Legalisierung von Folter schlüssig abgelehnt: „Weil am Ende nicht das Entscheidende ist, was wir jemandem zumuten zu leiden, sondern was wir uns zumuten zu tun.“ Denn „durch Moral definiert man sich selbst; wer man ist, wer man sein möchte, wofür man gehalten werden will.“

Das hat Obama mit seiner Order klar zum Ausdruck gebracht. “In der Moral“, präzisiert Reemtsma, „geht es um die Frage, was ich bereit bin zu tun.“ Politik macht, wer „möchte, dass etwas geschieht oder nicht geschieht“. Insofern hat Barrack Obama in diesem Fall Moral und Politik richtig sortiert. Das Hintertürchen, das er sich durch die Revidierbarkeit der Order lässt, zeigt ihn als Realpolitiker. Das ist, paradoxerweise, für Leute beruhigend, die Schwarmgeister nicht unbedingt gerne an der Macht sehen. Einen Realpolitiker mit moralischer Basis schon eher.


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