Es gehört zu den schönsten Momenten im Kino, wenn wir Zeuge werden, wie jemand etwas zum ersten Mal tut, etwas ausprobiert und entdeckt. Wie er Schritte auf unbekanntes Terrain wagt, taufrische Erfahrungen macht und sich zurechtfindet in einer neuen Situation. Es braucht einige Reife, um im Kino diesen Moment der Unschuld und Naivität glaubhaft einzuholen. Fast berühmt: Der Titel verortet den Film in einer Zwischenzeit, die Figuren sind aufgebrochen, aber noch längst nicht angekommen.
In Almost Famous wird die Tournee einer Rockband zur Allegorie, zum erzählerischen Rahmen eines Abschieds von einer behüteten Provinzkindheit. William (Patrick Fugit) ist kaum zehn Jahre alt, als er von der Rockbegeisterung seiner Schwester infiziert wird. Als sie eines Tages
ird. Als sie eines Tages Simon Garfunkel beim Wort nimmt und von zu Hause fortgeht, um Amerika zu suchen, hinterlässt sie ihm ein Vermächtnis, das sein Leben verändern wird: ihre Plattensammlung, die sie vor der strengen, exzentrischen Mutter (Frances McDormand) verborgen hielt. Und noch etwas verspricht sie ihm: Eines Tages wird auch er cool sein. William entdeckt, wie viel ein Songtext von den eigenen Gefühlen offenbaren, wie sich ein Lebensgefühl unversehens in einem Gitarrenriff ausdrücken kann. In dem Rockkritiker Lester Bangs (Philip Seymour Hoffman) findet William einen Mentor, der ihn ungeachtet seines Alters ernst nimmt. Penny Lane (Kate Hudson), die nur wenige, aber entscheidende Jahre älter ist als er, wird zur dritten Schutzpatronin seiner Leidenschaft. Sie gehört zum Gefolge der aufstrebenden Band Stillwater (sie sei kein Groupie, darauf besteht sie, sondern eine Muse; auch bei ihr halten sich Abgeklärtheit und Naivität noch die Waage) und verschafft ihm Zutritt zum Leben backstage. Williams Artikel wecken das Interesse des Musikredakteurs vom Rolling Stone, dem er sein wahres Alter vorenthält und einen Artikel über Stillwater vorschlägt. Alsbald sitzt er, gerade einmal fünfzehnjährig, im Tourneebus. Die Sorge seiner Mutter, er könne sich an die Verlockungen von Sex, Drugs und Rock´n´Roll verlieren, hat er ebenso sicher im Reisegepäck verstaut wie Lesters Mahnung, ehrlich und gnadenlos zu sein: Leute wie wir, klärt er ihn auf, werden einfach nie cool sein.Cameron Crowe greift in seinem Drehbuch auf eigene, staunenswerte Erfahrungen als Musikjournalist zurück. Den großen Schritt von der glühenden Begeisterung des Fans zur professionellen Neugier des Journalisten hat er selbst auch im Alter von 15 gewagt. Hier erzählt einer, dem es noch immer Herzklopfen bereitet, sich an diese heroische Epoche seines Lebens zu erinnern, als Songs zu Marksteinen der eigenen Biografie wurden. Er versetzt sich zurück in das fragile, und doch trotzige Selbstgefühl des leidenschaftlichen, erhabenen Bewunderers, der die Demütigung parieren muss, vor verschlossenen Türen und nicht auf der entscheidenden Liste zu stehen und dies einerseits als himmelschreiende Ungerechtigkeit empfindet und zugleich Angst hat, bei einer Hochstapelei ertappt zu werden.Erinnerungen halten sich nicht immer an Plotpoints und Aktstrukturen; Crowe hat seinem Buch eine sympathisch lockere Struktur gegeben. Das "fast" ist auch eine dramaturgische Kategorie, nichts und niemand muss eindeutig, endgültig definiert sein. Der Erzählton wechselt ebenso geschmeidig, wie die Themen einander überlagern. Crowe geht das Risiko ein, vieles gleichzeitig zu erzählen: von Freundschaft und erster Liebe, von den Tauschgeschäften der Gefühle und dem Festhalten an Idealen. Wie in Jerry Maguire geht er der Frage nach, wie viel Integrität man für Erfolg und Ruhm opfern darf. Die Almost-Famous-Tour wird auch zur Chronik der Kommerzialisierung des Rock und beglaubigt beiläufig Lesters Pessimismus. Die Ausschweifungen inszeniert Crowe vergleichsweise harmlos - andernfalls wären sie wohl zu sehr jener nostalgischen Verklärung ins Gehege geraten, die Hollywood noch immer verordnet, wenn einer von dem Verlust der eigenen Unschuld erzählt. William kann als unangefochtener Beobachter aus den Tourneeerfahrungen hervorgehen, seine Jungfernschaft verliert er eher nebenbei, ganz ohne bittersüße Sentimentalität.Gleichwohl schickt ihn Crowe durch ein Wechselbad der Gefühle. Er ist Eingeweihter und Außenseiter zugleich, in der Liebe wie im musikalischen Schaffensprozess. William möchte nichts weniger, als nur Beobachter sein, am Rande stehen. Er besitzt das Talent jedes guten Interviewers, eine innere Verwandtschaft zu seinem Gegenüber herzustellen. Er ist Vertrauter der Bandmitglieder und zugleich ein Spion: was wird er schreiben, wird er sich am Ende als ihr Verbündeter oder Gegner entpuppen? Wird er cool sein?n