Weder da noch weg

Jörg Haider Phantom seiner Partei

Macht er´s doch noch oder macht er´s noch nicht? Nun seit Montag, dem Nennungsschluss für die Kandidatenlisten, weiß man Bescheid. Jörg Haider wird nicht als Spitzenkandidat der FPÖ zur Verfügung stehen, sondern die Niederlage abwarten, um dann - entweder gleich oder nach kurzer Frist - die FPÖ wieder ganz zu übernehmen. Schon der dem glücklosen Kurzzeitobmann Mathias Reichhold nachfolgende freiheitliche Spitzenkandidat, der Kärntner Tierarzt Herbert Haupt, dieser nibelungentreue Haider-Intimus, verdeutlicht dies. Auch dass Haider nun doch auf der Nationalratsliste aufscheint, weist darauf hin, dass er sich die Option, nach Wien zu wechseln, offen hält. Zwischenzeitlich versucht er sich als Phantom seiner Partei: Weder da noch weg ist er. Aber immer im Kommen.

Der Kärntner Landeshauptmann geht zu Recht davon aus, dass diesmal auch er das Ruder nicht mehr herumreißen kann. Das verlorene Terrain wird nicht so schnell zurück zu erobern sein. Solch Aderlass muss man erst einmal verkraften. "Massenflucht der FPÖ-Wähler", schlagzeilte die FP-freundliche Kronen-Zeitung am Montag. Wahrlich, die FPÖ-Wähler sind verunsicherte "kleine Leute", nicht stramme Rechte, die sich durch nichts erschüttern lassen.

Diese Nationalratswahl ist gegen die FPÖ gelaufen. Der gepfefferten Wahlniederlage vom 24. November will Haider sich nicht persönlich aussetzen, geschweige denn sie verantworten. Im Gegenteil, diese wird alsdann der ehemaligen Führung zugerechnet werden. Die Vizekanzlerin Riess-Passer und die Ihrigen werden als Sündenböcke herhalten müssen. Weil sie zurückgetreten sind, sei die Koalition geplatzt. Weil sie keinen Wahlkampf betrieben haben, sei die FPÖ abgestürzt. Sie seien also Verräter, die der Bewegung in den Rücken fielen. Ausdrücklich spricht Haider von einem "Reinigungsprozess" - eine Trennung von den "Treulosen" sei notwendig. Sie wird stattfinden. Den Säuberungen in der Partei werden die exponiertesten Mitglieder der ehemaligen Parteiführung - Susanne Riess-Passer, Klubobmann Peter Westenthaler und Finanzminister Karl-Heinz Grasser - zum Opfer fallen. Zumindest hat Haider ihnen laut Profil schon den Parteiaustritt nahegelegt. Allesamt sind sie übrigens Haider-Kreationen der frühen Neunziger. Leute, die nur ihm ihren schnellen Aufstieg verdanken.

Anders als seine wirklich pfründegeilen Unterläufel vorschlagen, will Haider nicht mehr mit der ÖVP. Sein taktischer Coup könnte gerade darin bestehen, Schüssel trotz möglicher schwarz-blauer Mehrheit im Regen stehen zu lassen: "Schüssel ist für mich eine derart große Enttäuschung, dass ich gar nicht darüber nachdenke, wie die FPÖ in Zukunft mit der ÖVP zusammenarbeiten kann. (...) Ich werde meine Unterschrift sicher nicht mehr unter einen Koalitionspakt setzen. Ich würde auch nicht mehr verhandeln, weil ich mit Leuten wie Schüssel nicht mehr an einem Tisch sitzen kann."

Warum sollte Haider nicht verkünden, Rot-Grün zu tolerieren. Ohne Bedingungen. Zumindest vorerst. Das können diese freilich ohne Gesichtsverlust nicht annehmen, außerdem wäre es ein Himmelfahrtskommando sondergleichen. Aber können sie einfach ablehnen? Haider würde sich mit dieser kalkulierten Blockade-Politik der Destabilisierung nichts vergeben. Nach einigen Monaten aussichtsloser Regierungsbildung könnte man unter anderen Voraussetzungen in Neuwahlen ziehen. Wenn schon Chaos, dann ordentlich. Wenn schon Implosion, dann Explosion. Nur im Falle einer rot-grünen Mehrheit ist dieses Szenario ausgeschlossen. Oder wenn SPÖ und ÖVP in eine Große Koalition flüchten. Doch das sollte Haider nicht stören.

Zuletzt legte die FPÖ ihren Schwerpunkt (neben der obligaten Ausländer"problematik") augenfällig auf den Sozialpopulismus. Während die SPÖ vom Sparen redet und sich von ihrer alten "Schuldenpolitik" distanziert, verspricht die FPÖ ein Mindesteinkommen von 1.000 Euro. Weiter hat Haider den Antiimperialismus entdeckt. "Die USA betreiben einen brutalen Imperialismus und Kolonialismus", sagt der Mann. Während in Österreich seine Jünger ungeniert gegen Moslems hetzen, reiste Jörg Haider vergangenes Wochenende einmal mehr in den Irak. Er sei entschieden gegen "Blut für Öl", behauptet er, aber er stärke die heimische Wirtschaft, der Trip stehe in der österreichischen Tradition des Systemwandels durch Annäherung. Außerdem: die ganze Welt, sogar das State Departement, spricht davon.

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