Fußball wird immer teurer. Die 220 Millionen Euro für Neymar da Silva Santos Júnior, kurz Neymar, sind ja nur der Abschlag, der an den Fußballverein Barcelona gezahlt wird. Gehalt, Beraterhonorare, Steuern et cetera werden noch einmal 500 Millionen bis eine Milliarde betragen, wie man begründet schätzen kann. Rechnen wir in toto eine Milliarde. Die Frage aber, die alle beunruhigt – wie kann ein Spieler so viel wert sein? –, ist definitiv beantwortet: Ja, er kann, denn so viel wurde gezahlt.
Spieler wie Neymar sind Stars – wie in der Musikbranche, im Film et cetera. Hier wird ganz anders gerechnet als im mühsamen Arbeitsleben. Der Pariser Verein (Paris Saint-Germain), zusammen mit seinem Hauptfinanzier, dem katarischen Staatsfonds, hat natürlich gerechnet. Es geht dabei nicht nur um Fußball, sondern der Hauptsponsor Katar will gerade in der jetzigen politischen Situation des Landes beweisen, dass er weiter hochrangig global mitspielt. Das symbolische Ereignis, den bedeutendsten und teuersten Transfer der Welt beglichen zu haben, ist Katar etwas wert, was nicht gleich in Geld zurückgezahlt werden wird. Das macht einen Gutteil der Differenz zum letzten Top-Transfer (der Belgier Romelu Lukaku an Manchester United für 85 Millionen). Der Fußballer-Markt ist noch nicht wirklich bei 220 Millionen Euro gelandet. Es sei denn, einer der reichen Investoren, die sich neuerdings im internationalen Fußball tummeln, fühlt sich in seiner Ehre gekränkt – und will toppen.
Paris und Katar haben natürlich noch genauer gerechnet. Der Verein wird mehrfach aufgewertet: erstens, fußballerisch (obwohl ein Superstar noch kein gutes Team macht), zweitens, medial (ein Dauerbrenner, d.h. höhere Einnahmen aus dem Stadion- wie vor allem dem TV-Geschäft) und drittens, im Merchandising (im weltweiten Artikelverkauf, der irgendwie mit Neymar verbunden werden kann). Neymar hat 100 Millionen Follower in den sozialen Medien Twitter (31 Millionen) und Instagram (79,4 Millionen) kombiniert; Cristiano Ronaldo hat übrigens mehr: 140 Millionen; ein Großteil davon sind Fans, die bedingungslos Artikel kaufen (auch übrigens die Artikel der Werbung, die Neymar zusätzliche Einnahmen einspielen werden). Neymar wird in Paris natürlich ein neues Trikot tragen, das „jeder haben muss“. Nehmen wir einmal – spekulierend – an: 50 Millionen kaufwillige Fans (die Hälfte der Follower), die jeweils 50 Euro für ein neues Trikot ausgeben – das wären dann über zwei Milliarden Euro Einnahmen aus diesem einen Geschäft. Viele andere laufen parallel. Es ist klar, dass Fußball hier nur der Generalcode für Geschäftsmodelle ist, die Stars und Ereignisse produzieren, die medial exklusiv sind und die nötigen Kommunikationskanäle liefern, um über das Merchandising Fans zu bedienen und darin das Hauptgeschäft zu machen. Die TV-Einnahmen sind auch nicht zu verachten.
Wir haben es mit verschuldet
Es lohnt sich nicht, diesen Exzess eines wahnsinnig gewordenen Sports zu kritisieren, der seine Fans melkt und nichts mehr mit der Idee des Sports zu tun hat. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Warum kaufen Fans wie Idioten den textilen Plunder für überhöhte Preise? Warum sieht man sich diese Spiele an, für zunehmend höherpreisige TV-Angebote? Natürlich will man Neymar spielen sehen; aber zu jedem Preis? Ins Stadion kann man als normaler Mensch schon nicht mehr gehen bei den Kartenpreisen. Und – ehrlich: Lohnt es sich, einen exzellenten Spieler in einem Team von mehr oder minder normalen Fußballern anzusehen? Man sieht dann ab und zu eine Pirouette von Neymar, aber der Klub verliert auch und kommt nicht in die Champions-League. Paris SG hat Neymar gekauft, um die Illusion aufrechtzuerhalten, der Klub hätte jetzt eine Siegertruppe.
Noch einmal: Warum klagen wir? Wir haben es mit verschuldet. Drei Antworten sind zweckmäßig: erstens, keinen Fan-Schund mehr kaufen von Neymar, zweitens, die teuren TV-Programme nicht mehr kaufen (dafür bei Freunden sehen gehen) und, drittens, die Accounts bei Twitter und Instagram abschalten. Wenn das gelingen sollte, hat sich Paris verrechnet. Und es wird auch anderen klar, dass sich diese Geschäfte nicht mehr lohnen. Dann wollen auch die Reichen nicht mehr in Fußball investieren (die Scheichs, die Russen et cetera).
Neymar ist nur gerade ein aktuelles Zeichen in einem Marktprozess, der ähnliche Transfers bescheren wird. Die verkaufenden Vereine haben ein starkes Interesse, weil es Geld in ihre Kassen bringt. Und auch die Vermittler haben starkes Interesse an hohen Summen, weil ihre Anteile in Prozenten bemessen sind. Letzthin haben aber auch die kaufenden Vereine ein starkes Interesse, ihre Auftrittsqualität zu erhöhen, ihre Performance, weil sie neue Spieler einsetzen, die zu beobachten erst einmal zu lohnen scheint (mit allen Folgen des Kaufs von Karten, Trikots und TV-Rechten). Denn jeder neue Spieler ändert das Team (wie fügt er sich ein und wie fügt sich das Team ihm), bringt neue Volten, Erregungen, Störungen, die den Ereigniswert der Mannschaft erhöhen. Und damit ihren medialen Wert.
Letztlich finden wir das ja spannend: wie ein überbewerteter Player mit der Mannschaft klarkommt. Ein Spiel im Spiel. Aber noch spannender wird es, wenn wir mitspielen: indem wir nicht mehr in allen Facetten mitspielen.
Kommentare 13
Das ist lustig. Sie glauben die Identität mit dieser Gruppendynamik lässt sich bei den Fans so leicht auflösen!?. Das Gefühl von Stärke, Macht, Glaube, Inspiration, Motivation, Integration und der gelbte Kult einer Tradition an diese Werte die hier mit dazuspielen, sind viel stärker und Ihre Analyse wird ignoriert und belächelt. Sie dient höchstens dazu um die selbsterschaffenen Vorurteile in diesem Kult zu bestättigen und andere zu belästern und zu diffamieren über Gesang und äußern von Parolen. Daran wird sich nichts ändern, an diesem gelebten militärischen Affentanz. Die Leute die in diesem Geschäft tätig sind wissen das und nutzen dies für Ihre Vorteile aus. Ich weiß gar nicht wie ich Sie anreden soll? Sind Sie ein weiblicher, oder männlich Mensch Briger P. Priddat?
Warum sollten wir denn nicht mehr mitspielen?
Darum?
Die Idee von Sport war und ist seit je die naive Version von Brot und Spiele, d.h. sie ist tief verwoben in die Mechanismen von Herrschaftstechniken. Warum sollte sich daran irgendetwas ändern, wenn flächendeckende Meinungs- und Empfindungsmanipulation so wirksam ist wie nie zuvor?
Ob es nun die stablisten Herrschaftsverhältnisse sind oder nicht - und ob der Fußball nun ein Spiel ist oder Brot und Spiele: was spricht gegen Übungen im politischen Handeln?
Grosses Geschäft, der Fussball.
Könnte aber sein, dass die Sause bald überinvestiert ist und die Blase platzt. ;-)
>>...was spricht gegen Übungen im politischen Handeln?<<
Nein, das Spiel ist keine Übung, es bildet nur die allgegenwärtige Praxis ab: Kampf&Sieg und Aufstieg&Abstieg und Geschäft ist Geschäft.
Vor Jahren waren es die ~ 90 Mio. Ablöse für Ronaldo von Manchester United zu Real Madrid, die als noch nie dagewesenes Exempel des Wahnsinns galten; mittlerweile hat "man" sich an diese Summen gewöhnt und nun werden es halt dreistellige Millionen-Beträge. Das ist Kapitalismus: Immer nur nach oben!
Robert Schumann soll mal gesagt haben: Die Menschen sind wie eine Herde Kühe - schauen erschrocken nach oben, wenn's donnert, um dann gemächlich weiter zu grasen. So wird Horst nun zu Emma rufen, hast du das gehört, über 220 Mio für den Neymar, die sind doch waahnsinnig, hör' mir uff! Zum Geburtstag kriegt er dann aber wohl doch das Sky-Abo.
Die ganze Absurdität des Konsumverhaltens wird sich nicht isoliert am Fussballkonsum auflösen bzw. mildern lassen. Die kleinen Leute kaufen auch bei Amazon u.ä. wie die Blöden, und machen sich damit selbst die wirtschaftlichen Grundlagen und die Innenstädte kaputt. Die kleinen Leute hecheln auch den teuren Marken hinterher - und wenn man sich Gucci nicht leisten kann, dann muss es halt der Fake vom Marktstand sein. Oder die Prioritäten werden so gesetzt, dass anderthalb oder zwei Monatseinkommen für den Luxus gesetzt werden. Und, und, und ...
Ich meine mit Übungen nicht den Fußball, sondern den Boykott davon.
Robert Schumann soll mal gesagt haben: Die Menschen sind wie eine Herde Kühe - schauen erschrocken nach oben, wenn's donnert, um dann gemächlich weiter zu grasen.
Der Mensch gleicht eher dem Pferd - ein Fluchttier, das sich aber an regelmäßig wiederkehrende Phänoneme gewöhnt, auch ohne sie einordnen zu können.
Die ganze Absurdität des Konsumverhaltens wird sich nicht isoliert am Fussballkonsum auflösen bzw. mildern lassen.
Das wohl nicht. Aber es m. E. ist ein hinreichend konkretes Übungsfeld zur Emanzipation vom Kult.
>>Ich meine mit Übungen nicht den Fußball, sondern den Boykott davon.<<
Ach so. Mir war nicht kar, dass man den üben muss ;-)
Als fußballbegeisterter Mensch schon. :-(
BlogautorIn überschrieb den Text mit Weil wir mitspielen. Das war eine richtige Beobachtung. Und daran wird sich auch nichts ändern. "Wir" - genügend viele - werden immer mitspielen. Aber üben Sie ruhig^^ sagt einer, der vor über 15 Jahren seine Fernsehgeräte abgeschafft und seither kein Fußballspiel mehr gesehen hat.