Weißer Bademantel, schwarzer Flügel

Pop Bescheidwisser Jens Friebe hat ein neues Album draußen. Will es sich über mich lustig machen?
Ausgabe 45/2018

Jüngst, als die Spex das Zeitliche segnete, da kondolierten reihenweise Leute, die die Spex schon seit Jahren nicht mehr in der Hand hatten, weshalb, unter anderem, die Spex möglicherweise ja das Zeitliche gesegnet hat. Ich selbst gestehe, für die Spex immer ein wenig … nein, nicht zu dumm, aber doch zu ungebildet gewesen zu sein. Ich wollte mich von ihr beraten, leiten, initiieren lassen. Aber als ich danach Griff, es wird in den 90er Jahren gewesen sein, da las sich die erste Zeile der ersten Plattenkritik, auf die mein Blick fiel, folgendermaßen: „Bei Fatboy Slim muss ich immer an Kippenberger denken.“

Mit Jens Friebe hat das alles insofern zu tun, als dessen Werk ebenfalls eine hyperinformierte Hipness ausstrahlt. Vorher Nachher Bilder kam mit seiner Smoothness 2004 vielleicht einen Tick zu früh. Und wer Alben Das mit dem Auto ist egal, Hauptsache dir ist nichts passiert oder Nackte Angst zieh dich an wir gehen aus nennt, der muss sowohl ziemlich clever als auch humorvoll sein.

Das gilt auch für die erste Single, Just Because You’re Jealous Doesn’t Mean You’re In Love, der Titel des aktuellen Albums spricht in seiner Lakonie ebenfalls für sich und seinen Urheber: Fuck Penetration. Zumal diese Wortspiele nicht nur Wortgeklingel, sondern von der Musik gedeckt sind. In Call Me Queer attackiert Friebe den nur scheinaufgeklärten „modernen Mann“, dem das Spiel mit dem sozialen Geschlecht bereits zur zweiten, aber eben nicht eigentlich Natur geworden ist: „Ich schau’ Fußball und trink’ Bier, ich schlaf’ nur mit Frauen“, bin aber ansonsten total offen, du.

Nun ist Fuck Pentration kein Essay, sondern ein Album. Mit Musik. Leider leidet die bisweilen unter der vierfach gedengelten und vor Freude an der eigenen Eloquenz regelrecht verzinkten Intelligenz des Musikers; wie zuletzt bei Peter Licht. Friebe hingegen glänzt, wenn er sich ganz in seine Klavierballaden wirft. Weißer Bademantel, schwarzer Flügel, geöffnete Balkontüren auf den Gardasee hinaus, im Wind wehende Melodien, diese Liga, geschult am frühen Scott Walker.

Die edlen Teile

Interessanter wird es in den kompakten, nach vorn drängenden und schnelleren Stücken. Wer will, der darf sich hier an MGMT oder Foxygen erinnert fühlen, ein postmodernes Wühlen also in der Grabbelkiste des Pop, aber immer mit sicherem Händchen für die dann eben doch edlen Teile. Hier wird Kritik gewissermaßen tanzbar, und zur Revolution lässt sich mit dem Fuß wippen.

Weil diese beiden Dinge nun aber nicht zusammengehen, ergibt sich beim Hören eine epistemologische Lücke. Meint der das ernst? Meint er es ironisch? Meint er es so ironisch, dass es schon wieder ernst ist? Will mich der Bescheidwisser unterhalten? Oder sich über mich lustig machen? Vielleicht sogar alles zusammen?

Der eigentliche Reiz von Fuck Penetration ist weniger die Meta-Ebene, hinter der sich möglicherweise weitere Meta-Ebenen und Plateaus befinden. Der eigentliche Reiz ist der sanfte zerebrale Kitzel, den Musik und Inhalt, das Süffige und das Scharfe miteinander erzeugen. Diese Musik ist nicht, wie es das metaphysische Künstlermärchen will, „schlauer als ihr Urheber“. Schlauer als der Hörer – oder Rezensent – ist sie allemal.

Womit wir wieder bei der Spex wären. Sie mag untergegangen sein. Solange es noch Friebe gibt, ist Hoffnung.

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Fuck Penetration Jens Friebe Staatsakt 2018

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