Wieder hat Katalonien gewählt, zum zweiten Mal nach dem Unabhängigkeitsreferendum vom Herbst 2017 und dem Exil von Carles Puigdemont. Zum vierten Mal im Zeichen des Procés independentista, der das Land seit bald zehn Jahren politisch lahmlegt. Die Independentistes jubeln: Erstmals haben sie nicht nur die Sitzmehrheit im katalanischen Parlament, sie kommen tatsächlich auf knapp über 50 Prozent der Stimmen. Ein klarer Auftrag, sich vom spanischen Staat zu verabschieden, finden sie und machen sich daran, wieder eine monothematische Regierung zu bilden.
Wobei die stärkste Kraft in ihrem Lager nicht mehr Puigdemonts Partei ist, die für ein in narzisstischer Kränkung radikalisiertes Bürgertum steht, sondern die pragmatischer gestimmte Republikanische Linke (ERC). Regieren aber können sie, wie gehabt, nur mit der CUP, die ihren Status als Anti-Partei mit anarchistischen Wurzeln betont, um dann doch auch mit dem konservativen Teil des Independentisme gemeinsame Sache zu machen.
So weit, so gewohnt. Jedoch raffte sich nur die Hälfte der Wahlberechtigten zur Stimmabgabe auf; 2017 waren es noch fast 80 Prozent. Der Independentisme hat gegenüber dem letzten Mal gut 600.000 Stimmen eingebüßt. Gemessen am Zensus schrumpft der Auftrag für ein unabhängiges Katalonien auf 27 Prozent.
Und die große Gewinnerin der Wahl – abgesehen von den Rechtsextremen, deren Parlamentseinzug Katalonien den Nimbus raubt, gegen Faschismus immun zu sein – ist die sozialdemokratische PSC. Sie konnte ihr Ergebnis verdoppeln und liegt sogar vor der ERC. Rechnerisch wäre demnach eine linke Koalition über die Unabhängigkeitsfrage hinweg möglich: die PSC, die für den Verbleib bei Spanien eintritt, mit der ERC, die im Streben nach der katalanischen Republik eher auf Dialog als Schaumschlägerei setzt, und dem katalanischen Podemos-Ableger, der das Problem mit einem weiteren, diesmal mit Madrid abgestimmten Referendum lösen will. Das Bündnis böte die Chance, in Katalonien endlich wieder Politik zu machen. Aber da die ERC eine Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten ausgeschlossen hat, um ihre Independentista-Klientel bei der Stange zu halten, dürften den zehn verlorenen Jahren noch ein paar weitere folgen.
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