Wellness mit Hitler

Kommentar Interconti auf dem Obersalzberg

1871 wurde der Verschönerungsverein am Obersalzberg gegründet. 1923 traf - auf der Flucht vor der Polizei - hoch oben die Verschönerung ein. Sie kostete mindestens 62 Millionen Menschen das Leben. Jetzt trägt sie endlich Zinsen. Denn dort oben auf dem Berg ist jetzt auch der britische Intercontinental-Konzern angekommen und hat ein 50-Millionen-Euro-Hotel von "raumgreifender Kuhfladigkeit" (Süddeutsche Zeitung) errichtet. Es ist fast so luxuriös wie das Ritz-Carlton-Hotel, das sich Hitlers SS-Mann, der Metrogründer Otto Beisheim, gerade erst zum 80. Geburtstag auf dem Potsdamer Platz hinstellen ließ.

"Zwischen Himmel und Erde, 1.000 Meter über dem Meeresspiegel, tauchen Sie ein in eine Oase des Wohlbefindens", wirbt Interconti für seinen Luxusberghof. Wellness mit Hitler. Besonders geschmackvoll die Duschen, die unauffällig in die Decke integriert sind - man nimmt sie erst wahr, wenn sie in Funktion treten.

Das riesige Panoramafenster ist noch größer als die Scheibe, die sich Hitler 1936 in die Große Halle seines Berghofs einbauen ließ. Ein Viertel seiner Regierungszeit hat er hier verbracht. "Alle meine großen Pläne sind hier entstanden", versicherte er und es ist wahr: vom Krieg gegen Russland bis zur Judenvernichtung - alles wurde in der majestätischen Stille dieses hinreißenden Panoramas ausgedacht.

Gottes und des Freistaats Segen ruhen auf dem neuen Interconti-Berghof. Am Sonntag wurde im Rahmen eines ökumenischen Gottesdienstes der ganze Gebäudekomplex ausgesegnet. Und Bayerns zuständiger Finanzminister Faltlhauser versicherte: "Ich werde keine Oberflächlichkeit und schon gar keinen Missbrauch dieses Ortes dulden" - was immer er auch unter Missbrauch des spätestens jetzt geweihten Refugiums verstehen mag.

Tatsächlich hat die bayerische Staatsregierung im Umgang mit Hitlers Erbe getan, was sie konnte: die Bauern, die zu Hitlers Wohlbefinden zwangsenteignet wurden, haben bis heute ihren Besitz nicht zurückbekommen. Und das ist gut so, denn was ein guter CSU-Mann ist, der erregt sich lieber darüber, dass die SED die Großgrundbesitzer, die Hitler an die Macht gebracht hatten, zugunsten von Flüchtlingen und Tagelöhnern enteignete.

"Hier vergnügte sich Hitler - werden es ihm die Reichen nachmachen?" So fragt verständnislos die New York Times. Interconti spekuliert darauf. Eine Garantie hat der globale Hotelkonzern jetzt schon in der Tasche: Alle Nazis dieser Welt werden von nun an über das weltweite Reservierungssystem nach Möglichkeit nur noch die Hotels der Interconti-Kette buche. Das ist der Erfolg.

Was aber die Nichtnazis machen, darüber sollen sich die Interconti-Manager in London bald schon graue Haare wachsen lassen. Ob sich selbst eine Bush-Ministerin wie Condoleezza Rice noch einmal leisten kann - wie vor vier Wochen - in der Präsidentensuite des Berliner Interconti zu übernachten, das erscheint fraglich.


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