Wenn Ärsche rappen...

Frauen und HipHop Rapperin Kitty Kat hat mit ihrem Debütalbum Großes vor: "Ab sofort werden die Geschlechterrollen im deutschen HipHop neu definiert". Wie will sie das alleine schaffen?

Frauen im HipHop, die mehr als ihren Arsch einsetzen wollen, werden selten mit Erfolg belohnt.
Einen neuen Versuch macht nun die Rapperin Kitty Kat. Gerade veröffentlichte die 27-Jährige ihr Debüt „Miyo!“ zu dem ihrer Plattenfirma Universal so erheiternde Sätze einfallen wie: „Ab sofort werden die Geschlechterrollen im deutschen HipHop neu definiert“.

Aha... Um das zu unterstreichen, räkelt sich Kitty Kat auf ihrem Albumcover lässig in Catwomansuit und Higher Heels eine Häuserfassade entlang. Aber das soll vermutlich nur auf eine falsche Fährte führen, so wie ihre erste Single „Braves Mädchen“ – denn klar, brav ist die Berlinerin natürlich nicht. Zumindest nicht „heute Nacht“, denn da wird gesoffen, gefeiert und gevögelt. Bis es wieder hell wird und Fräulein Kitty Kat die zugeknöpfte Sekretärin mimt. Ja, so lassen sich Geschlechterklischees beseitigen.

Eigentlich ist es mir schnuppe, ob Baggy oder Barbie-Optik, wenn die Frau was kann und ihr Ding macht. Denn immerhin hat Kitty Kat ihre Songs selbst geschrieben und produziert. Aber egal, wie gut ihre Fähigkeiten als Rapperin sind, das überwiegend männliche HipHop-Publikum interessiert sich mehr für die Skills einer Frau unterhalb ihrer Gürtellinie.

Dabei hat Kitty Kat, die mit bürgerlichem Namen Katharina Löwel heißt, äußerst credible Voraussetzungen für Akzeptanz und Erfolg im Machoclub. Vor ihrem Majordeal war sie bei Aggro Berlin unter Vertrag, der Rap-Schmiede, die mit Sido und Co. den deutschen HipHop ins Ghetto geschickt hat. Und so bedient Kitty Kat sich der aggro-verwandten Ausdrucksweise und rappt über Schwänze und Fresse halten – natürlich aus weiblicher Sicht und als Ansage an die Herren, dass die Mädels es ihnen verbal durchaus gleichtun können. Aber vielleicht wollen sich die Jungs keine Poster an die Wand hängen, auf denen Frauen ihnen mit Gleichberechtigung drohen?!

Überhaupt, die Zielgruppe derber HipHop Sprüche sind und bleiben nun mal Jungs. Auch, weil die sich in ihren Rap-Communities zusammenrotten und die neuen Alben von Bushido oder Olli Banjo so heiß erwarten wie ihren letzten Schultag. Mädchen dagegen scheinen nach wie vor vom Boygruppen-Virus befallen zu sein. Und so wie der Künstlerin das Publikum fehlt, mangelt es der Szene an fähigen Frauen. Das sieht auch Rap-Kollege Prinz Pi im Interview mit jetzt.de. Wenn tausend Männer rappen, gibt es darunter ja auch nur wenige, die richtig gut sind. Aber auf tausend rappende Männer, kommen maximal hundert Frauen – wahrscheinlich noch weniger. Und die Chance, dass dann jemand dabei ist, der richtig gut ist, ist eben statistisch sehr gering. Das heißt nicht, dass Frauen generell schlechter rappen können, aber es machen einfach viel zu wenige.

Und wenn Prinz Pi dann noch meint, die erfolgreichste deutsche HipHop-Frau sei Sabrina Settlur, kann ich es kaum glauben. Settlur, die mittlerweile versucht, mit Verkäuferinnenlächeln ihr Herz bei Sat.1 an den Mann zu bringen. Rapperinnen wie Cora E, Piranja oder Melbeatz scheinen dagegen schon längst das Handtuch geschmissen zu haben oder werden kaum über die Szene hinaus bekannt. Höchstens Fiva ist mir in der letzten Zeit noch mal positiv aufgefallen, wegen ihrer kritischen Texte und gekonntem Sampling – also dem, worauf es beim HipHop ursprünglich mal ankam!
Aber Künstlerinnen wie Fiva oder vielleicht sogar Kitty Kat sind dann auch bloß so Einzelphänomene wie Angela Merkel. Eine Kanzlerin macht noch keine gleichberechtigte Gesellschaft und ein HipHop-Kätzchen keine misogyniefreie Reimzone.

Verena Reygers, geb. 1976 in Köln, teilt sich mit ihrer Plattensammlung eine Wohnung in Hamburg-Eimsbüttel. Von dort aus arbeitet sie als freie Journalistin unter anderem für intro, Musikexpress und uncle Sallys. Außerdem bloggt sie bei der Mädchenmannschaft vor allem über wilde Mädchen.

Auf freitag.de wird sie künftig zweiwöchentlich jeweils Montags zu Musik- und Gender-Themen schreiben. Motto: blame it on the boogie!

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Verena Reygers

Musikfetischistin, Feministin, Blames it on the Boogie

Avatar

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden